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Blick durch den Vorhang

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Von den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang, ist Rumänien dasjenige, aus dem am seltensten direkte Botschaft und Kunde zu uns dringt. Wir sind in der Lage, einige solcher Nachrichten unseren Lesern mitzuteilen.

Eine gewisse Lockerung seit dem Anti-Stalin-Kurs macht sich zwar bemerkbar, aber sie kann kaum mit jenen Veränderungen verglichen werden, die sich seither in Ungarn, in der Tschechoslowakei oder in Polen ereignet haben. Die führenden Männer wurden nicht ausgewechselt. Dagegen sind in der „S ecuritato a“, dem staatlichen Sicherheitsdienst (fiüher Sicuranta) bedeutende personelle Veränderungen vorgenommen worden, auch bei den untersten Dienststellen. Beschwerden über Mißstände, die vorzubringen früher lebensgefährlich war, werden jetzt allerorten entgegengenommen. Positive Ergebnisse sind freilich kaum noch sichtbar.

Die Lage der katholischen Kirche und der Katholiken in Rumänien, deren es früher etwa 2,5 Millionen, gab (davon etwa 1,5 Millionen Uniierte), ist unverändert schwierig. Von einer Million Katholiken mußten sich im Laufe der letzten zehn Jahre etwa 400.000 in die Register der Orthodoxen eintragen lassen. Völliger Austritt aus der Kirche wird nicht verlangt, es genügt das Bekenntnis zur Staatskirche, die unter der Leitung des Patriarchen Justinian Marina steht, der seinerzeit von Marschall Antonescu abgesetzt wurde und von Moskau nach 194 5 widerrechtlich ernannt worden ist. Von den elf Bischöfen waren neun eingekerkert, vier sind in der Gefangenschaft gestorben und nur zwei sind im Amt geblieben: der von Bukarest und der von Jassy. Das Volk nennt sie Reisebrschöfe, weil sie ständig auf Visifationsfahrten unterwegs sind. Kathotische Klöster existieren nicht mehr.

Nach dem Grundsatz „divide et impera“ werden nationale Autonomie-bestrebungen nach wie vor unter den Ungarn, Juden und Deutschen gefördert. Davon profitieren weitgehend die Siebenbürger Sachsen, die, nach der furchtbaren Dezimierung durch Verschickung nach Rußland, sich jetzt zum neuen Staat konformistisch verhalten und dafür ihre eigene deutsche Presse, ihre Vertretung in den Behörden, ihre Schulen, Vereine und eigene Radiosendungen erhalten haben.

Schwierige! ist die Situation der rumänischen Juden. Nachdem nämlich in den Jahren 1948 bis 1950 durch das „Comitetul demoeratie evreiesc“ auf Initiative des damaligen Außenministers Anna Pauker etwa 200.000 zur Auswanderung nach Palästina freigegeben wurden, ist diese Aktion seit dem Jahre 1951 plötzlich gestoppt worden. Diese Judenemigration bedeutete für den rumänischen Staat ein enormes Geschäft, da für jede Auswanderungsbewilligung hundert Dollar bezahlt werden mußten. Vorher wurden die Auswanderungs-willigcn in ein Umschulungslager gesteckt, das aber keineswegs den erwünschten Erfolg zeitigte, da die Ausgewanderten sich in Palästina meist als heftige Gegner des kommunistischen Regimes erwiesen und betätigten. Dort, in den Auswanderungslagern, wurden die Juden noch einmal geschröpft, und große Beträge wurden angeblich vom Bruder der Anna Pauker auf Schweizer Bankkonten deponiert. Als diese Transaktion vom rumänischen Sicherheitsdienst entdeckt wurde, war die Absetzung der Anna Pauker unvermeidlich. Vor der Verurteilung bewahrte sie nur die persönliche Freundschaft mit den beiden führenden rumänischen Staatsmännern.

Daß es keine organisierte Opposition der rumänischen Intelligenz gibt, ist auf die dreimalige Liquidierung dieser ohnedies sehr dünnen, nur etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung betragenden Schicht sowie auf den fast widerstandslosen Konformismus der Volksund Mittelschullehrer zurückzuführen. Von der ehemaligen rumänischen Intelligenz sind nach ungefährer Schätzung nur noch 25 Prozent vorhanden. Die Anwaltskammer zum Beispiel wurde vollständig aufgelöst, und es gibt im ganzen Land nur noch 80 selbständige Advokaten.

Dagegen zeigt sich eine stärkere Opposition in der Generation der heute etwa Dreißigjährigen. Diese haben noch die besseren Zeiten kennengelernt, mehr als 50 Prozent von ihnen wurde wegen „originea näsänätvasa“ (..ungesunder“, d. Ii. bürgerlicher Herkunft) das Weiterstudium erschwert oder unmöglich gemacht. Der neue Kurs eröffnet ihnen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, und ihre Augen sind nach dem Westen gerichtet.

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