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Bewegung der internationalen Ernährungs Wirtschaft

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Die schon Jahre währenden Auseinandersetzungen in Asien haben — von vielen unbemerkt — auch eine tiefgreifende Störung der Ernährungswirtschaft dieses Erdteiles mit sich gebracht, die sich um so mehr geltend macht, als letztere ja schon früher denkbar schlecht war: in den trotz bescheidenster Ansprüche der Bevölkerung so häufigen, für europäische Begriffe unvorstellbar furchtbaren Hungersnöten kam dies sehr sinnfällig zum Ausdruck.

Der Schwerpunkt der Ernährungswirtschaft Asiens liegt, richtiger gesagt, lag bis vor kurzem in den Ländern Burma, Thailand und Indochina, ßie gut zwei Drittel der Reismenge in den Verkehr brachten, dieser nach dem Weizen weltwirtschaftlich wichtigsten Getreideart. Nach Indien, China und Ceylon gingen alljährlich rund 6,6 Millionen Tonnen Reis, die zum großen Teil auf den Bergen Hinterindiens in überaus kunstvoller Weise hinter- und übereinander angelegten und in genialer Weise mit Wasser versorgten Feldern geemtet wurden. Ein zweites Zentrum der Reiserzeugung waren Korea und Formosa, die vorwiegend Japan belieferten. Asien verschiffte alljährlich auch noch 2,2 Millionen Tonnen Reis nach den andern Erdteilen, in welchen die Reiserzeugung im Vergleich zum Verbrauch nur geringfügig ist.

Eine ganz ähnliche Rolle spielte der asiatische, fast ausschließlich aus Rohr gewonnene Zucker, der vorwiegend nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika ausgeführt wurde, eine noch weit größere Rolle die nur in Asien in großen Mengen angebaute Sojabohne. Beachtlich war auch die Ausfuhr von Weizen, Erdnüssen, Kopra, Sisal- und anderem Hanf, von Gewürzen und Tee. Insgesamt schätzte man die Nettoausfuhren Asiens an Lebens-und Genußmitteln auf fast 5,5 Millionen Tonnen, die sowohl für die Bezugsländer wie für die Produktionsstaaten von ausschlaggebender Bedeutung waren.

Das Unglück des Krieges ist hauptsächlich über die Herkunftsstaaten dieser Ausfuhr hereingebrochen. Die Reisausfuhr der alten Uberschußgebiete ist auf weniger als ein Drittel der Vorkriegszeit zurückgegangen; die Lieferungen nach Europa und Ubersee haben überhaupt aufgehört. (Nur Thailand ist noch in der Lage, seine Ausfuhr nach den angrenzenden alten Bezugsländern in nahezu unvermindertem Umfang aufrechtzuerhalten.) Ähnlich liegt der Fall bei den andern Bodenerzeugnissen: die Sojabohnenausfuhr, die einst 3,3 Millionen Tonnen im Jahr betrug, ist auf ein Zehntel, jene von Zucker auf knapp die Hälfte und jene von Erdnüssen auf ein Fünftel zurückgegangen. Zum Teil ist dieser Exportausfall auf die starke Bevölkerungszunahme zurückzuführen, die auf 15 bis 20 Prozent allein im letzten Jahrzehnt geschätzt wird. Jegliche Reisausfuhr aus Formosa, dessen Einwohnerschaft sich besonders stark vermehrte, ist versiegt.

Asien, das noch vor wenigen Jahren 5,5 Millionen Tonnen Lebensmittel mehr aus- als einführte, bezieht heute 8,8 Millionen Tonnen mehr, als es exportiert, so daß sich — per Saldo — eine Gesamtspanne von 14,3 Millionen Tonnen gegen früher ergibt, die nach den Ausführungen des Direktors des Office of Foreign Agricultural Relations, Mr. Fred. J. Rossiter, durch Lieferungen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Kanadas und Australiens ausgeglichen wird.

Zu gleicher Zeit fehlt in Westeuropa ein großer Teil der Lebensmittelbezüge, die vor dem Krieg aus den Ländern hinter dem „Eisernen Vorhang“ in der Höhe von rund sechs Millionen Tonnen bezogen wurden: Rußland lieferte ja sehr beträchtliche Mengen an Weizen und Roggen, der Balkan Weizen, Roggen, Hafer und Mais, Polen und die Tschechoslowakei Zucker und Ostdeutschland mehr als eine Million Tonnen Brotgetreide nach Westdeutschland. Auch hier muß — trotz beachtlichen Wiederanlaufens der Einfuhren aus dem Osten, die für das jetzige Wirtschaftsjahr auf 2,75 Millionen Tonnen geschätzt werden — Amerika als Helfer eintreten, um so mehr, als die Kriegs-Bchäden der westeuropäischen Landwirtschaft noch nicht ganz überwunden sind und die Ausfuhren Argentiniens, das früher jährlich elf Millionen Tonnen Getreide nach Europa verschiffte, auf knapp die Hälfte zurückgegangen sind.

Daß die Ernährungswirtschaft der Welt unter den obwaltenden ungünstigen Umständen nicht zusammengebrochen ist, ist das Verdienst der nordamerikanischen Landwirtschaft; es kann nicht hoch genug gewertet werden.

Diese an sich erfreuliche Tatsache beinhaltet aber in weiterer Folge für die Zukunft der europäischen, unter viel ungünstigeren Verhältnissen arbeitenden Landwirtschaft eine große Gefahr. Denn es kann angenommen werden, daß — die steigenden Lieferungen aus dem Osten und di zunehmenden Weizenüber-■ Schüsse Frankreichs lassen dies bereits deutlich erkennen — wir uns trotz allen Krisen langsam wieder Verhältnissen nähern, die von jenen der Vorkriegszeit nicht mehr allzu stark abweichen, weiter, daß im Maße, als sich die Selbstversorgung Europas und Asiens bessert, der Absatz des amerikanischen Brotgetreides in absehbarer Zeit auf Schwierigkeiten stoßen wird. Da aber die große Leistungsfähigkeit der nun einmal entwickelten amerikanischen Landwirtschaft anhalten wird, ist zu befürchten, daß — so wie es im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts der Fall war — infolge der weiter anhaltenden Exporte eine Uber-flutung der europäischen Märkte mit Getreide eintreten wird.

Man wird rechtzeitig den drohenden Folgen Beachtung schenken müssen. Ein effektiver Schutz gegen das zu Erwartende wird nur von einem einigen Europa aus geleistet werden können.

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