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Briefe AN DEN Herausgeber

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Der deutsche Hauptmann und die österreichische Jugend

Sehr geehrter Herr Herausgeber!

Iw Anschluß an die Wiener Prewiere des deutschen Fliegerfilms „Stern von Afrika” brachte der Oesterreichische Rundfunk in seiner Sendung „Echo-Nachtausgabe” ein angebliches Interview mit dem „Befehlshaber” - gemeint war offenbar der Kommandant — unserer Luftstreitkräfte, der auf die Frage des Reporters hin den vorgeführten Film nicht nur als gut gelungen bezeichnete, was er zweifellos ist, sondern als besonders begrüßenswert, weil er geeignet sei, die Vaterlandsliebe der Jugend zu beleben. Diese Aeußerung — vorausgesetzt natürlich, daß der Reporter tatsächlich den erwähnten Stabsoffizier interviewte, und nicht etwa irrtümlich einen irgendwie uniformierten Zivilisten — bedarf dringend einer näheren Erklärung.

Die Hauptfigur des Films, der deutsche Hauptmann Marseille, war gewiß ein hervorragender Flieger, ein tapferer Soldat und auch rein menschlich eine sympathische Gestalt, aber das tut hier gar1 nichts zur Sache. Inwiefern, muß man fragen, kann die Verherrlichung der Luftwaffe einer fremden Macht und eines ihrer „Stars” der Vertiefung des vaterländischen Gefühls in den Herzen der österreichischen Jugend förderlich sein? Hätte der betreffende Offizier dasselbe gesagt, wenn es sich statt jenes Streifens beispielsweise um einen der grandiosen Filme gehandelt haben würde, die wie etwa „In Which We Serve” oder „The Cruel Sea” den Heldenkampf der Royal Navy im zweiten Weltkrieg erschütternd veranschaulichen? Oder fehlt ihm gar das Verständnis dafür, daß es die vaterländische Gesinnung unserer Jugend und nicht der Jugend irgendeines Volkes jenseits der österreichischen Grenzen ist, deren Pflege zu den wichtigsten Aufgaben des österreichischen Offiziers gehört?

Jedenfalls zeigt sich hier wieder einmal, wie weit die von bestimmter Seite planmäßig betriebene Vernebelung grundlegender Begriffe fortgeschritten ist. Freilich, wenn selbst unsere politisch höchstverantwortlichen Stellen, als hätten sie Angst, sich zu kompromittieren, es so oft vorziehen, von der österreichischen Heimat und Heimatliebe zu reden, statt ein offenes und klares Bekenntnis zum österreichischen Vaterland abzulegen; wenn man selbst aus ministeriellem Mund zu hören bekommt, es sei gleichgültig, in wessen Uniform der Oesterreicher gekämpft hat, vorausgesetzt, er wäre nur eiif „anständiger Kerl” und eilt „guter Kamerad” gewesen; wenn nichts geschieht, um mit dem Unfug all dieser Veranstaltungen auf österreichischem Boden aufzuräumen, die unter dem Titel einer „Ehrenmalenthüllung’’, eines „Kameradschaftstages” oder getarnt als „Suchdiensttreffen” — von noch unverfroreneren Provokationen wie einem „Treffen der ehemaligen Glasenbacher” ganz zu schweigen — nichts anderes bezwecken, als die Wacherhaltung einer österreichfeindlichen Ideologie; wenn landfremde, ehemalige Gefolgsleute des Mannes, der Oesterreich auf ewige Zeiten „ausradieren” wollte, bei uns zu Lande und oft sogar in Gegenwart österreichischer öffentlicher Funktionäre „Vorbeimärsche” abnehmen und Reden halten dürfen, die das Festhalten an fremden Idolen propagieren, dann ist es nicht zu verwundern, daß in so manchen Köpfen keine Klarheit darüber zu bestehen scheint, daß für den Oesterreicher das Wort Vaterland nur einen Sinn und eine Bedeutung haben kann und darf — unser Vaterland Oesterreich.

Kurt Graf Strachwitz, ehemaliger Offizier der k. u. k. Armee

Kapitalismus und Marxismus

Sehr geehrte Redaktion!

Zu Ihrem Artikel aus dem Buche Dr. Otto Habsburgs möchte ich folgendes sagen: Die Produktion wird nicht durch den „Kapitalismus” in den Miteipunkt des Lebens gestellt, sondern durch des Menschen ureigenste Natur! Was würde denn vom sogenannten „Menschlichen” noch übrigbleiben ohne „Produktion”? Wir leben auf der Erde im Diesseits, das sollte jeder festhalten, der sich mit Nationalökonomie, die es nicht in transzendentaler Auffassung geben kann, befaßt. Dr. Otto Habsburg beachtet nicht, daß es sich in dieser Auseinandersetzung nicht um eine Weltanschauung, sondern um die Eingliederung des Produktionsfaktors „Kapital” in eine soziologisch bedingte Wirtschaf tsverfassung handelt. Welche Wirtschaftsverfassung immer wir wählen mögen — auch die eigentumslose —, wir kommen um das „Kapital” niemals herum. Der Umstand, daß das Kapital nicht nur ein elementarer Produktionsfaktor ist, sondern unter den heutigen Verhält-

DIE FURCHE

nissen zugleich eine private Einkommensquelle, der keine- „Leistung” gegenüberzustehen scheint — darum dürfte es dem Verfasser ja gehen, nicht um den Begriff selbst! Beides muß scharf auseinandergehalten werden. Indem wir sagen, daß das „Kapital” ein unentbehrlicher Produktionsfaktor ist, haben wir noch in keiner Weise zu der Frage Stellung genommen, wem dieser Produktionsfaktor gehören soll. Das erstere dürfte wohl unbestritten sein, dagegen wird die Frage des Kapital b e s i t z e s ebenso heftig diskutiert. Natürlich wird auch ein sozialistischer Staat das Kapital als Produktionsfaktor nicht entbehren können, das heißt, auch in ihm wird gespart werden müssen, damit die alten Maschinen erneuert und größere und bessere angeschafft werden können. Die kommunistischen Fünfjahrespläne (Rußland, CSR usw.) sind ja nichts anderes als ein solcher Prozeß sozialistischer Kapitalbildung in riesigem Ausmaß. Nicht der Umstand also, daß Kapital verwendet wird, unterscheidet die sozialistische Wirtschaft von der kapitalistischen, sondern einzig und allein der Besitz an diesem Kapital, welches in einem Fall in privaten und im anderen Fall in den Händen des Staates liegt! Kein nachdenklicher Sozialist wird die Notwendigkeit des Kapitals leugnen, er verlangt nur, daß das „Kapital” der „Gesamtheit” gehört! Insofern kein Unterschied zwischen „Kapitalismus” und „Marxismus”! Dr. Otto Habsburg verneint das „Kapital” als „Kapitalismus” schlechthin! Gleichzeitig meint er, daß „Privateigentum” mit „Kapitalismus” nichts zu tun hätte! Wo ist die Grenze zu ziehen? Offenbar versteht der Verfasser unter „Kapitalismus” die Nutzung am Kapital. Wö hört diese Nutzung auf und beginnt nun die Nutzung am Privateigentum? Welche Alternative, welche konstruktive Alternative bietet er für unser Dasein auf dieser Welt?

Dr. Friedrich F. Reitlinger

Jenbach/Tirol

Masaryk und die Familie Redlich

Geehrte Redaktion!

Zu Ihrem interessanten Artikel in Nr. 37 der „Furche” über das Thema „Wer war Thomas Garrigue Masaryk?” kann ich Ihnen ein vielleicht nicht unwesentliches Detail mitteilen. Sie sprechen die Vermutung aus, daß Masaryk der „natürliche” Onkel des bekannten österreichischen Politikers und UniversitätsprofessOrs Josef Redlich ist. Ich besitze die Kopie eines Hofmannsthal-Briefes, datiert vom 24. 7. o. J. (wahrscheinlich aus dem ersten Kriegsjahr 1914). Damals gab Hugo von Hofmannsthal im Auftrag des Insel-Verlages einen Almanach heraus. Für diesen sollte auch Josef Redlich einen Beitrag schreiben, damit „nebet lebenden Dichtern und toten Feldherren” auch ein konstruktiver Politiker zu Wort käme. Im gleichen Brief erkundigt sich Hofmannsthal bei Josef Redlich;

„lind wie halte ich’s mit Masaryk? E. und P. gaben, jeder für sich, unmaßgeblich. zu bedenken: Masaryk habe sich durch sein Fernbleiben (?) von Oesterreich seit Kriegsbeginn selbst zu einer äußerst bedenklichen Figur gestempelt, von dem etwas aufzunehmen demnach kaum möglich sei. Er sei nicht einmal zum Begräbnis seines Sohnes nach (unleserlich) zurückgekehrt. Dem steht aber entgegen, daß Professor Saenger ihn im April in Prag besucht und gesprochen haben will. Bitte, bringen Sie mir Licht in diese Sache. — Ist seine Haltung gegen Aehrenthal in der Agramer Sache wirklich über das Maß des Möglichen hinausgegangen? Soll ich ihn lieber weglassen? Ich brächte anderseits gern etwas von ihm: entweder einen Abschnitt, wo er den notwendigen Anschluß der Westslawen an Europa, nicht an Rußland formuliert; oder einen Absatz über ein großes deutsches Kulturphänomen, etwa Goethe. Bitte, beraten Sie mich, ich bin ja in der Auswahl frei, aber nur frei, keine Dummheiten zu machen!”

Es geht in diesem Brief, wie man sieht, zunächst um eine sachliche Auskunft. Aber diese hätte Hofmannsthal von verschiedenen anderen, ihm bekannten Politikern einholen können. Es ist vielleicht kein Zufall, daß er sich über Th. G. Masaryk gerade bei einem Mitglied der Familie Redlich erkundigte.

Dr. H. A„ Wien VII

„Werner Krauß und der Husten” oder: Wie war es wirklich?

Liebe „Furche”!

Du hast vor einiger Zeit einen geharnischten Artikel gegen das Mannheimer Theaterpublikum gebracht. Dazu wünsche ich als Dein, Abonnent einiges zu sagen.

Die Gastspiele von Herrn Werner Krauß in „König Lear” im Nationaltheater Mannheim fielen gerade in die heißesten Tage des Jahres. Die Damen und Herren hatten sich zu Ehren des hohen Gastes besonders herausgeputzt, aber schon nach kurzer Zeit war durch die Bruthitze von mehr als 30 Grad im Theater alle Schönheit zerknatscht und unansehnlich, daß einem die Besucher ehrlich leid tun konnten. Ich selbst war in der Aufführung, in der Werner Krauß ziemlich unvermutet von der Bühne rief: „Ruhe. — Hustet euch gefälligst zu Hause aus — oder nehmt wenigstens ein Taschentuch vor den Mund —” - finu« rst-.

Wer da nun entschuldigt werden soll, das Publikum oder Werner Krauß?

Was heute jedes Vorstadtkino fertig bringt, einen Zuschauerraum erträglich zu temperieren, gelang unserem Herrn Intendanten Dr. Schüler nicht. Dagegen aber gelang ihm eine Zeitungsentschuldigung, in der zu lesen War, daß von den Künstlern ganze Hustenkanonaden zu überspielen waren. Weiter war zu lesen von einer menschlichen Schwäche, die Herr Werner Krauß zu überwinden hatte oder so ähnlich. Nun aber gerade das war reichlich übertrieben. Derartiges ist angetan, den Ruf eines Theaterpublikums in Mißkredit zu bringen.

Es ist wohl eine alte Erfahrung: wenn Szenen sehr geballt und intensiv gespielt werden, verhält sich das Publikum mäuschenstill wie in einem Bann. Lockert sich diese Spannung, entspannt sich auch das Publikum, indem es hustet oder sich wieder zurecht setzt. Im Rahmen gehalten, ist das auch verständlich.

Das Publikum von Mannheim ist derart kultiviert und durch eine alte Tradition ordentlich, wie es sich ein Theater nur wünschen kann.

Hier ist die Frage erlaubt: Hat Herr Werner Krauß nicht etwa selbst das Gefühl, daß von ihm nicht mehr die alte Intensität ausgeht, oder fehlte ihm nur an diesem Tag die nötige Konzentration? Jedenfalls waren ihm die Nerven durchgegangen, was dem Theaterpublikum von Mannheim nicht passierte. Dieses Publikum antwortete auf Werner Kraußens Ausfälligkeit nicht mit einem Theaterskandal, ganz im Gegenteil, es spendete Werner Krauß Schlußbeifall, den jedoch Herr Krauß auf seine Weise entgegennahm. Er unterhielt sich nicht nur besonders auffallend während des Applauses nach links und nach rechts mit den sich verneigenden Mannheimer Darstellern, er wendete sich sogar noch um und zeigte dem Publikum seinen Rücken. So war das.

Ludwig E p p el, Ludwigshafen

Klosterneuburg schläft?

Verehrte Redaktion!

Jawohl, Sie haben recht, Klosterneuburg schläft und fühlt sich in seiner Einigelung schnarchend wohl.

Nicht Dorf, nicht Stadt, doch hinterwäldlerisch in Potenz, am Fremdenverkehr völlig uninteressiert, sonst wäre es nicht denkbar, daß man keine Nächtigungsmöglichkeit finden kann. Das einzige in Betracht kommende Hotel Schicke am Weidlinger Bahnhof ist natürlich belegt — so heißt es weiterwandern! Worte der Verärgerung? Ja und nein.

Wer es miterlebt, wie vorzeiten z. B. der Stiftskeller mit seinem wundervoll gelegenen Gastgarten nicht nur an Sonn- und Feiertagen einen Massenbesuch hatte, welche Stimmung in seinen Räumen herrschte, der empfindet seine heutige Leere und Verwahrlosung — trotz guter Küche und gutem Trunk — wahrhaft schmerzlich. Ist Klosterneuburg übersättigt? Es bietet nichts mehr, darum fährt auch alles durch. Schade! H. K.

Der Film, Wien und die Länder

Sehr geehrter Herr Redakteur!

Sie beschweren sich unter „Ober, zahlen” über das verschiedene Maß, mit dem die verschiedenen Filmkommissionen die Filme messen. Hat es sich noch nicht bis Wien durchgesprochen, daß die Ansichten über die Altersgrenze wirklich — und Gott sei Dank — Gewissensfragen sind? Verantwortung vor dem Gewissen kann den Landesvätern auch ein Wiener Gesetz nicht abnehmen. Außerdem sind die Gemüter der Jugendlichen in den verschiedenen Bundesländern durch Art und wirtschaftliche Entwicklung u. a. m. schon so unterschiedlich, daß die Kommissionen der Länder keineswegs unentbehrlich sind.

Wolfgang Rusch, Bregenz

Die letzten Privilegien

Sehr geehrter Herr Redakteur!

Die Privilegien sind längst abgeschafft, außer dem Privilegium des Alters und des körperlichen Gebrechens. Diese Privilegien sind in der Natur begründet, im Gefühl der Menschlichkeit, und müssen beachtet werden. Unlängst mußte ich eine Fahrt mit Autobus unternehmen. Bin beinahe 70 Jahre alt. Jugendliche. Kinder, sind gesessen. Ich, noch ein älterer Mann und einige andere Personen sind gestanden. Während der Fahrt ist ein älterer Mann aufgestanden, um mir den Platz zu überlassen. Keinem der jüngeren ist das eingefallen! Ließe sich da nichts machen? Könnte von Seiten der Behörden nicht verfügt werden, daß der Wagenlenker bzw. Schaffner das Recht habe, die Jugendlichen auf die Füße zu bringen und den Alten und Gebrechlichen ohne weiteres die Sitzplätze zu verschaffen?

Dr. A. H„ Wien VI.

Laßt Blumen sprechen, aber nicht überall

Geehrte Redaktion!

Wien ist eine grüne Stadt. Was wäre die Karlskirche, das Rathaus, die Museen ohne Parks! Wie aber sieht es beim Westbahnhof aus? Dieser chaotische Fleckerlteppich ist doch keine Lösung für einen der frequentiertesten Punkte unserer Stadt!

Das Rosenfeld auf der Kreuzung Mariahilfer Straße-Gürtel wirkt ebenso deprimierend wie sein Gegenstück bei der Urania. Die zerzausten, verstaubten Sträucher auf nackter Erde sehen geradezu erbarmungswürdig aus.

Gegenüber der Albertina dehnt sich ein Fleck Wiese, ein ungleichseitiges Dreieck. Ein zentrales Beet mit kräftig leuchtenden Blumen, und der Platz hätte einen lachenden Blickpunkt. Was Blumen an rechter Stelle ausmachen, sieht man am Beispiel Piaristenplatz. Die Kirche blüht in neuem Zauber, seit man sich entschloß, um die Mariensäule Blumen zu pflanzen.

Dr. W. N., Wien VIII.

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