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Benya - Bacher: „Brand aus“?

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Es ging vorbei wie ein Sommergewitter. Nun sitzen sie wieder zusammen, die Sozialpartner, und sie steuern wieder die österreichische Wirtschaftspolitik mit. Der ORF hat einen Betriebsrat weniger, ohne daß gestreikt wird. Andere Themen beherrschen die Schlagzeilen. Wurde „Brand aus“ gegeben? Ist alles wieder so wie früher?

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Es ging vorbei wie ein Sommergewitter. Nun sitzen sie wieder zusammen, die Sozialpartner, und sie steuern wieder die österreichische Wirtschaftspolitik mit. Der ORF hat einen Betriebsrat weniger, ohne daß gestreikt wird. Andere Themen beherrschen die Schlagzeilen. Wurde „Brand aus“ gegeben? Ist alles wieder so wie früher?

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Keine dieser beiden Fragen läßt sich guten Gewissens bejahen. Daß man die Sozialpartnerschaft, die an der erfreulichen wirtschaftlichen und auch gesellschaftspolitischen Entwicklung keinen geringen Anteil hat, so unbedacht — um nicht zu sagen, leichtfertig — in Frage gestellt hat, dürfte die Schatten noch weit in die Zukunft werfen. Niemand hat das klarer ausgedrückt als der kritische Korrespondent der Grazer „Kleinen Zeitung“, Kurt Vorhofer: „Die Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch den von den Sozialisten beherrschten Gewerkschaftsbund wegen des ORF-Konflikts ist eine der gefährlichsten Entscheidungen, die in der österreichischen Politik seit langem gefallen sind. Gefährlich vor allem deshalb, weil die Konsequenz niemand absehen kann, weil es eine Eigengesetzlichkeit der Entwicklung gibt, die dann niemand mehr beherrschen kann und weil solche Entscheidungen geeignet sind, Hysterie zu erzeugen.“ Mittlerweile wurde zum Rückzug geblasen — die Gefährlichkeit der Attacke aber bleibt bestehen. Wäre die vorübergehende Lahmlegung der institution der Sozialpartner aus einem Streit der letzteren entstanden, erschienen die Zukunftsaussichten nicht so trüb. So etwas kommt sozusagen in der besten Ehe vor. Im Streitfall Benya-Bacher handelt es sich um eine Angelegenheit, die in keinem vergleichbaren Verhältnis zur Bedeutung der Sozialpartnerschaft steht. Der ÖGB hat die Sozialpartnerschaft — so das ÖVP-,.Volksblatt“ — zum „Geisel“ gemacht und so ein gefährliches Präjudiz geschaffen. Mit gleichem Unrecht könnte die Landwirtschaft ihre Mitarbeit aufkündigen, weil sie mit der Dotierung des Grünen Planes nicht einverstanden ist, oder die Wirtschaftskammer, weil ihr ein Betriebsrat in irgendeinem Unternehmen nicht paßt.

Konsequenzen der Arbeiterkammerwahl

Mittlerweile haben ÖGB und Arbeiterkammertag den geordneten Rückzug angetreten. Dafür gab es mehrere schwerwiegende Gründe:

• Die sozialistischen Interessenver- treter haben einsehen müssen, daß ihr Vorgehen von der Öffentlichkeit Ziemlich einhellig abgelehnt wurde.

• Die christlichen Gewerkschafter erklärten die Sozialpartnerschaft als weiterhin aufrecht. ÖGB-Vizepräsident Altenburger lehnte zwar Bacher genauso ab wie seine sozialistischen Kollegen, hat aber geschickt seine Fraktion als Gesprächspartner für die Unternehmer offeriert. Das paßte nicht ins Konzept der Sozialisten.

• Diese waren in den Arbeiterkam- mern etwas unruhig. Sie begannen nämlich zu erkennen, daß sie noch nicht die Sieger der Arbeiterkammerwahlen vom September waren: Im Burgenland gewann der ÖAAB einen Vizepräsidenten, in Kärnten erhielt der ÖAAB Anspruch auf den bisher aus Großzügigkeit (und für erwartetes Entgegenkommen) zugestandenen Vizepräsidenten, und in Vorarlberg besitzen die Sozialisten nicht mehr die absolute Mehrheit, so daß ein nichtsozialistischer Arbeiterkammerpräsident im Bereich der Möglichkeit liegt.

Die Aufkündigung der Sozialpartnerschaft, die später von den Initiatoren Benya und Starifoacher in eine Sistierung „umfunktioniert“ wurde, zeigt wieder eine Stelle des tiefen Grabens, durch den heute die einzelnen Gruppen in der Sozialistischen Partei getrennt sind.

Die nächste Bombe

Die Sozialpartnerschaft ist also notdürftig geflickt. Vielleicht hält der Kitt der Erkenntnis, daß es derzeit nichts Besseres auf diesem Gebiet gibt, sie wieder einige Zeit zusammen. Im Konflikt Benyas mit Bacher aber dürfte es dem Vernehmen nach kein „Brand aus“ geben. Benya scheint sich nicht mit Kreiskys Resignation („mit dem Bacher leben“) abfinden zu können. Bacher darf nicht glauben, wegen der „Begnadigung“ dreier Betriebsräte vom ÖGB als Held des Tages ausgezeichnet zu werden. Er kann jedoch zwei Pluspunkte buchen: Er ist aus der Affäre nicht angeschlagen hervorgegangen, und — er ist gewarnt. In der Gewerkschaft basteln nämlich schon sozialistische und christliche Fraktionen einträchtig an der nächsten Bombe.

Schon bildet sich dort eine „Einheitsliste“ im Bereich der zentralen Stellen in Wien. Man will der Unternehmensführung keine Ruhe gönnen. Und bald soll die exakte Einhaltung der Arbeitsgesetzgebung erzwungen werden. Die Konsequenz: Schluß mit zuviel Überstunden und „freien Mitarbeitern“.

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