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Buchhundlerische Aufgaben in osterreich

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Der Buchhandel kommt bei der Erörterung kultureller Fragen in der Öffentlichkeit selten zu Wort; es ist deshalb dankenswert, daß die Schriftleitung der „Furche“ schon in der zweiten ihrer Nummern buchhändlerische Überlegungen zur österreichischen Literatursituation veröffentlichte und es nun ermöglicht, diese noch zu ergänzen. '

Es gilt fortan, im Buchhandel die Abschnürung von der übrigen Welt zu beheben, das wesentliche Geistesgut aus Ost und West in den'Originalsprachen und in guten Ubersetzungen im Land zum Verkauf zu stellen, aber auch dem österreichischen Buch Aufnahme in der ganzen Welt zu eröffnen.

Es gilt, die Auffassung zur Anerkennung zu bringen, daß dieser Austausch geistiger Werte so nötig und wichtig ist wie der materieller Güter, wie der Austausch von Lebensmitteln und Brennstoff gegen Produkte unseres Landes und deshalb neben diesem und nicht erst nach ihm einzuleiten und durchzuführen ist.

Es muß erreicht werden, daß auch im Ausmaß Schrifttums-Ein und -Ausfuhr gleichgestellt werden, also so viel an Mitteln zur Einfuhr freigegeben wird, als der Buchhandel durch Ausfuhr einbringt.

Vielleicht schafft es Erleichterung, wenn auch dieser Tauschverkehr eine Zeit lang von Währungsfragen unabhängig gemacht wird, wenn einfach Mengen bedruckter Bogen getauscht werden.

Eine österreichische buchhändlerische W a r e n a u s t a u s c h s t e 11 e ist zu schaffen, die ohnedies gebraucht wird in Anbetracht der Tatsache, daß der buchhändlerische Verkehr fernerhin nicht mehr, wie bisher, wie nicht etwa erst seit 7 oder 27 Jahren, sondern seit 100 Jahren und mehr hauptsächlich über reichsdeutsche Umschlagplätze (in erster Linie Leipzig, in zweiter Linie Berlin und Stuttgart) gehen kann.

Man weiß es zu wenig, daß und in welchem Ausmaß der österreichische Buchhandel dem reichsdeutschen verknüpft war; daß auf diesem Gebiete „Anschluß“ nicht etwa erst 1938 erfolgte, nicht erst seit 1918 vorbereitet wurde, sondern daß schon der Buchhandel des alten Österreichs in aller-engster Verbindung mit dem des deutschen Bundes zuerst, dann des deutschen Reiches, gestanden hat.

Dieser alte zentrale Bücherverkehrsapparat ist heute, vielleicht für immer, zerschlagen.

Die Einrichtung eines eigenen Bücherverkehrsapparates in Wien ist daher auf alle Fälle nötig. Hier kein österreichisches Provisorium, sondern ein zentraleuropäisches Definitivum zu schaffen, ist eine buchhändlerische Aufgabe großer Dringlichkeit.

Mit begrenzten Mitteln muß hausgehalten werden; die zentrale Schrifttumsaustauschstelle könnte nicht wahllos tauschen, müßte wählen, werten, sichten.

Es kann nicht allein die Nachfrage und der bisherige Bedarf, es können nicht einmal hauptsächlich diese maßgebend sein, es müssen vielmehr Bedürfnisse höheren Ranges, solche der Allgemeinheit, den privaten vorangestellt werden.

Eine Art Buchkontrolle wird nötig; der Schrifttumsaustausch ist also einer Kontrollstelle anzugliedern; eine höchst unerwünschte Notwendigkeit; man muß versuchen, ihre

Unzukömmlichkeiten möglichst zu mildern, die Zusammensetzung dieses Beirats mit größter Sorgfalt zu überlegen und vorzubereiten.

Die Analogie mit anderem Güteraustausch ist auch hier gegeben. Da man vorerst keinem Bedürfnis voll gerecht werden kann, ist zu versuchen, wenigstens den dringlichsten Be dürfnissen annähernd nachzukommen.

Wenn auch entspannende Unterhaltungsliteratur vielfältig noch so notwendig wäre, erscheinen im Lande nicht erhältliche L e h r-und Fachbücher doch nötiger.

Wird das Ausmaß der Bücherein- und -ausfuhr aufeinander abgestimmt, dann erwächst weiters die unerwünschte Notwendigkeit, auch die Buchausfuhr und schließlich auch die Produktion zu beeinflussen, die Herstellung von im Ausland gewünschter Literatur beispielsweise gegenüber im Inland gern gekaufter zu bevorzugen. Daß es um einen jeden Bogen, der nicht für notwendiges Schrifttum verdruckt wird, schade ist, scheint nicht überall berücksichtigt zu werden.

Haben wir erst den B u c h v e r* teilungsapparat, so gilt es, ihn auszunützen. Wenn richtig gebaut, muß er umso besser und billiger arbeiten, je umfassender sein Tätigkeitsbereich wird.

Man weiß heute noch nicht, in welchem großen Ausmaß österreichisches Schrifttum seit langem schon in stetig steigendem Ausmaß ins Deutsche Reich verlegt und von dort ausgeliefert wurde.

Die Rückführung des verlagerten Geistesgutes einzuleiten, ist eine staatliche Aufgabe; das zurückgeführte Geistesgut hier im Lande so gut zu betreuen, daß fürderhin kein österreichischer Autor sich mehr veranlaßt sehen kann, die Früchte seiner Arbeit zum Verlag über die G'r enzen zu tragen, ist eine weitere buchhändlerische Aufgabe.

Dem von Österreich aus zu verbreitenden österreichischen Geistesgut, Originalwerken sowohl als hierzulande übersetzter Auslandsliteratur Gestalt zu geben, die österreichischem Geschmack entspricht, die es zum österreichischen Produkt stempelt, ist eine weitere Aufgabe, freilich nicht nur des Buchhandels, sondern auch der graphischen Künstlerschaft und des Gewerbes; österreichisches Kunstgewerbe ist seit langem ein internationaler Markenbegriff; österreichisches Schrifttum konnte das bisher nicht sein, da ein Großteil davon im deutschen Verlag in Aufmachung reichsdeutscher Prägung — seinen Weg in die Welt genommen hat.

„Reichsdeutsche“ bedeutet häufig luxuriöse Aufmachung. Das Buch ist vielerort einfacher ausgestattet worden als im Reich. Insbesondere das französische Buch fand groß-teils in sehr einfacher Ausstattung Verbreitung, der sein billiger Preis angepaßt war.

Nicht nur unsere Heimat, die ganze Welt ist nach der größten und folgenschwersten aller kriegerischer Wertvernichtungen arm geworden.

Wenn die Verkaufsfähigkeit des österreichischen Buches im In- und Ausland gefördert werden soll, dann ist es im allgemeinen einfach und billig zu gestalten. Es sollte gerade hierzulande gelingen, es dabei doch geschmackvoll und einnehmend zu machen.

Ein sehr bewußtes Abgehen vom bisher unter reichsdeutscher Führung begangenen Weg dürfte sich empfehlen, wobei nicht zu übersehen sein wird, daß auch im Deutschen Reich neben der neudeutschen Neigung zum luxuriösen Buch es immer noch eine Pflege altvaterischer Einfachheit gab, die sich vielleicht jetzt verbreiten wird.

Spezialisierung entspricht allgemeiner Zeitforderung; sie hat auch im buchhändlerischen Bereich Bedeutung; auch in Österreich werden Verlag und Sortiment sich stärker zu spezialisieren haben, um wirkungsvoller arbeiten zu können.

Gemeinschaftswerbung hat sich andererseits bewährt. Dem österreichischen Buch heimatlichen Geistes und bodenständiger Gestalt wird, beispielsweise in Anlehnung an vorbildliche Betätigung des organisierten Fremdenverkehrs, in Zukunft im In- und Ausland eine nachdrückliche Gemeinschaftswerbung den Weg zu bereiten haben.

Die neue Zeitentwicklung fordert in Zukunft starke Anerkennung auch im Buchbereich. Das Buch kann und darf nicht mehr hauptsächlich in den bevorzugten Wohnanlagen der Städte, es muß in allen Stadtvierteln, aber auch im ländlichen Bereich angeboten und verkauft werden; mit einer

Anhäufung von BuchverkaufssteHen in-Stadt-innernteilen wird man den Verkaufsaufgaben nicht mehr gerecht werden; es gilt, Sortimentsbetriebe außerhalb des bisher bevorzugten Raumes an-, es gilt vielleicht sogar, solche von dort weg in vernachlässigte Gebiete umzusiedeln und die neuen buchhändlerischen Siedler für ihre neuen Aufgaben zu gewinnen.

Der Wert eines hochwertigen Buchbesprechungsdienstes ist festgestellt und bekannt; seine Pflege an allen nur möglichen Stellen zu sichern, ist auch eine buchhändlerische Aufgabe von Bedeutung.

Die vorstehende Darstellung ist lückenhaft; sie kann nur andeuten, was es an dringlichen Aufgaben für das Buch zur Zeit gibt; wenn sie deutlich macht, wie wichtig diese sind, aber wie sehr sie über den Wirkungsbereich des Buchhandels hinausreichen, daß es um Aufgaben des Staates, der Autoren schaft, des Zeiruhgs- und Zeitschriftenfaches usw., aber eben auch um Aufgaben der Allgemeinheit sich handelt, so werden sie ihren Zweck erfüllen.

Auch Schrifttum ist Volksgut, das in der Heimat betreut und von der Heimat aus den Weg in die Weite nehmen soll; es ist aber nicht bot der Schriftsteller der Heimat, es ist umgekehrt auch die Heimat wie allen anderen, so auch, and in besonderer Weise, ihren Schriftstellern und deren Werken verpflichtet; in diesem weiten Bereich nimmt der Buchhändler nur eben auch einen Platz, freilich einen hervorragenden, bedeutungsvollen und dementsprechend verpflichtenden, tin.

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