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Blickpunkt Außenpolitik

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Der Vortrag des profilierten deutschen Politikers Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg, einem Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, der dieser Tage in Wien sprach, war der bisher letzte einer langen Reihe, die so prominente Redner wie Couve de Mur-ville, Douglas Dillon, Ludwig Erhard oder Adam Rapacki nach Wien gebracht hat.

Veranstalterin dieser Vorträge war stets die österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und Internationale Beziehungen, eine Institution, die heute bereits auf eine siebenjährige Geschichte zurückblicken kann. Anfang 1959 war es, als die „Gesellschaft“ — wie sie im Sprachgebrauch kurz genannt wird — ihren Betrieb aufgenommen hat. Die Idee, die damals Pate gestanden hat, war in einer Reihe von ausländischen Instituten bereits verwirklicht worden, die alle ihr Vorbild im britischen „Royal Institute of Foreign Affairs“ haben.

Die Gründung aller dieser Institute erfolgte bereits am Ende des ersten Weltkrieges unter der Patro-nanz der amerikanischen Carnegie-Stiftung. Die von den Vereinigten Staaten ausgehenden idealistischen Vorstellungen über Außenpolitik und Diplomatie sollten in eben diesen Instituten ihr Sprachrohr finden. Im kleinen Österreich, das die Lasten einer besiegten Großmacht zu tragen hatte, wurde damals die Gründung eines solchen Institutes nicht realisiert. Nur in der „Liga für den Völkerbund“ gab es in den Zwischenkriegsjahren eine Gruppe für Außenpolitik.

Außenpolitik geht jeden an

Der Generalsekretär der Gesellschaft, Dr. Peter Meraviglia-CrivelU, Jahrgang 1937, seit Februar 1962 als Nachfolger des jetzt in Berlin lehrenden Gerald Stourzh auf diesem Posten, sieht die Aufgabe der „Gesellschaft“ vor allem in einer Breitenwirkung, die die Bedeutung der Außenpolitik auch im neutralen Staat dem einzelnen Staatsbürger verständlich machen soll, eine Aufgabe, die, wenn auch etwas umständlicher, auch der 2 der Gesellschaftsstatuten ausdrückt...

Die Vortragsreihe, in der Freiherr von Guttenberg über das Thema „Braucht Deutschland eine neue Außenpolitik?“ spricht, soll dazu dienen, diesen Zweck zu erfüllen. Neben Berufsdiplomaten kommen auch Wissenschaftler des Faches „Internationale Beziehungen“ zu Wort, unter ihnen die Österreicher Karl Zemanek und Alfred Verdross. Die Zahl der österreichischen Redner ist sonst eher gering, wird doch das Fach Politikwissenschaft hierzulande bisher nicht gelehrt; ein Mangel, der zur Folge hat, daß es an politikwissenschaftlich ausgebildeter Jugend fast völlig fehlt.

Neben der Vortragsreihe ist es Aufgabe der „Gesellschaft“, das außenpolitische Geschehen, soweit es für Österreich von unmittelbarem Interesse ist. zu verfolgen. Deshalb ist die Gesellschaft als Verein konstituiert, dessen Mitglieder — physische und juristische Personen — eine Art außenpolitischer Diskussionsrunde bilden.

Um das Interesse seiner Landsleute an der Außenpolitik gefragt, lächelt Dr. Meraviglia eher resigniert. Er muß feststellen, daß das Echo auf Außenpolitik in Österreich gering ist obwohl doch die Neutralität keinen Abschied von der Weltpolitik bedeuten soll.

Zur Popularisierung der Außenpolitik trägt eine populärwissenschaftliche Vortragsreihe im Rahmen der Wiener Urania bei, die 1966 schon zum zweitenmal abgehalten wird, deren Hörer jedoch interessanterweise fast ausschließlich ältere Leute sind ...

Dem Versuch, einen wissenschaftlichen Beatrag zur Erforschung der Politik zu leisten, dient das der

WILLY LORENZ

Du bist doch in unserer Mitte

Wege der Kirche in Österreich

116 Seiten / 34 Abbildungen auf 27 Kunstdrucktafeln / Pappband mit Glanzfolie S 49.—

Österreich — das Geheimnis seines Lebens und seiner Lebenskraft ist untrennbar mit der eigentümlichen Katholizität seines Volkes verbunden. Krasse Gegensätze klingen hier, wie nirgend sonst, harmonisch zusammen: Unvergängliche Spuren aus Römertagen, bis ins Tiefste greifende Prägung durch den Barock, Josephinismus, Liberalismus ...

Nüchtern, ironisch und mit liebevoller Nachsicht “unter-sucht Willy Lorenz die österreichische Existenz im Spiegel der österreichischen Katholizität.

„Gesellschaft“ angeschlossene „Forschungsinstitut“. Die Bibliothek dieses Institutes umfaßt derzeit 800 Bände, eine Zahl, die auf den ersten Blick keineswegs sensationell erscheinen mag, doch sind die meisten dieser 800 Bände sonst in keiner österreichischen Bibliothek vorhanden, was sie für den Benutzer ungemein wertvoll macht. Bemerkenswerterweise sind die Benutzer nur zum geringen Teil Österreicher; es sind vielmehr meist Ausländer, die auf die Bibliothek aufmerksam gemacht wurden und sich.ihrer mittels „Fernleihe“ bedienen: Zusammen mit der Bibliothek des „Ford-Institutes“ und der der „Diplomatischen Akademie“, verfügt Wien über einen Stock modernster Literatur zur Politikwissenschaft, der selbstverständlich sorgfältig ergänzt wird. Außerdem aber werden im Forschungsinstitut noch 140 Periodika gehalten, wozu auch die Publikationen der ausländischen Schwesterinstitute zu zählen sind. Auch die österreichische Gesellschaft verfügt über ein eigenes Organ, die viertel jährlich erscheinende „österreichische Zeitschrift für Außenpolitik“, deren Dokumentationsteil eine vorzügliche Ergänzung und Hilfe etwa für den Journalisten darstellt, der mit außenpolitischen Themen zu tun hat. Ab 1. Jänner will das Forschungsinstitut dann mit einem besonderen Service aufwarten: Die Periodika werden nach zwölf Gesichtskreisen ausgewertet werden, auf Anfrage werden Hinweise auf Material, das dort gefunden wird, gern bekanntgeben. Dieser Dienst der in Österreich wohl einmalig sein dürfte, wird hoffentlich lebhaft in Anspruch genommen werden.

Eigene Publikationsreihen

Die Publikationsreihe schließlich, die seit Bestehen der Gesellschaft in regelmäßigen Abständen fortgesetzt wird, brachte bisher Veröffentlichungen über den Fürsten Metternich, den Fürsten de Ligne; in Vorbereitung ist eine Arbeit über Österreichs ersten Rußland-Sonder-Botschafter Sigismund von Herberstein. Außerdem werden die Referate und Diskussionen des jährlichen Klessheimer Diplomatenseminars in einer eigenen Reihe veröffentlicht.

Dr. Meraviglia, der einen Großteil der Schwesterinstitute der Gesellschaft kennt und erst vor kurzem von einer Amerikareise zurückgekehrt ist, ist sich seiner Pionierarbeit durchaus bewußt: Drastisch genug fand er den großen Abstand, der im Niveau der Forschung zwischen USA und Europa besteht. In Österreich vor allem müßte erst der Grundstock für die politischen Wissenschaften gelegt werden. Trotz der schwachen Finanzkraft unseres Landes müßte sich doch manches in die Wirklichkeit umsetzen lassen. Die Gesellschaft ist zweifellos auf dem besten Weg dazu. Das Dreierteam (Generalsekretär, eine Bibliothekarin und eine Sekretärin, nae-man von ihnen älter als 30 Jahre) hilft sehr entschieden mit, in den Gehirnen sedner Landsleute neben der schwarz-rot gefilterten Innenpolitik die überparteiliche Außenpolitik zur Realität werden zu lassen. Überparteilich, wie die Außenpolitik eines neutralen Staates sein soll, sieht Dr. Meraviglia auch das Verhältnis der Gesellschaft zum Bundesministerdum für Auswärtige Angelegenheiten und zum Bundeskanzleramt: „Wir stehen miteinander in freundschaftlicher Koordination, ohne Erfüllungsgehilfen zu sein.“

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