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Das Jahr 1960 wird als historisch bedeutsam in die Geschichte des Burgenlandes eingehen. Es bringt den Katholiken dieses Landes die langersehnte Erhebung der Apostolischen Ad-ministratur zur Diözese. Darüber hinaus hat dieses Ereignis seine staatspolitische Aktualität. Die Diözesanerhebung ist geradezu schicksalhaft mit der jahrelangen innenpolitischen Krise verknüpft, die durch den Streit um die Gültigkeit des Konkordates ausgelöst wurde; zugleich aber auch ein Faktum, das anderseits dazu beigetragen hat, die Beziehungen zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl aus dem kirchenpolitischen Engpaß herauszuführen.

Das Einvernehmen in diesem Punkt War nicht nur ermutigend, sondern auch ein Ergebnis der Geschlossenheit der Parteien in der Bundesregierung. Freilich bleibt noch ein burgenlän-disches Anliegen der Konkordatsmaterie offen, ein Übereinkommen hinsichtlich der Lösung der burgenländischen Schulfrage. Man darf hoffen, daß auch diese Vertragsmaterie gerecht und in einer zeitgemäßen Form geregelt wird.

Dem nunmehr schon Jahrzehnte dauernden Provisorium mit seinen umfangreichen Vorarbeiten ist es zu verdanken, daß der kirchenrechtliche Akt der Diözesanerhebung das kirchliche Leben keineswegs überrascht oder gar überrollt. Die Gefahr der Kurzschlußlösung oder der Überstürzung ist gebannt. Dies ist vor allem das Verdienst des Heiligen Stuhles selbst und mit ihm jener Kirchenfürsten der Erzdiözese Wien, die zu den ersten Administratoren bestellt wurden. Beharrlich und konsequent wurden sie der Aufgabe der Wegweisung gerecht. Kardinal P i f f 1 mit seinem Provikar Prälat H 1 a w a t i gehörten zu den ersten Pionieren der Diözesanerhebung der Apostolischen Ad-ministratur Burgenland. Der dem Burgenland zutiefst verbundene und vom Volk überaus verehrte Kardinal I n n i t z e r suchte mit der Großzügigkeit seines väterlichen Herzens dem Prozeß der Akkomodation durch die Ernennung eines Burgenländers, des Prälaten Dr. Josef Koller, zum ersten Provikar zu beschleunigen. Dieser tat alles, um in schwerster Zeit, besonders von 1938 bis 1945, als alle Hoffnungen auf eine endgültige Lösung nach menschlichem Ermessen illusorisch erschienen, um festzuhalten, zu verteidigen und zu bewahren, was mühevoll von langer Hand erarbeitet wurde. Dann konnte der erste eigene Apostolische Administrator des Burgenlandes, Dr. Josef S c h o i s w o h 1, mit der Klarheit seines Wollens ans Werk gehen und den Prozeß des Überganges einleiten. Sein Werk fortsetzend, leistete Bischof Dr. Stefan Läszlö die eigentlichen und unmittelbaren Vorarbeiten für das neue Bistum. Ihm ist es nun gegönnt, das Werk zu krönen und das Provisorische zu beenden.

Und doch bedeutet die Diözesanerhebung eine Zäsur für das kirchliche Leben des Landes. Das Burgenland wird kirchenrechtlich eine österreichische Diözese. Daher ist für die Republik Österreich die Zustimmung zur Diözesanerhebung der Apostolischen Administratur doch mehr als ein Akt der Loyalität, der De: monstration des guten Willens und mehr als eine willkommene Gelegenheit zur Liquidierung eines innenpolitischen Konfliktstoffes im Rahmen der Konkordatsmaterie. Ihre Visitenkarte für Österreich, für die Demokratie und den Rechtsstaat haben die burgenländischen Katholiken längst abgegeben. Immer schon seit dem Anschluß an Österreich haben die Katholiken österreichisch gedacht, gefühlt und gelebt. Ihre unverbrüchliche Treue zu Österreich haben sie durch Jahrzehnte hindurch unter Beweis gestellt. Sie glauben daher, ein Anrecht zu haben, mit Verdienst und Verantwortung in den Reir; gen der österreichischen Diözesen aufgenommen zu werden. Durch das neue-Bistum gehören die burgenländischen Katholiken in neuer Form zu Österreich. Auch für das Bundesland Burgenland ist dieser kirchenrechtliche Akt im Hinblick auf seine spirituellen Auswirkungen vor eminenter Bedeutung. So wird die Diözesan erhebung eine Stärkung des Selbstbewußtsein: der Burgenländer mit sich bringen und gleichzeitig ein entscheidender Beitrag zur Selbstfin-dung dieses Landes sein.

Die neue österreichische Diözese wird füi unseren Staat, wie auch für das Bundeslanc Burgenland, ein konstruktives Aufbauelemem und ein unbeugsamer Bundesgenosse im Kampl um die bedrohte Freiheit hart am Eisernen Vorhang sein. Neben dem politischen und ökono' mischen Wiederaufbau hängen Bestand, Wohlfahrt und Sicherheit eines Staatswesens von der sittlichen und religiösen Kräften ab. Das Bur-genland war nach dem Anschluß an Österreich wirtschaftlich gesehen, kein Kernland, weil ei keine Industrie mitbrachte, sondern mehr odei weniger eine wirtschaftliche Randzone oder eir Einzugsgebiet für die österreichische Industrie

Bis in unsere Zeit blieb die burgenländische Landwirtschaft, mag auch die Bodenstruktui äußerst ungünstig gewesen sein, in jeder Hinsicht für Volk, Land, Kultur und Religion die prägende Kraft. Zur Stunde ist im Burgenland ein Umbruch- und Umformungsprozeß im Gang, der dem Land eine neue wirtschaftliche Struktur gibt, eine Struktur, die nach jahrzehntelanger Verspätung dem Land den Anschluß an die industrielle Arbeits- und Lebenswelt bringt. Solche Umbrüche sind immer gekennzeichnet von moralischen Krisen. Staat und Gesellschaft können durch sie allzu leicht in ihren geistigen Grundlagen erschüttert werden.

Ein neues Bistum aber will nichts anderes, als die Intensivierung und tiefere Verwurzelung des christlichen Lebens in einem Kirchengebiet. Gerade in Umbruchzeiten ist diese Intensivierung des religiösen Lebens das Zentralproblem aller kirchlichen Anstrengungen. Wenn also die Schaffung eines Bistums diesem Anliegen dient, dann ist dies für das gesamte politische Gemeinwesen von Interesse. Eine neue soziologische oder ökonomische Wirklichkeit braucht, um das innere Gleichgewicht eines Volkes nicht zu zerstören, ein starkes Korrektiv der sakralen Kräfte. Das Burgenland wird diese Kräfte in den nächsten Jahrzehnten mehr denn je nötig haben. Industrie und Fremdenverkehr sind daran, dieses Land zu erobern und dadurch einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Aber bei aller wirtschaftlichen Aktivität und Neugestaltung darf der Geist nicht dem Ökonomischen geopfert werden. Es ist also kein Zufall, wenn in der Stunde der Industrialisierung und des Abbaues der vorwiegend ländlichen Struktur des Landes dem Burgenland eine neue geistliche Institution geschenkt wird.

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