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Beispiel Dänemark

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Auch in Danemark gab es eine zahlenmäßig allerdings sehr kleine Nazipartei. Die bloße Angehörigkeit zu dieser Partei wird in Dänemark strafrechtlich nidrt verfolgt. Doch es ließen sich viele junge Dänen für deutsche Kriegsdienste anwerben. Es gab sogar ein eigenes SS-Regiment „Dänemark“, eine Division „Wiking“, ein Regiment „Nordland“ und ein Regiment „Westland“.

Die Staats- und völkerrechtliche Lage ist nicht ganz klar. Als die Deutschen am 9. April i940 Dänemark überfielen, war Dänemark derartig überrascht, daß es Deutschland nicht mehr den Krieg erklären konnte. Formell befand sich also Dänemark nicht im Kriegszustand mit Deutschland. Aber in Dänemark ist man allgemein der Auffassung, daß sich Dänemark zumindest seit dem 29. August 1943 mit Deutschland im Kriegszustand befand. Damals trat da dänische Kabinett zurück und es wurde kein neues mehr gebildet. Grundlage aller strafrechtlichen Maßnahmen in Dänemark bildet nun nicht ein besonderes Gesetz gegen den Nazismus, sondern der S 10t des dänischen Bürgerlichen Strafgesetzes von 1930, der eine Strafe von 2 bis 12 Jahren für denjenigen festsetzt, der während eines Krieges oder bei drohender Aussicht auf einen Krieg dem Feind mit Rat oder Tat Beistand leistet.

Bis Ende November 1946 wurden auf Grund des S 101 etwa 20.000 Fälle der dänischen Reichsanwaltschaft zugeleitet, die bisher in etwa 12.500 Fällen die Anklage erhoben hat. 11 800 Anklagen sind bisher von den Gerichten entschieden worden. Es wurden 648 Freisprüche gefällt, und es wird angenommen, daß noch vor Mitte des Jahres 1947 alle kleineren Fälle von den Gerichten entschieden sein werden. Bis 1. November 1946 waren 6919 Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren verhängt worden. Praktisch genommen sind alle diese Verurteilten nach den geltenden Strafvoll-streckungsbestimmungen bereits wieder probeweise entlassen. 621 Personen haben Strafen von mehr als zwei, aber nicht über zweieinhalb Tahre erhalten. Ihre probeweise Entlassung beginnt im Februar 1947. Es werden ungefähr 200 in der Woche entlassen, sodaßbald 7500 Personen, also der größte Teil der Verurteilten, der,Gemeinschaft zurückgegeben sein werden.

Wegen ihrer Angehörigkeit zur Allgemeinen Waffen-SS wurden 1185 Personen mit etwa zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen Angehörigkeit zum Freikorps „Dänemark“ wurden bisher 625 Personen mit meist zwei Jahren Gefängnis bestraft. Dänische Offiziere, die sich von diesem Freikorps anwerben ließen, erhalten strengere Strafen, meist zwischen drei und acht Jahren. Gegenüber jugendlichen Freikorpsangehörigen wurde in z a h 1-reichen'Fällen von der Anklage abgesehen.

Für Leistung freiwilliger Kriegsdienste in der deutschen Luftwaffe. Kriegsmarine und im deutschen Heer liegen die Durchschnittsstrafen zwischen eineinhalb und zwei Jahren Gefängnis. Von diesen Angeklagten sind bisher 460 verurteilt worden. Bei bloßer Teilnahme an SS-Kursen in Deutschland oder Eintragung in die SS wird keine Anklage erhoben, wo man bei gutem Willen glauben kann, daß die Ausbildung kein militärisches Ziel verfolgte.

Wegen ihrer Tätigkeit ab deutsche Sabotagewachen und als Wächter auf deutschen Flugplätzen wurden 840 Personen mit durchwegs weniger als zwei Jahren bestraft. Außerdem wurden 900 sogenannte Schutzkommandoleute, die außerhalb der Grenzen Dänemarks bewaffnet und in Uniform Wachtdienste versahen, verurteilt. Sie erhielten durchschnittlich ein Jahr und zehn Monate. Der frühere dänische Justizminister N. Busch-Jensen erklärte mit feinem, richtig dänischem Humor in der Zeitung „Berlingske Tidende“ vom 22. Dezember 1946 über diese Schutzmänner: „Von einer Anklage wurde in großem Umfange abgesehen, da diese Männer bald zu erklären verstanden, daß sie nur damit beschäftigt gewesen wären, in Griechenland md Italien Kachelöfen zu heizen und ein Beweis für ihre tatsächliche Tätigkeit km Ausland sich oft nicht erbringen läßt.“

Gegen unbewaffnete Wächter, Chauffeure im deutschen Dienst und Angehörige des Arbeitsdienstes wurde durchwegs keine An-

klage erhoben. Wegen Angeberei wurden 650 Personen verurteilt. Bloße Anzeige bei der dänischen Polizei, die solche Anzeigen meist unter den Tisch fallen ließ, wurde nicht ak Angeberei angesehen und wird nicht verfolgt.

Dänemark hat sich auf die Verfolgung der gr ob e n und großen Fälle beschränkt. In Norwegen, das sich auch formal mit Deutschland im Kriegszustand befand, verfolgt man ein anderes Prinzip. Dort werden alle Fälle in irgendeiner Form gesühnt. Die meisten Anhänger Quislings erhielten allerdings mir auf ihr Einkommen abgestellte Geldbußen. Insgesamt werden in Norwegen 60.000 Falk behandelt, wovon ungefähr 25.000 Personen mit Freiheitsstrafen zu rechnen haben.

Trotz dieser milden und versöhnlichen

Anstellung der dänischen Rechtsprechung wurden zu Weihnaditen Stimmen laut, die eine Amnestie forderten. Das Problem ist heute vor allem, wie die aus den Gefängnissen Entlassenen wieder möglichst reibungslos in die Gemeinschaft zurückgeführt werden können. Der frühere dänische Justizminister N. BuschTJensen erklärt hiezu:

„Ich glaube, 'daß wir in würdiger Maßhaltung den goldenen Mittelweg gefunden haben. Was jetzt bevorsteht, ist, mit Würde, mit Festigkeit und Mäßigung zugleich den' nädisten Schritt zu machen, um Ordnung in unserem Hause zu schaffen. Wir erwarten nicht, daß die Freigelassenen diesen nächsten Schritt tun, der kann nun einmal nur von uns anderen getan werden. Es bleibt uns allen vorbehalten, jedem in seinem Kreis und soweit sein Einfluß reicht, dahin zu wirken — nicht daß die Vergangenheit vergessen wird, das wäre nicht gut —, aber wohl, daß sich der Schatten der Vergangenheit nicht zu weit auf die Zukunft wirft.''

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