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Besuch bei Freunden

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Das kleine Österreich, das auch heute noch von vielen Amerikanern mit Australien verwechselt wird, ist für die Vereinigten Staaten mehr als die Heimat des Wiener Walzers und Mozarts, mehr als das, was TV- Reporter David Brinkley den Amerikanern mit seiner verzerrenden Schlagobersorgie einzureden versuchte: Österreich ist für die USA nicht nur ein kleines befreundetes Land irgendwo in Europa, sondern ein politischer Faktor, mit dem man jenseits des Atlantiks fest rechnet.

Dies zeigte der Staatsbesuch. Bundeskanzler Dr. Klaus’, der durch die Rassenunruhen nach der Ermordung Martin Luther Kings und die amerikanischen Schwierigkeiten angesichts der bevorstehenden Vietnamfriedensverhandlungen wider Erwarten nicht entwertet, sondern sogar aufgewertet wurde.

Präsident Johnson, aber auch die anderen Großen der USA und der UNO, die Dr. Klaus bei seiner Amerikavisite besuchte, ließen keinen Zweifel daran, daß sie den Besuch aus dem befreundeten Österreich als Besuch eines Repräsentanten von Geborgenheit und Sicherheit betrachteten und ihm fast symbolische Bedeutung beimaßen. „Gerade Österreichs Erfahrungen lehren uns, daß diese unruhigen Tage einmal ein Ende Anden werden”, betonte Präsident Johnson. „Österreich zeigt uns, daß man den Weg des guten Willens erfolgreich zu Ende gehen kann. Es gibt uns die Hoffnung, daß Freiheit und Ordnung am Ende die Oberhand behalten.”

Politische Beobachter werteten dieses Herausstreichen Österreichs mehr als nur eine dem Staatsbesuch entsprechende Höflichkeitsfloskel. Denn: Im Mittelpunkt der amerikanischen, Österreich betreffenden politischen Überlegungen steht die Brückenfunktion, die Österreich als vorgeschobener westlich-freiheitlicher Posten, als militärisch, aber nicht ideologisch neutraler Staat zwischen dem freien Westen und den Ostblockländern hat. Mit seinen freundschaftlichen Beziehungen zu den Oststaaten, die von den Amerikanern schon bisher voll und ganz unterstützt wurden, ist Österreich für die USA die erste Sicherung für die Erhaltung des Status quo in Europa. Immer wieder wurde im Zusammenhang mit dem Klaus-Besuch festgestellt, die USA seien sich der Tatsache bewußt, daß Österreich auf Grund seiner geographischen Lage und seiner historisch begründeten Position im Donauraum einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Kluft zwischen Ost- und Westeuropa leisten kann.

Bundeskanzler Dr. Klaus traf daher mit seiner wiederholten Feststellung, „Unsere Beziehungen zu unseren Nachbarländern werden dauernd besser, unid mein Heimatland wünscht, bei der Niederreißung der noch bestehenden Hindernisse zwischen Ost und West Hilfe zu leisten”, genau ins Schwarze der europäischen Wünsche der USA. Auch das behutsam vorgetragene Angebot, die Vietnamfriedensverhandlungen in Wien abzuführen, liegt auf dieser Linie.

Dennoch wurde die Atmosphäre der Freundschaft und die trotz der politischen Schwierigkeiten der USA extrem gute Aufnahme der Österreicher von Dr. Klaus nicht mit leeren Floskeln und betulichen Gesten gegenüber dem „großen Bruder” verschwendet. Wie er dies schon in Moskau mit Erfolg praktiziert hatte, nahm er sich, was die Anliegen Österreichs betraf, auch in den USA kein Blatt vor den Mund. Neben den gemeinsamen Interessen der beiden Länder, die vor allem die Sicherheit Europas und die Unterzeichnung des Atomsperrvertrags betreffen, brachte er auch die österreichischen Wünsche offen zur Sprache.

Gleich zu Beginn seiner Reise erörterte der Bundeskanzler vor der New Yorker Börse in der Wallstreet mit aller Offenheit die österreichische Wirtschaftssituation und bekundete sein Interesse an US- Kapitalinvestitionen in Österreich. Die Bestrebungen der USA, Ordnung in ihre Zahlungsbilanz zu bringen, seien begrüßenswert, brächten aber gewisse negative Auswirkungen auf Österreich mit sich, insbesondere für die Industrie, den Fremdenverkehr und das Bankwesen.

Der Besuch Bundeskanzler Doktor Klaus’ dürfte auch dazu beigetragen haben, daß die USA die EWG-Bemühungen Österreichs in einem etwas anderen Licht sehen. In den USA dürfte man nun die sowjetischen Bedenken gegen einen Vertrag besonderer Art Österreichs mit der Wirtschaftsgemeinschaft etwas geringer einstufen. Die Amerikaner hatten den sowjetischen Argumenten dem Vernehmen nach bisher deshalb besonderes Gewicht beigemessen, weil sie fürchteten, durch massive Reaktionen Moskaus auf ein österreichisches Arrangement könnte die europäische Ost-West- Balance gerade an ihrem Angelpunkt Österreich aus dem Gleichgewicht gebracht werden.

Anderseits hatten die USA, welche die EWG auch als politischen Faktor betrachten, bislang immer gefürchtet, ein Sondervertrag Österreichs könnte Beispielsfolgerungen haben und damit zu einer Verwässerung des politischen Inhalts der Sechsergemeinschaft führen. Diese Bedenken hat man nun in Washington angesichts der Haltung de Gaulles völlig beiseite geschoben, verlautete anläßlich der Staatsvisite von Bundeskanzler Dr. Klaus in diplomatischen Kreisen der amerikanischen Hauptstadt.

In seinen Reden und Aussprachen bewegte sich der Kanzler abseits jeder Schönfärberei, die zwar österreich für die USA in einem noch besseren Licht hätten erscheinen lassen können, aber Österreichs Position in Europa abträglich gewesen wäre. Dr. Klaus machte kein Hehl daraus, daß die an sich gut nachbarlichen Beziehungen zu den Ländern des Ostblocks durch die Tatsache getrübt würden, daß es bisher nicht gelungen ist, mit der CSSR zu einem Ausgleich in den vermögensrechtlichen Fragen zu kommen. Er erin-

nerte aber auch daran, daß Italien die Bemühungen Österreichs um einen Vertrag mit der Wirtschaftsgemeinschaft blockiert. Damit habe der unglückliche Einfluß der Südtirolfrage auch die Ebene der europäischen Zusammenarbeit erreicht, betonte Dr. Klaus. Ein mutiges Wort in den USA, die vor SO Jahren an der Entwicklung in Südtirol nicht unbeteiligt waren.

Eines jedenfalls steht nach dem Besuch in den USA fest: Österreich ist es neuerlich und vielleicht besser als bei früheren Gelegenheiten gelungen, die Vereinigten Staaten nicht nur von seiner Freundschaft, sondern auch von seiner Bedeutung für die Ruhe und Sicherheit in Europa zu überzeugen und überdies wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Wünsche zu deponieren, die sich vielleicht nicht sofort, aber doch in geraumer Zeit positiv auswirken können.

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