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Digital In Arbeit

Computer und Blondinen

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Strahlendes Herbstwetter und die bierschwangere Laune der zu Ende gegangenen Innsbrucker Messe kennzeichnen wenige Tage vor dem 4. Oktober den politischen Horizont über der Tiroler Landeshauptstadt. Der Wahlkampf hat seinen Höhepunkt erreicht und wird bei der TV-Auseinandersetzung zwischen den drei Spitzenkandidaten am 2. Oktober seinen Abschluß finden. Resümierend kann gesagt werden, daß der Tiroler Wahlkampf überraschend modern gestaltet, gut besucht und nur wenig mit den üblichen kleinen Schmieraktionen verunziert war.

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Strahlendes Herbstwetter und die bierschwangere Laune der zu Ende gegangenen Innsbrucker Messe kennzeichnen wenige Tage vor dem 4. Oktober den politischen Horizont über der Tiroler Landeshauptstadt. Der Wahlkampf hat seinen Höhepunkt erreicht und wird bei der TV-Auseinandersetzung zwischen den drei Spitzenkandidaten am 2. Oktober seinen Abschluß finden. Resümierend kann gesagt werden, daß der Tiroler Wahlkampf überraschend modern gestaltet, gut besucht und nur wenig mit den üblichen kleinen Schmieraktionen verunziert war.

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Die „Werbekühe“ sind aus dem Stall, die Kassen geleert. Die Volkspartei hat sich bemüht, dem Wahlkampf einen modernen Anstrich zu geben, den man ihr eigentlich gar nicht zugetraut hätte. Angefangen von der noch im Gang befindlichen Tournee der Wahllokomotive Wallnöfer, der ausschließlich unter freiem Himmel sprach, bis zu der propagandistischen Eigenleistung der Innsbrucker VP mit ihrem „Diskussions- und Informationszentrum“. Die Wahl-veranstaltung alten konservativen Zuschnitts in halbleeren, verrauchten Sälen hat auch in Tirol ihren Geist aufgegeben, die Gegenwart und auch die Zukunft gehören der persönlichen Ansprache des Wählers durch den Politiker; gehören Aktionen wie der persönlichen Überreichung von Kandidaten-Visitenkarten; gehören dem „Canvassing“ und den „Informationszentren“ ä la Innsbruck vorbehalten. Die ÖVP-„Quatschbude“ hat schlagartig gezeigt, woran die Wähler interessiert sind: Erstens sind es die persönlichen Wehwehchen der Leute, aber vor allem will man sich die in „Normalzeiten“ fernen Herrn Politiker aus der Nähe betrachten, will sich ihnen vorstellen können und

“will insgesamt die Höhenunterschiede zwischen Politiker und Volk kurzfristig überwinden. „Gebetbuch des Teufels“ fehlte nicht Natürlich ließ es die ÖVP-Tirol auch nicht an traditionellen Propagandamitteln fehlen. Größte Attraktion ist ein riesiger Kamm, welcher der Haar-Überlänge der heutigen Pop-Jünger entgegenkommt. Gelungen ist auch der Wählerfang mittels eines „Gebetbuches des Teufels“, einem Paket Karten für das Watten, den Nationalsport der Tiroler. Echte Hits gelangen der VP mit ihren Broschüren, einer gut gelungenen und informativen Wohnbauflbel, einer überaus reich illustrierten, kolossal teuren Tirol-Broschüre und einem „Zielprogramm für das Tirol von Morgen“.

Auch der Wahlkampf der SPÖ kann mit guten Zensuren bedacht werden. Allerdings hat sie einen Großteil ihrer Propaganda auf Preissteigerungen abgestellt, die man dem Landeshauptmann in die Schuhe schieben möchte. Dieser propagandistisehe Rösselsprung mit den Preisen dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach wenig Liebhaber gefunden haben. Die zweite Ebene der sozialistischen Strategie sah die Umfunktiönierung der Landtagswahl in eine bundespolitische Auseinandersetzung vor. Und hier dürfte dem Team um den neuen Landesparteiobmann Dr. Saldier dank der massiven Unterstützung des Kabinetts Kreisky einiger Erfolg gewiß sein. Dies um so mehr, als die derzeitige Situation der Volkspartei auf Bundesebene sich zu einer echten Belastung der Tiroler Parteifreunde ausgeweitet hat. Verständlich, daß Wallnöfer bei jedem seiner rund 150 Gemeindebesuche die „Eigenständigkeit und Eigenwilligkeit“ des Landes mit starken Strichen zeichnete. An Werbemitteln standen den Tirol-Sozialisten neben der gesamten Bundesregierung der Schauspieler und

„Wünsch-Dir-was“ -Präisentator Dietmar Schönherr zur Verfügung. Dieser ließ es sich denn auch nicht nehmen, die gereizte Stimmung wegen des Aufführungsverbotes für den amerikanischen Film „Flesh“ in einer Forumsdiskussion anzuheizen. Als Attraktion besonderen Ranges angekündigt, erwies sich der sozialistische Wahlcomputer mit seinen nur 70 Fragemöglichkeiten eher als Schlag ins Wasser. Da war der im Innsbrucker ÖVP-Diskussionszen-trum installierte Nixdorf-Kleincamputer schon aus viel besseren Drähten gefertigt, konnte man durch ihn doch Antwort auf rund 800 Fragen erhalten.

Modern wie immer war die sozialistische Wahlbroschüre mit Preisrätsel. Ebenfalls modern der Zuschnitt der SPÖ-Plakate. Neu war eine Leselinse mit dem bezeichnenden Motto „Besser sehen — SPÖ“.

Die dritte Kraft in Tirol, die FPÖ; war gegenüber der Materialschlacht der beiden Großparteien, die zusammen rund 10 Millionen Schilling unters Volk und in die Druckereien gebracht haben dürften, naturgemäß gehandicapt. Ihr Wahlmotto „FPÖ muß bleiben“ blieb, für die Umsetzung in andere Werbemedien dürfte das Geld gefehlt haben.

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