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Böhmen: Hoffnung im Grabe

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Die Kirche hält uns in diesen Tagen das Leiden Christi, Seinen Kreuzweg, Seine Kreuzigung, Seine Todesagonie, Seinen Tod am Kreuze und Seine Grablegung vor Augen. Wer von uns denkt da nicht unwillkürlich daran, daß die Kirche, die Braut Christi, während ihrer fast zweitausendjährigen Existenz dasselbe Schicksal erleben mußte? Wir denken besonders an die Kirche in den Ländern Böhmen und Mähren, die seit Jahren in einem schweren und ungleichen Kampf mit dem modernen Atheismus steht und zu dieser Stunde den bitteren Kreuzweg geht.

„Den Hirten schlagen ..

Als wir eine kurze Notiz zum Tode des Weihbischofs von Prag, Monsignore Antonin Eltschkner gelesen hatten, wollten wir die Tragweite seines Heimganges zum Vater nicht ausdenken. Es tauchen verschiedene Fragen und Kombinationen auf. Wer wird in der Zukunft die Priester für Böhmen und Mähren weihen? Solange Msgf. Eltschkner noch lebte, war es eine gewisse Garantie, daß es irgendwie noch weitergehe, obwohl die Zahl der Neupriester relativ gering war. Welchen Weg wird die Kirche einschlagen können? Hat das Regime die ernste Absicht, die Kirche in Böhmen und Mähren zum natürlichen Tode zu verurteilen? Und ist es imstande, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen? Oder wird es der Weg Chinas sein mit der schismatischen Hierarchie?

Die Kirchenpolitik in der ČSSR hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert. Der Erzbischof von Prag, Msgr. Josef Beran, lebt weiterhin in der Verbannung. Bis heute ist es nicht gelungen, seinen Aufenthaltsort zu erfahren. Die Gerüchte von seinem Tode erwiesen sich als falsch. Er soll irgendwo in einem.

Freilassung wä e möglich, wenn er sich dėn Bedingungen des Regimes unterwerfen würde, die er aber grundsätzlich ablehnt. Er widmet sich angeblich der Arbeit an den Büchern vom Leben der seligen Agnes von Böhmen und des heiligen Adalbert. Der verewigte Weihbischof von Prag, Msgr. Ant. Eltschkner, war vor kurzem 80 Jahre alt geworden und im Jahre 1960 feierte er sein 55jähriges Priesterjubiläum. Als er noch lebte, erteilte er die heilige Firmung und stand in einem engen Kontakt mit dem Priesterseminar in Prag-Leitmeritz. Er war zugleich der einzige Bischof, dem es erlaubt wurde, die Priesterweihe zu erteilen. Wir konnten seinen Namen bei verschiedenen Veranstaltungen des Friedensausschusses der katholischen Priester lesen, doch es war nur eine passive Anwesenheit. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich in den letzten Jahren zusehends. Der Generalvikar, Dr. Opatrny, mußte sein Amt niederlegen und lebt in völliger Zurückgezogenheit. Die Geschicke der Prager Erzdiözese liegen in den Händen des Kapitularvikars Antonin Steh- li’k, der heute ein Ehrendoktor der theologischen Fakultät ist. Er besitzt keine Bischofsgewalt.

Das Schicksal des Bischofs von Leit- meritz, Dr Trochta, war sehr bewegt. Er wurde zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt und arbeitete zuletzt beim Straßenbau in Aussig. Nach der Begnadigung im Mai 1960 wurde er aus der Haft entlassen, doch die letzten Meldungen besagen, er solle wieder inhaftiert sein. Die Gründe dafür sind nicht klar. Der Weihbischof von Leitmeritz, Monsignore Hlad, wurde ebenfalls im Jahre 1959 verhaftet und verurteilt. An der Spitze der Diözese steht der Kapitularvikar, Msgr. Oliva, einer der aktiven Mitarbeiter des Friedensausschusses.

Der Bischof von Budweis, Doktor Hlouch, lebt in der Verbannung irgendwo in Mähren. Er schreibt ein Buch über die heilige Messe.

Der apostolische Administrator von Königgrätz, Očenašek, gehört zu den jüngsten Bischöfen in Böhmen und Mähren. Im März 1960 konnte er sein zehnjähriges Bischofsjubiläum feiern. Nach dem Tode Dr. Pichas (1956) wurde er interniert, und an seiner Stelle wurde wiederum ein Kapitularvikar gewählt, der Dechant Javürek, welcher dem Regime genehmer war. fWJjfpitl’l itt Mhren det sich im. wesentlichen nicht von ‘äet’ ln Bö’hitten? Der Erzbischof von Olmütz, DDr. Josef Matocha, darf seine Residenz nicht verlassen. Er ist der einzige Ordinarius in diesen Ländern, der auf diese Weise konfiniert wird. In Olmütz residiert also kein Kapitularvikar, sondern ein rechtmäßiger Generalvikar, welcher immer im Namen des Erzbischofs die Agenda führt. Er darf einmal in der Woche zum Erzbischof, selbstverständlich nicht allein, sondern in der Begleitung des Regierungsbevollmächtigten. Der frühere Generalvikar Dr. Zela, zugleich der Weihbischof, wurde im Jahre 1950 zu 25 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Der zweite Weihbischof, Doktor Tomašek, derzeit in ‘der Seelsorge, wurde öfter aufgefordert, zu firmen und andere bischöfliche Funktionen vorzunehmen, doch hat er es immer abgelehnt, weil er nach seiner Meinung ohne die Erlaubnis des Erzbischofs nicht handeln will. Auch der Bischof von Brünn lebt in der Verbannung.

Die Bürde des alltäglichen religiösen Lebens tragen die Priester. Sie müssen alle Eventualitäten in der Seelsorge allein entscheiden.

Die Regierungsgesetze aus dem Jahre 1949, _ welche das religiöse Leben in der CSSR bestimmen, bleiben auch in der neuen sozialistischen Verfassung aus dem Jahre 1960 aufrecht. Jeder Priester braucht zu seiner Seel- sorgetätigkeit unbedingt eine Staatszustimmung, die ihm entzogen werden kann, falls er gegen die staatlichen Kirchengesetze verstößt. Die unauffällige Bewachung seiner Tätigkeit in und außerhalb der Kirche ist eine Selbstverständlichkeit.

Die Priesternot in Böhmen und Mähren beginnt allmählich spürbar zu werden. Besonders gibt es im Grenzgebiet zahlreiche Priester, die mehrere Pfarren betreuen müssen. Erschöpfung, Müdigkeit, oft. Niedergeschlagenheit und nicht im letzten auch der vorzeitige Tod, sind die Begleiterscheinungen dieser Situation. Das Regime weiß von dieser Priesternot und rechnet damit, daß es auf eine solche „unauffällige” Weise möglich wäre, die Kirche aussterben zu lassen. Es ist jetzt schon geplant, daß im Jahre 1965 in den größeren Städten nur ein einziger Priester tätig sein sollᾠ

Neben den Priestern in der Seelsorge finden wir zahlreiche Priester, welche die seelsorgliche Tätigkeit nicht ausüben dürfen. In erster Linie sind es jene, denen die Staatszustimmung entzogen wurde. Zweitens sind es die amnestierten Priester, die auf Grund einer umfangreichen, auch politischen, Amnestie im Mai 1960, anläßlich des 15. Jahrestages der Befreiung, enthaftet worden sind. Man hatte damals darauf gehofft, daß diese Priester ohne .weiteres dje notwendige Zustimmung bekommen werden, doch die Hoffnung erwies sich als trügerisch. Es gab keine pauschale Staatszustimmung. Im Gegenteil, diese Priester stehen in einer sogenannten „Bewährungsfrist”, das heißt, sie dürfen im Laufe von zehn Jahren „kein Verbrechen gegen das Staatinteresse” verüben. Kein Wunder, daß sie in der Zurückgezogenheit leben wollen. Sie müssen in den Fabriken, auf den Baustellen oder in der Landwirtschaft arbeiten und dürfen keine priester- liche Funktion ausüben. Es ist ihnen erlaubt, privat die heilige Meses zu lesen, allerdings nur hinter geschlossenen Kirchentüren. Sie widmen sich in ihrer freien Zeit dem Breviergebet und dem Studium.

Die seelsorgliche Tätigkeit des Priesters ist auf die Kirche beschränkt. Der Religionsunterricht, soweit er noch besteht, hat seinen Platz in der Schule. Andere Tätigkeit ist streng verboten. Die Priester versuchen, durch die feierliche und würdige Gestaltung des Gottesdienstes, der Predigt und der Andachten den Glauben zu erhalten. Seelsorgestunden, Glaubensstunden, Bildungswerke, Exerzitien für die Gläubigen sind nicht gestattet. Es wurden in den letzten Jahren lediglich Priesterexerzitien veranstaltet, die einen guten Anklang beim Klerus fanden.

die Herde zerstreuen”

Das Regime bemüht sich, den sogenannten „wissenschaftlichen Atheismus” zu fördern und konsequent durchzuführen. Weil sämtliche Bildungsund Propagandamittel (Presse, Rundfunk, Fernsehen, Film, Theater) in den Händen des Staates sind, hat er eine leichte und günstige Ausgangsposition zur Beeinflussung der breiten Schichten der Werktätigen. Zahlreiche Institutionen, Akademien, Verlage, Schulen und Kurse arbeiten unermüdlich nach den Richtlinien des Atheismus. Eine Gegenpropaganda wird sogleich erstickt. Jeder, der gegen diese offizielle Weltanschauung arbeitet, wird als ein Staatsfeind bezeichnet und dementsprechend bestraft.

Die atheistische Weltanschauung begnügt sich nicht nur mit der Theorie, sie versucht vielmehr, auch da? Leben der Werktätigen zu gestalten und dadurch den Einfluß der Kirche zu verdrängen und sogar zu überbieten.

Seit dem Jahre 1959 wurden die „Ausschüsse für bürgerliche Anliegen” ins Leben gerufen. Sie haben eine wichtige Aufgabe: die Zeremonien und Funktionen der Kirche zu ersetzen. Statt der Taufe wurde die feierliche Begrüßung an der Schwelle des Lebens eingeführt. Sonntag vormittag sollen verschiedene Sportveranstaltungen stattfinden, um die Gläubigen von der heiligen Messe fernzuhalten.

Obwohl der Religionsunterricht offiziell erteilt werden darf, häufen sich Fälle, daß man ihn unter verschiedenen Vorwänden verhindert. Meist wird behauptet, der technische und politisch-kulturelle Fortschritt bringe einen Rückgang der Anmeldungen zum Religionsunterricht mit sich. Der Religionsunterricht wird dann einfach wegen Mangel an erforderlichen Anmeldungen eingestellt. In Prag- Nord, Kladno, Slany und in der letzten Zeit in Brünn soll dies bereits durchgeführt worden sein. Um den Religionsunterricht erteilen zu dürfen, muß die Mindestzahl der angemeldeten Kinder 50 Prozent betragen. Weil zahlreiche Eltern aus beruflichen und ideologischen Gründen ihre Kinder nicht anmelden, kann es ebenfalls möglich sein, daß diese Methode zur Einstellung des Religionsunterrichtes im ganzen Staat führen wird. Die Lage auf dem Lande scheint besser zu sein als in der Stadt.

Dieses gigantische Ringen um die Seelen hat zweifelsohne Sieger und Besiegte. Die Schwachen, die Zaghaften geben nach und verlieren eine Schlacht nach der anderen. Die Mutigen und Tapferen bringen unzählige Opfer um des Glaubens und des Reiches Gottes willen. Zahlreiche leben in ihrem Innern als gläubige Menschen, und äußerlich passen sie sich an. Ohne Zweifel können sie auf die Dauer diese Doppelrolle nicht spielen, eines Tages müssen sie Farbe bekennen. Das weiß auch das Regime. Aus diesem Grund will es von den Lehrern und Erziehern eine unbedingte Ergebenheit und Treue der materialistischen, atheistischen Weltanschauung gegenüber.

Es ist unsere heilige Pflicht, an unsere Brüder und Schwestern zu denken, für sie zu beten und Opfer zu bringen. Wir sind dankbar allen denen, die in der Verfolgung tapfer bleiben. Wir wollen die Unterliegenden nicht verurteilen oder gar die Feinde hassen. Im Gegenteil. Wir wollen für sie be Jen:

Die Kirche in Böhmen und Mähren geht ihren Kreuzweg, doch wir hoffen darauf, daß der Kalvarienberg kein Ende ist, sondern das Tor zu einem neuen, verklärten und geläuterten Leben! Wir sind davon überzeugt, daß die Kirche auch in diesen Ländern nach den Tagen der Finsternis das Licht der Wahrheit Christi in vollem Glanz erstrahlen lassen und nach den Kalvarienstunden die Freude der Auferstehung erleben wirdl

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