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Burgenländische Kroaten

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Vielleicht hat manchen Österreicher erst die Behandlung der Frage durch die Sonderbeauftragten für den Staatsvertrag wieder daran erinnert, daß Österreich außer der slowenischen Volksgruppe in Kärnten auch eine kroatische im Burgenland besitzt. Sie“ umfaßte nach der Volkszählung von 1934 42.354 Menschen, das waren damals rund 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung unseres Staates. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen (40.500) lebte in eigenen Dörfern im Burgenland, die sich in vier größere Siedlungsgebiete zusammenfassen lassen: die Kroatendörfer in der Gegend von Parndorf, die um Eisenstadt, dann die geschlossenste Gruppe, im mittleren Burgenland (Bezirk Ober-Pullendorf) und endlich die südburgen-ländischen Kroaten. Fast alle Gemeinden dieser vier Gruppen sind einheitlich, gemischtsprachige Gemeinden gibt es nur ganz wenige. Sieglesz bei Mattersburg, Antau und andere.

Die Geschichte der burgenländischen Kroaten läßt sich genau verfolgen und böte jungen österreichischen Historikern Stoff genug, sich einmal eingehend damit zu befassen. Sie kamen anläßlich der Türkenkriege, von den damaligen Grundherrschaften gerufen, in ihre heutige Heimat. Im Jahre 1932 beging die kroatische Volksgruppe im Burgenland die 400-Jahr-Feier ihrer Ansiedlung. Ursprünglich reichten kroatische Dörfer über das heutige Burgenland hinaus bis nach Niederösterreich hinein, doch hier sind alle im Verlauf der Jahrhunderte untergegangen. Die Kroaten fanden als fleißige Bauern gern Aufnahme. Waren doch viele Gebiete in den jahrhundertelangen Kämpfen entvölkert worden und die reichen Herrengeschlechter, hatten alle Ursache, sich nach neuen Siedlern umzusehen, die Abgaben und Dienste leisten konnten. In der Zeit der Magyari-sierungspolitik des 19. Jahrhunderts (das Burgenland gehörte ja seit 1867 zur ungarischen Reichshälfte der Monarchie) fanden sich die kroatischen und die deutschsprechenden Burgenländer als Schicksalsgefährten und diese gemeinsam verbrachten Jahre drücken noch heute dem gegenseitigen Verhältnis der beiden Sprachgruppen im Lande ihren Stempel auf.

Wie bei vielen anderen nationalen und sprachlichen Minderheiten in ganz Europa, muß auch hier der unvoreingenommene Beurteiler feststellen, daß dem Gotteshaus, dem katholischen Pfarrer, ein Hauptverdienst daran zuzuschreiben ist, daß die Sprache und das Brauchtum erhalten blieben. Einer der Kenner der Verhältnisse, der Begründer und langjährige Schriftleiter des kroatischen Kirchenblattes („Crikveni Glas-nik Gradisca“), Pfarrer Stephan Hör-v a t h in Klein-Warasdorf, hat dies mit den Worten ausgedrückt: „Die katholische Kirche hat sich um die Erhaltung des kroatischen Volkstums im Burgenland so große und in der Geschichte dieser Minderheit so einzig dastehende Verdienste erworben, daß diese von niemand, mag er noch so desinteressiert der katholischen Kirche gegenüberstehen, geleugnet werden können, und zwar aus dem einfachen Grund, weil — man kann dies mit Fug und Recht behaupten — ohne die katholische Kirche schorf seit Jahrhunderten das kroatische Volkstum im Burgenland ausgelöscht wäre.“

Da der soziale Aufbau der burgenländischen Kroaten im wesentlichen der einer bäuerlichen Bevölkerungsgruppe ist, hat sich auch der erhaltende Sinn des Bauerntums darin gezeigt, daß die Sprache der burgenländischen Kroaten ungefähr in dem Zustand geblieben ist, in dem sich die kroatische Sprache vor hundert bis achtzig Jahren befand. Auf der einen Seite eine wahre Fundgrube für den jungen Slawisten, nur einige Kilometer von den Toren von Wien entfernt! Auf der anderen Seite heute ein von den Kroaten selbst viel diskutiertes Pro-

Wem. Neben einer Gruppe, die auf möglichst rasche Annahme der schriftkroatischen modernen Sprache drängt, stehen andere, die vorerst an der Sprache des Volkes festhalten und eine allmähliche, langsame und evolutionäre Weiterentwicklung befürworten. Das weiter oben erwähnte kroatische Kirchenblatt wurde lange Zeit im wesentlichen in der burgenländisch-kroatischen Sprache geschrieben und erreichte die beachtliche Auflage von 8000 Exemplaren. Die anderen Blätter, die den Kroaten heute zur Verfügung stehen („Naü Tajednik“, mehr rechts-, und „Nase Selo“, mehr linksgerichtet, ohne daß aber beide parteigebunden wären), mischen schriftkroatische mit burgenländisch-kroatischen Artikeln.

Es ist kein Wunder, daß bei der bisherigen Entwicklung, die das burgenländische

Kroatentum genommen hat, auch sein größter Dichter dem geistlichen Stande angehörte. Es war dies Mate Mersich-Milo-radic, der am 19. September 1850 in Frankenau (Bezirk Ober-Pullendorf) geboren wurde und am 15. Februar 1928 als Pfarrer von Hrvatska Kemlja (Horvat Kimlet), einem ungarischen Dorf mit kroatischer Bevölkerung, hart an der burgenländisch-ungarischen Grenze gelegen, starb. Seine Gedichte sind der Seele des Volkes abgelauscht. Und er, der „Landpfarrer“, auf den vielleicht ein gewisser Hochmut herabsehen möchte, schrieb außerdem noch gehaltvolle philosophische Abhandlungen in ungarischen und französischen Fachblättern. Daneben blüht im Lande noch das kroatische Volkslied. Es ist ja bekannt, daß von fachwissenschaftlicher Seite die Meinung geäußert wurde, ein altes burgenländisch-kroatisches Lied sei mit eine der Quellen für Joseph Haydns Volkshymne geworden. Leider ist meines Wissens die unmittelbar vor den Märztagen 1938 erschienene kleine kroatische Volksliedersammlung in deutscher Übersetzung: „Vidovinka. Kroatische Gesänge aus dem Burgenland“ (Graz 1938, Verlag Schmidt-Dengler), ziemlich unbeachtet geblieben. Der Herausgeber, Alexander Issa-tschenko, sagte damals: „Im Burgenland lebt noch ein großer Teil des alten kroatischen Epos ... Die meisten Gesänge sind keine Chorlieder. Sie werden nach einer monotonen, orientalisch anmutenden Weise von einem einzelnen vorgetragen ... Die Liebeslieder haben dagegen durchaus lyrischen Charakter und werden häufig mehrstimmig gesungen. Die Melodien dieser Lieder sind viel ausgeprägter und reicher. Viele davon sind in der Musikgeschichte verewigt worr den, da Joseph Haydn sie fast ohne Änderungen in seine Tonschöpfungen, so in die Londoner Symphonien, eingebaut hat... Er war mit dem kroatischen Organisten aus Trauersdorf, eine knappe Wegstunde von der heutigen Landeshauptstadt entfernt, befreundet und lernte durch ihn die eigenartige Volksmusik der Südslawen kennen, die sich hier in der neuen Heimat bis auf den heutigen Tag erhalten hat.“

Für den Österreicher von heute aber sollte das burgenländische Kroatentum nicht bloß eine museale Angelegenheit sein oder eine ständige Erinnerung an Paragraphen des Staatsvertrages, sondern ein Prüfstein dafür, ob die immer wieder als Wesenszug des Österreichers erklärte Fähigkeit, mit Menschen anderer Sprache, anderen Volkstums und anderer Kulturen umzugehen, für die Gegenwart und Zukunft zu Recht besteht. Am leichtesten läßt sich dies bei den österreichischen Staatsbürgern fremder Sprachzugehörigkeit beweisen. Jeder von uns möge zeigen, daß das Wort Hammer-Purgstalls von 1846 auch weiterhin in den Österreichern lebt: „Austriacus sum; Austriaci nil a me alienum puto.“ Ich bin ein Österreicher und so ersdieint mir nichts fremd.

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