6735472-1966_18_13.jpg
Digital In Arbeit

„Brennpunkt“ Graz

Werbung
Werbung
Werbung

Wer in diesen Frühlingstagen zur Südast- Messe nach Graz kommt, um hier Waren aus aller Welt anzubieten oder zu kaufen, der sollte sich nicht allein vom oft beängstigenden Verkehr in der flaggengeschmückten Innenstadt oder vom buntbewegten Treiben im ausgedehnten Messegelände faszinieren oder verwirren lassen, sondern die Gelegenheit ergreifen, das wahre Gesicht dieser Stadt kennenzulernen.

Das Gesicht dieser Stadt, das geprägt wird vom Adel einer jahrhundertealten Tradition, dem Geist ihrer Hochschulen, dem Fleiß ihrer Bewohner und der mit keiner anderen Stadt vergleichbaren Schönheit ihrer Lage.

Dazu ist es wohl notwendig, einen kurzen Blick in die wechselvolle Geschichte dieser Stadt zu werfen. Schon vor 850 Jahren wurde Graz in den Jahrbüchern des Stiftes Rein namentlich erwähnt. Die erste Urkunde, und damit sozusagen der Geburts- und Taufschein, wurde jedoch im Jahre 1128 in der Form eines Schenkungsbriefes des Markgrafen Leopold ausgestellt.

Die ersten Ansiedler ließen sich am Fuße des Schloßberges etwa im Bereich der heutigen Sporgasse und der Sachstraße nieder. Eine planvolle Anlage der Stadt begann unter den letzten Traungauem und wurde von den Babenbergern weitergeführt.

Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts erhielt Graz das Stadtrecht, etliche Marktprivilegien und eine eigene Gerichtsbarkeit. Die Stadt wurde mit Mauern umgürtet und so zum Bollwerk des Abendlandes gegen die Einfälle der Awaren und Türken.

Eine erfreuliche Aufwärtsentwicklung setzte gegen Ende des 14. Jahrhunderts ein, als Graz Residenz der Leopoldinischen Linie der Habsburger wurde. Nach einigen rückschrittlichen Epochen erlebte Graz einen wirtschaftlichen Aufschwung und besondere kulturelle Bedeutung unter Erzherzog Karl, dem Herrscher über die innerösterreichischen Länder. Bedeutende Schulen und schließlich die Alte Universität machten Graz zum weit ausstrahlenden geistigen Mittelpunkt dieser Zeit.

Im 17. Jahrhundert wurde die Hofhaltung in Graz aufgelassen. Bald darauf machten große regelmäßig stattfindende Jahrmärkte aus dem einstigen Bollwerk ein Tor nach dem Südosten. Der Balkan konnte als ergiebiges Absatzgebiet erschlossen werden. Erste Anfänge einer Geschirr- und Tuchindustrie führten zu weiterer wirtschaftlicher Aufwärtsentwicklung.

Den wohl bedeutendsten Aufschwung nahm Graz jedoch unter seinem unermüdlichen Förderer Erzherzog Johann, dem „steirischen

Prinz“. Es gibt kein Gebiet des Gemeinlebens, auf dem unter seiner Ägide nichts Neues und Bleibendes geschaffen wurde. Gewerbe und Industrie blühten auf. Marksteine geistiger Entwicklung wurden die 1811 erfolgte Gründung des Joanneums sowie die Wiederherstellung der von Kaiser Josef II. aufgelösten Universität.

Im Jahre 1870 fand in Graz eine große Industrie- und Landwirtschaftsausstellung statt, die alle zehn Jahre wiederholt werden sollte. Doch schon nach der zweiten Ausstellung im Jahre 1880, welche in der inzwischen erbauten „Industriehalle“ auf dem heutigen Messegelände abgehalten wurde, fehlten die Mittel für weitere Ausstellungen.

Erst im Jahre 1906 gelang es Grazer Wirtschaftskreisen im damaligen großen Wirtschaftsraum der österreichisch-ungarischen Monarchie, die erste Messe durchzuführen. Sie konnte alljährlich bis zum Ausbruch des Weltkrieges abgehalten werden. Graz wurde wieder zum wirtschaftlichen Strahlungszen- tum nach dem Südosten. Trotz schwierigster Nachkriegsverhältnisse konnte im Jahre 1921 die Grazer Messe wieder ins Leben gerufen und bis zum Jahre 1938 weitergeführt werden. Erst zehn Jahre später, nach dem zweiten Weltkrieg, öffnete die Grazer Messe neuerlich ihre Tore, und schon im Jahre 1949 wurde neben der bisher im Herbst veranstalteten Messe eine zweite, die Frühjahrsmesse, mit bestem Erfolg durchgeführt.

Eine st te Aufwärtsentwicklung rechtfertigte das damals vielen als Wagnis erscheinende Vorhaben und brachte Graz von Jahr zu Jahr einen immer weiter dringenden Ruf als Messestadt.

Graz, als Landeshauptstadt der „eisernen“ Mark, erhielt im Messegelände einen „Eisenkern“ und einen besonderen Ruf als Eisenmesse. Ein riesiges Freigelände beherbergt alles, was an landwirtschaftlichen Maschinen überhaupt auf dem Markt ist, und in zahlreichen modernen Hallen findet man sämtliche Erzeugnisse des heutigen Wirtschaftslebens in reichlicher Fülle.

Eine große Zahl ausländischer Aussteller bietet ihre Produkte zum Teil in eigenen Pavillons an. Graz ist damit wieder zum wirtschaftlichen Umschlagplatz und vor allem zum Tor nach dem Südosten geworden.

Es ist verständlich, daß die Stadtverwaltung darüber hinaus bemüht ist, den Strom des innerösterreichischen, aber auch des ausländischen Fremdenverkehrs in seine Mauern zu lenken. Dank der vielfältigen Beziehungen, die man zu Graz gewinnen kann, wird dies zweifellos auch gelingen.

Tägliche Stadtführungen, Stadtrundfahrten, ein durch reizende, sprachkundige Hostessen in Landestracht ausgeübter Tagungs- und Kongreßdienst sowie eine großzügige Fremdenverkehrswerbung werden sicherlich das ihre dazu beitragen, den Gästen aus dem In- und Ausland die Schönheiten und den Reiz, die kulturellen und geistigen Möglichkeiten dieser Stadt zu erschließen und nahezubringen. Die „Oasen der Stille“ auf dem Schloßberg, im Stadtpark oder in den Wäldern der herrlichen Umgebung bieten dem Besucher Ruhe und Erholung und sind sicherlich dazu angetan, ihn immer wieder in die gastlichen Mauern der „Stadt im Grünen“ zu locken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung