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Blau-gelber Sorgenwinter

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Kaum einen Landeshauptmann in der Geschichte des Kernlandes Niederösterreich haben so schwere Probleme erwartet wie Andreas Maurer, den 47jährigen Bauern aus Trautmannsdorf an der Leitha. Der ÖVP-Abgeordnete Franz Stangler beklagte sich in seiner Stellungnahme zur Wahl Maurers über den großen Kräfteverschleiß, dem in Niederösterreich ein Landeshauptmann offensichtlich ausgesetzt ist. Andreas Maurer ist innerhalb von 20 Jahren der fünfte Landeshaupt mann von Niederösterreich. Seine Vorgänger hatten klingende Namen: Reither, Steinböck, Figl, Hartmann.

Andreas Maurer kommt nicht von oben, wie etwa Figl und Hartmann, die vor ihrem Einzug ins Landhaus hohe Funktionen in der Bundespolitik innehatten. Maurer kommt von unten; er ist ein Mann aus dem Volk, der im Kirchenchor die Primgeige spielt, ganz gern das Baßflügelhorn bläst, der sich in harter Arbeit einen bäuerlichen Musterhof schuf und der die politische Erfolgsleiter in verhältnismäßig kurzer Zeit erstieg. Er besitzt keinen Doktorhut, wohl aber einen integren Charakter und den starken Willen, den Weg, den Hartmann begonnen hatte, konsequent fortzusetzen.

Ringen um das Erbe...

Das Interregnum in Niederösterreich hatte länger gedauert, als man erwartet hatte. Es zeigte sich, daß es nur sehr schwer möglich war, jene Lücke zu schließen, die das Ableben einer so überragenden Persönlichkeit gerissen hatte.

Eduard Hartmann war für die ÖVP

in einer beginnenden Sturmzeit ein ähnliches Symbol wie in der Monarchie die Krone: Zeichen der Einheit, der Stärke. Noch mehr, seine Sachlichkeit, seine Unbestechlichkeit, sein Fleiß und sein umfassendes Wissen bewirkten eine Ausstrahlungskraft, die ihm auch das Vertrauen der linken Reichshölfte eintrug. Der überraschende Tod dieses Mannes traf die Volkspartei völlig unvorbereitet. Noch war kein „Kronprinz“ da, der das Erbe des Vaters in seine starke Hand hätte nehmen können. War es daher ein Wunder, daß ein erbittertes Ringen der drei „Stände“ um die Hinterlassenschaft einsetzte?

Den Löwenanteü bekam dann doch wieder der Bauernbund, der mit Andreas Maurer den Landeshauptmann und (ab März) den geschäftsführenden ÖVP-Obmann stellt. Der Wirtschaftsbund wird mit Landeshauptmannstellvertreter Hirsch die wichtige Funktion eines Präsidenten der Newag besetzen. Die Schlüsselposition in der Landesgesellschaft, nämlich der Generaldirektor, fällt aber wieder dem ÖAAB zu, der mit Minister Dr. Prader auch den Parteiobmann offerieren wird.

Demokratie „von oben"

Die offizielle Wahl Praders wird allerdings erst der nächste Parteitag — das höchste Gremium der ÖVP Niederösterreiohs—vornehmen. Aber es steht heute schon fest, daß es keine Alternative wie etwa bei der Klaus-Wahl in Klagenfurt geben wird. Man sieht also, daß auch in demokratischen Parteien Demokratie nicht immer „von unten hinauf“, sondern auch „von oben herab“ gemacht wird.

Noch problematischer erscheint uns aus demokratischen Gründen — nicht aus persönlichen — die Nominierung eines Generaldirektors im ÖVP-Parteipräsidium. Nach dem Gesetz wäre das die Aufgabe des Aufsichtsrates der Newag. Oder werden nicht die Aufsichtsräte einer Landesgesellschaft zu Hampelmännern degradiert, wenn sie aus der Zeitung erfahren, wen sie zum Gene raldirektor zu wählen haben? Das erscheint uns zumindestens ebenso bedeutsam wie die nun aufflak- kernde Kritik an dem neuen Mann, bei der mehr die Vergangenheit als die Gegenwart und Zukunft ins Auge gefaßt wird.

Nach den Worten des neuen Landeshauptmannes Maurer wird in der Newag zuerst der Mist ausgeräumt, bevor man frisches Stroh hineingibt. Nun: über den „Mist“ wird in den Zeitungen fast täglich geschrieben, wir wollen uns daher mit dem Stroh beschäftigen. Leider hat das Land Niederösterreich niemanden, der Stroh zu Gold spinnen könnte. Nicht einmal Finanzlandesrat Resch bringt dies zustande, obwohl ihm nicht zuletzt als Zentralbetriebsratsobmann der Newag sehr daran gelegen ist, die Newag wieder auf gesunde Beine zu stellen. Im Haushaltsplan für 1967 hat Resch allerdings keinen Groschen für die Aufstockung der Landesgesellschaft vorgesehen. Politische Beobachter glaubten zuerst, man wolle im Zuge der Budgetver- handlungen ein paar hundert Millionen für die Kapitalerhöhung der Newag einbauen. Allerdings hätte man dann die einzelnen Ressorts rigoros kürzen müssen. Wahrscheinlicher scheint die Annahme zu sein, daß das Land zu gegebener Zeit ein Nachtragsbudget (nur für die Landesgesellschaft) erstellt, das man au Krediten oder aus einer Anleih finanzieren wird.

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