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Betont Gutes Verhaltnis

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Nachdem im Jahre 1948 die Regierung mit den protestantischen Kirchen Verträge abgeschlossen hat, gelang ihr 1959 auch mit der katholischen Kirche ein Abkommen unter Dach und Fach :u bringen. Das Wesentliche desselben kann in drei Punkten zusammengefaßt werden:

1. Der Staat garantiert die Religionsfreiheit und die Möglichkeit einer Betätigung der Kirchen.

2. Die Kirchen achten die Gesetze des Staates, unterstützen die politischen Bestrebungen der Regierung im Interesse des Friedens und der Zusammenfassung der nationalen Kräfte, auch jene, die auf eine Erhöhung des Lebensstandards gerichtet sind.

3. Es wurde noch festgestellt, daß die Probleme der Beziehungen zwischen Staat und Kirche in der Zukunft durch Verhandlungen und Abkommen geregelt werden. Tatsächlich wurde dann ein solches, wie schon erwähnt, auch abgeschlossen. Die Regierung steht auf dem Standpunkt, „daß eine Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den verschiedenen Kirchen notwendig und möglich ist“.

Zusammenfassend wird von offizieller Seite erklärt, daß „die Voraussetzungen für die politische Zusammenarbeit, für die weitere Verbesserung des bereits bestehenden guten Verhältnisses vorhanden sind. Es kann festgestellt werden, daß das gute Verhältnis unserem Volke zugute kommt, es ist vorteilhaft sowohl für die Kirche als auch für den sozialistischen Staat“. Es wird aber zugleich betont, daß die politische Zusammenarbeit nicht die Gewährung irgendwelcher Zugeständnisse auf ideologischem Gebiet bedeuten kann. „Die religiöse Weltanschauung können wir nicht akzeptieren, das ist vollkommen klar. Aber gegen die religiöse Weltanschauung werden wir mit ideologischen Mitteln kämpfen und werden religiöse Gefühle der gläubigen Massen in Ehren halten. Und mit allen Mitteln der Aufklärung werden wir den dialektischen Materialismus, die einzig richtige, zeitgemäße wissenschaftliche Weltanschauung verbreiten.“

Und das tun sie! Mit Erfolg? Es ist sicher, daß der Erfolg für die Gegner der Kirche keinesfalls zufriedenstellend ist. Wäre dies der Fall, so wären die Kompromißlösungen mit der Kirche nicht notwendig. Aber der Staat und die Partei — so wird von kompetenter ungarischer Seite erklärt — sind im eigenen Interesse an dem Frieden mit der Kirche stark interessiert. („Der Kampf mit der Kirche zieht außerordentlich viele Kräfte von der sozialistischen Aufbauarbeit ab, was für uns keinesfalls von Vorteil ist.“)

Und wie tun sie das, welche Mittel wenden sie in diesem Kampf für den dialektischen Materialismus an? Der Kampf soll „natürlich“ schon bei den Kindern beginnen, schon in der Schule soll der religiöse Einfluß zurückgedrängt werden, nicht mit sehr sanften Mitteln — nach „Nepszabadsäg“ —, denn „die religiöse Propaganda wird gegenwärtig sehr kräftig, ja geradezu brutal verbreitet, im Gegensatz zu der atheistischen Propaganda, die sehr taktvoll auftritt“.

Der Erfolg?

Beobachten wir ihn vom Standpunkt der Jugend. Wie schon erwähnt, sind die Kirchen überfüllt: das ist das erste, was dem fremden Besucher auffällt. Und das beruhigt einen. Weniger beruhigend ist aber die nächste Wahrnehmung: die Jugend ist unter der großen Zahl der Gläubigen nicht besonders stark vertreten. In unserem Gespräch wird auch dieses Thema behandelt.

Das ist wohl richtig, wird uns erklärt. Diese Tatsache ist aber eine Zeiterscheinung, die Sorge ist auch in anderen Ländern ähnlich ...

Die Einstellung der Jugend zw Kirche ist ein Produkt der elterlichen Erziehung. Ist der Einfluß der katholischen Eltern auf ihre Kinder genügend stark und ihre Absicht, sie zu gläubigen Christen zu formen, trots der vorhandenen Schwierigkeiter intensiv, werden ihre Kinder im allgemeinen als Erwachsene der Kirch treu bleiben. Auf mich, machte in unseren Gesprächen die Mitteilung einei der Anwesenden über die Berufswahl der Absolventen eines Gymnasiums den tiefsten Eindruck: von der 36 Schülern haben sich 16 für der Priesterberuf entschlossen. Sie all sind Schüler des Piaristengymnasium! in Budapest, das sein altes großes Hein in der unmittelbaren Nähe der geger Kriegsende zerstörten Elisabethbrück mit* einem bescheideneren Bau in dei Revickygasse vertauschen mußte.

Wie beurteilen aber maßgebend Parteiangehörige den bisherigen Erfolj ihres Kampfes gegen die Kirche?

Im Organ des Zentralkomitees dei Partei wurde gelegentlich darauf hingewiesen, daß die Mehrheit der Parteimitglieder die Kirchenpolitik der Partei und des Staates richtig interpretiert. Aber der nach der „Gegenrevolution“ von 1956 entstandene „ideologische Wirrwarr“ hat auch auf diesem Gebiet seine Wirkung fühlen lassen. „Ein Teil unserer Parteimitglieder ist unsicher geworden. Einzelne dachten, daß die Religion auch innerhalb der Partei eine private Angelegenheit sei. In manchen Parteiorganisationen hat der Kampf gegen die religiöse Weltanschauung nachgelassen. Nicht selten lassen Parteimitglieder — unter ihnen auch Parteisekretäre — ihre Kinder am Religionsunterricht teilnehmen, sie selbst nehmen an kirchlichen Zeremonien teil. Solche Erscheinungen beeinflussen die Aufklärungsarbeit der Parteiorgane schädlich.“

Als positives Resultat der bisherigen Arbeit wird gewertet, daß bei den kirchlichen Feiern und Riten die üblichen verschiedenen Volksbräuche durch Parteiveranstaltungen verdrängt werden, aber wie sie sagen, ist der diesbezügliche Erfolg noch bei weitem nicht zufriedenstellend. Immerhin wird zum Beispiel die Trauung, besonders in den Industriebetrieben, bei der Armee, auch bei den Produktionsgenossenschaften, zumeist in den Abendstunden, mit „entsprechender Feierlichkeit“ abgehalten.

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