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Brauchen wir noch Ordensschulen?

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Dem nationalsozialistischen Denken war kaum etwas so unerträglich, kaum eine andere Einrichtung war seinem Angriff so rücksichtslos ausgesetzt wie die Schulen, in denen Ordensleute als Jugenderzieher und Volksbildner walteten. Man hätte erwarten dürfen, daß im wiedererstandenen Österreich einer der ältesten und verdienstvollsten Einrichtungen unseres Kulturlebens, wie es diese Schulen sind, die auf die frühesten Anfänge methodischen Unterrichtes zurückweisen können, einigermaßen Recht widerfahren und das angetane Unrecht wieder gutgemacht werde. Aber für manche Kreise sind unterrichtende Ordensleute eine Art Gespenst, das unbedingt vertrieben werden müßte. Man hört da wieder die längst durch Wort und Wirklichkeit widerlegte Rede' 'von den „Lebensscheuen“, die sich hinter Klostermauern geflüchtet haben und doch nidit ein Geschlecht erziehen könnten, das diesseitsfroh mit beiden Füßen auf dieser Erde stehe. So verschroben diese Ansichten sind, seien sie nochmals, um der Kritik einen Weg zur Sachlichkeit zu öffnen, einer Überprüfung unterzogen. Der Ordensstand ist wahrlich keine Zufluchtsstätte für selbstunsidieres, lebensuntaug^ches Menschentum. Nicht müde Weltflucht oder Scheu vor der Verantwortung bewegt die jungen Menschen, in einen Orden einzutreten, vielmehr das Streben zum Höchsten und Größten, das Gefühl tieferer und lebendigerer Verantwortung für das Menschheitsganze, der Entschluß, volle Freiheit zu gewinnen, um sich mit gesteigerter Kraft und im Bunde mit Gleichgesinnten der Verwirklichung der letzten Mensdiheitsziele hinzugeben.

Man möchte die Gegner der Ordensschulen zu einem Ausflug nach Ländern einladen, wo eine noch freiheitlichere und fortschrittlirfiere Luft weht als bei uns und in denen trotzdem ein viel bedeutenderer Hundertsatz der Kinder in fast ausschließlich von Ordensleuten geleiteten Schulen heranwächst. In den Vereinigten Staaten, wo im Einklang mit den Grundrechten der Menschheit die Entscheidung über die Erziehung vor allem bei den Eltern liegt, erhält die große Mehrheit der katholischen Kinder ihre Ausbildung in Ordensschulen. An die 140.000 Ordenslehrer und Orden s 1 ehre r i nnen unterweisen dort über zwei Millionen Kinder und Jugendliche auf allen Stufen des Unterrichtswesens vom 6. bis zum 18. Lebensjahr und darüber hinaus. Inmitten des brausenden Lebens der Großstädte der Neuen Welt, inmitten der riesigen Kaufhäuser und Industrieanlagen von New York, Chikago,. Pittsburg, Detroit,St. Louis, San Franzisko ragen die zahllosen Grade Schools, die High Schools, die Normal Schools, die Colleges und Uni-versities der Klosterleute. Dort tummelt sich lebensfroh und bildungseifrig eine gläubige, katholische Jugend und fühlt sich ebenso echt amerikanisch und gegenwartsbewußt wie irgendein anderer Teil des dort heranwachsenden Geschlechtes. Selbstverständlich setzt diese Ordensschülerschaft ihren Stolz auch darein, auf dem Sportfelde mit an der Spitze zu marschieren. Verlacht würde dort, wer von Rückständigkeit oder Weltfremdheit reden wollte. Es wäre zu wünsdien,daß sich die*„Gegner - des Ordensschulwesens eine Zeitlang auf diesen geistlichen Erziehungsgründen von Ubersee umsehen, an den großen alljährlichen katholischen Erziehungskongressen teilnehmen und Zeuge ihre Aufgeschlossenheit für Fragen der Unterrichtsgestaltung und Jugendführung sein könnten, daß sie sich in die fachkundigen Berichte über diese Tagungen vertiefen und etwas von dem schöpferischen Hauch verspüren könnten, der diese Erziehungsanstalten durchwebt. Und das ist nur ein einziger Ausschnitt von dem gewaltigen Schul- und Erziehungswerk, in dem in allen Weltteilen vom Äquator bis zu den Polarländern Ordensleute tätig sind.

Der Hinweis auf die Entwicklung in den Vereinigten Staaten soll nicht die Meinung aufkommen lassen, als ob wir hier in Österreich eine Art geistlichens Schulmonopol anstrebten oder auch nur für wünschenswert hielten. Tn den USA trafen verschiedene Umstände dazu bei, daß die katholischen Kinder in ihrer Mehrheit in Ordensschulen erzogen werden. Bei uns obwalten andere Verhältnisse, hier wird die überwiegende Mehrheit auch der katholischen Lehrer und Lehrerinnen vom Laienstand gestellt. Man muß sich darüber freuen und kann nur wünschen, daß sich eine möglichst große Anzahl überzeugunestreuer katholischer Laien dem Lehrerberufe widmet. Aufgabe des Ordenserziehertums ist es vor allem, in seiner Art beispiel- und richtunggebend zu sein, mehr in die Tiefe als in die Breite zu-gehen.

Ist es notwendig, Gebildete auf die kaum zu überschätzende Bedeutung hinzuweisen, die den Ordenssdiulen in der abendländischen Geistesgeschichte zukommt? Man kann diese Geschichte gar nicht schreiben, ohne immer wieder auf monastische Bildungsstätten zu stoßen und von ihnen die geistigen Baustoffe zu beziehen. Auf weite Strecken deckt sich diese ■ Geistesgeschichte überhaupt mit der d*s Mönchtums. Vor kurzem erst sah die Welt mit Verehrung zu jener einzigartigen Persönlichkeit auf, die als einer der Hauptgestalter der europäischen Geschichte zu gelten hat — St. Benedikt. Er war der große Erzieher der dem Chaos der Völkerwanderung sich entringenden abendländischen Menschheit. Aus den Gottess'edlungen, die er und seine Jünger überall evehen ließen, leuchtete in das Dunkel jener Tage ein neues Menschheitsideal, das Antlitz des in Christus verjüngten und verklärten Menschentums. Durch seine abgeklärte Lebensweisheit, durch seinen Ordnungssinn, seine Großzügigkeit und Milde erwies sich das Benediktinertum als die größte erzieherische Macht im werdenden christlichen Europa. Welch überwältigendes Zeugnis für die weltumgestaltende Bildungs- und Erziehungsarbeit des Mönchtums legt das Jahrtausend ab, das sich vom Zusammenbruch der antiken Menschheit bis zur Schwelle der Neuzeit erstreckt! Gewiß fand beim Ubergang vom Mittelalter zu dieser neueren Zeit, wie es nicht anders zu erwarten war, eine Auseinandersetzung zwischen den bisherigen kirchlichen AUein-verwaltern des Kulturbesitzes und dem mündigwerdenden Laienstande statt. Dabei ist aber nicht zu übersehen, daß sich die Ordensleute dem guten Neuen nicht engstirnig widersetzen, vielmehr nach dem Vorbild von Albert und Thomas die Erkenntnisse einer genaueren Wirklichkeitserfassung dem christlichen Weltbild einzubauen sich bemühten und in ihren Bildungsstätten die neuen Errungenschaften allen Kreisen des Volkes vermittelten. So kam es, daß bis auf die Sturide in fast allen Ländern mit katholischer Bevölkerung die Klosterschulen einen bedeutenden Anteil an der Erziehung des heranwachsenden Geschlechtes leisteten, der aus der Bildungsgeschichte dieser Länder nicht wegzudenken ist. Und wie urteilt heute das österreichische Volk? ,

Wir haben in diesen letzten zwei Jahren eine gewaltige Vertrauenskundgebung unseres Volkes für das Ordenserziehertum erlebt: der Andrang zu den geistlichen Anstalten ist auch bei uns viel größer als die Möglichkeit, ihm gerecht zu werden. Ein Großteil der Elternschaft ist also der Überzeugung, daß ihre Kinder in der Obhut dieser Erzieher gut geborgen sind und für die Aufgaben Und Kämpfe des Lebens trefflich geschult werden. Und das Volk hat im allgemeinen ein feines Gespür für das, was seinen Kindern taugt.

Ein Blick auf die Zerrissenheit und Ver-äußerlichung der gegenwärtigen Menschheit drängt dem unvoreingenommenen Beobachter die ernste Frage auf, ob heute dem Erziehertum aus dem Ordensstande nicht sogar eine besondere Funktion innerhalb gljrSSrDista -wo tj3ftg99a der, Gesämterzieherschaft zukommt, die diese weder herabsetaf noch verdrängt, sondern ergänzt und bereichert. Wir hören heute allenthalben die besorgte Klage, daß es vielfach an Innerlichkeit, an Konzentration fehle, daß das Leben allzu vieler verflache, mit wenig wertvollen Kulturersätzen sich'Zufrieden gebe und so allmählich wahrer Kultur weniger fähig werde, weil die dazu dienenden Seelenkräfte mangels Anwendung verkümmern müssen. Gewiß, alle Lehrer und Erzieher müssen dieser Gefahr entgegenwirken. Ist aber nicht der Erzieher, der einem Orden angehört, berufen, besondere Leistungen zu erbringen? Wir wissen, daß wir ihm damit eine schwere Verantwortung auflasten. Der Orden ist aber nun einmal die Verpflichtung zum höchsten christlichen Idealismus und dieser ist die Quelle, aus der Kraftströme ausgehen, um die Menschheit aus ihrer Verhaftung an das Bloß-Stoffliche wieder zu erlösen und in das Hochland begnadeter Geistigkeit wieder emporzuführen. Im Grunde siecht unsere Zeit, weil sie an Christusferne, arh Widerchristentum leidet. Jeder Christ, also auch jeder christliche Erzieher hat die heilige Mission, der Jugend Christus wieder geben zu helfen. Erst recht der Ordenslehrer.

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