6755564-1967_44_04.jpg
Digital In Arbeit

Contra und Re

Werbung
Werbung
Werbung

Weder registriert noch archiviert

Sehr geehrter Herr Chefredakteurl

In der Nummer 40 der kulturpolitischen Wochenzeitschrift „Die Furche“ vom 7. Oktober 1967 richten Sie an mich einen offenen Brief. Dieser Brief erschien unter dem Titel „Distanzieren“, wobei Sie im Text diesen Titel selbst als eine Forderung bezeichnen. Trotz dieser sicherlich ungewöhnlichen Form und trotz des sicherlich sonderbaren Inhaltes möchte ich es nicht unterlassen, diesen Brief zu beantworten.

In diesem an mich gerichteten Brief nehmen Sie im besonderen daran Anstoß, daß die „Deutsche Nationalzeitung“ in einer ihrer letzten Ausgaben fünf Photos des österreichischen Bundeskanzlers brachte und ihm ein „Wohlverhaltenszeugnis“ ausstellte (die Anführungszeichen habe ich der Furche entnommen), wobei Sie als Inhalt dieses Wohlverhaltenszeugnisses zitierten, daß Bundeskanzler Doktor Klaus das Kunststück fertiggebracht habe, durch diplomatisches Geschick die ihm anvertraute Bevölkerung durch alle Fährnisse der internationalen Politik unversehrt hindurchzubringen.

An dieses Zitat richten Sie die Forderung, die ÖVP solle sich von der Nationalzeitung beziehungsweise ihrer Schreibweise distanzieren. Sie begründen diese imperative Forderung damit, daß die ÖVP im Wahlkampf 1966 von der SPÖ wiederholt eine Distanzierung von der KPÖ verlangt hatte.

Ich möchte zuerst feststellen, daß ich persönlich kein Leser der „Deutschen Nationalzeitung“ bin, daß dieses Blatt von uns weder abonniert ist noch bei uns aufliegt und daß es zu jenen ausländischen Zeitungen gehört, deren Inhalt von der ÖVP nicht registriert beziehungsweise archiviert wird.

Sie verlangen die Distanzierung der ÖVP von einer ausländischen Zeitung, die sich positiv über Bundeskanzler Dr. Klaus aussprach. Wenn ich annehme, daß diese Aufforderung Ihrer prinzipiellen Einstellung entsprach, dann verstehe ich nicht, warum Sie nicht die gleiche Distanzierung verlangen, wenn zum Beispiel sozialistische Zeitungen in Österreich berichten, daß die Kommunisten dem Bundeskanzler Doktor Klaus applaudieren, wie etwa das Linzer SPÖ-Blatt unter dem Titel „KP-Bravo für Klaus“. Diese meine Verwunderung ist um so größer, als es sich in diesem Bericht um das ungarische Blatt „Magyar Nemzet“ handelt, das „zur Rettungsaktion für Dr. Klaus ausrückt“.

Sie verlangen von mir, daß eine im Zeichen der Pressefreiheit vorgenommene Schreibweise einer ausländischen Zeitung die gleiche Reak-

Seite 4

tion hervorruft, wie ich sie anläßlich der Nichtkandidatur einer österreichischen politischen Partei verlangte, die bei der letzten Nationalratswahl als politische Partei ihre Mitglieder und Wähler aufforderte, für eine andere politische Partei zu stimmen, was einer de facto Volksfront entsprach. Ich glaube, daß Sie mir bei einem Vergleich der Ausgangslage zustimmen werden, daß es sich um absolut nicht vergleichbare Tatbestände handelt. Oder wollen Sie wirklich die Meinung vertreten, daß jede politische Partei, jede Organisation, jede Zeitung und jede Person eine große Distanzierungs-erklärung abgeben muß, wenn ein Organ aus einem fremden oder gegnerischen Weltanschauungskreis eine positive Berichterstattung bringt? Wie oft hätte sich da doch in den letzten Jahren zum Beispiel „Die Furche“ distanzieren müssen, wenn ihr aus einer Welt applaudiert wurde, die weder die ihre noch die unsrige ist. Ich kann mich auch nicht erinnern, daß in diesem Zusammenhang

jemand die gemeine .Verdächtigung ausgesprochen hätte, es müßten von irgendeinem Hinterzimmer der „Furche“ Fäden zu Blättern und Zentren weltanschaulicher Auffassungen führen, mit denen jedenfalls

die ÖVP genausowenig zu tun hal wie mit der „Deutschen Nationalzeitung“ und ihrer Schreibweise.

Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung Ihr

Dr. Hermann Witfwilm

Ein Wort, auf das viele warten

Sehr geehrter Herr Generalsekretär, besten Dank für Ihre Antwort auf meinen Brief „Distanzieren!“, den ich wegen des allgemeinen Interesses mir erlaubt habe, öffentlich an Sie zu adressieren. Selbstverständlich haben wir Ihr Schreiben unseren Lesern zur Kenntnis gebracht. Dennoch bedaure ich es ehrlich, daß Sie sich, sehr geehrter Herr Generalsekretär, auf eine rein formale Form der Beantwortung beschränken, wobei ein leiser Ton des Unwillens nicht zu überlesen ist. Der Kern meines Briefes, die Bitte und eindringliche Aufforderung, einmal von zuständiger Seite der ÖVP — und wer wäre für mich eine zuständigere

Adresse als ihr Generalsrekretär — ein kräftiges Wort an die Adresse der politisch übel beleumundeten „Deutschen Nationalzeitung und Soldatenzeitung“ zu sagen, wie es von verschiedenen führenden Politikern der CDU — allen voran dem deutschen Bundesminister für Inneres, Lücke — zu hören ist, blieb jedoch leider unberücksichtigt. Aber gerade darum ging und geht es.

Ich bin keineswegs überrascht, zu hören, daß Sie, sehr geehrter Herr Generalsekretär, Ihre wertvolle Zeit nicht mit dem Studium der NZ verschwenden. Eine regelmäßige Lektüre dieses Blattes möchte Ihnen niemand zumuten, daß aber in der

Zentrale der ÖVP diese Zeitung und ihre Schreibweise überhaupt nicht beachtet, oder wie Sie schreiben „registriert“ wird, überrascht, ja beunruhigt mich direkt. Die „Deutsche Nationalzeitung und Soldatenzeitung“ ist nämlich nicht nur ein ausländisches Blatt unter vielen. Durch ihre eigene „Österreich-Ausgabe“ dokumentiert sie zudem, daß sie in der österreichischen Innenpolitik mitmischen will. Abgesehen davon ist die NZ nicht nur eine Zeitung, sondern eine politische Marke. Sie ist die Plattform zur Sammlung aller Kräfte eines neuen radikalen deutschen Nationalismus, der sich kräftig auch um Österreich „bemüht“. Ist dies alles für die österreichische Volkspartei wirklich so uninteressant, läßt es sie tatsächlich kalt, wenn hier Woche für Woche Haß-tiraden gegen österreichische Patrioten, unter ihnen nicht wenige Männer der Volkspartei, losgelassen werden, wenn gegen die geistigen Grundlagen der Zweiten Republik gehetzt wird? Und noch etwas: Doktor Burger und sein Terroristenkreis haben hier ihr Sprachrohr gefunden. Will man aber jemand wirklich bekämpfen — und das will doch jetzt die Regierung ernstlich tum —, so muß man ihn kennen.

Oder verschließt die österreichische Volkspartei ihre Augen vor allem, was sich rechts von ihr auf der politischen Bühne abspielt? In den letzten Jahren schien es mitunter so. Dieser „Rechtskurs“ einer „Partei der Mitte“ kam, wenn ich den „Salzburger Nachrichten“ Glauben schenke, auch bei der ersten Gewissenserforschung nach dem oberösterreichischen Wahlgang im ÖVP-Parlamentsklub kritisch zur Sprache. Warum nur fällt es nicht wenigen Politikern der ÖVP heute so schwer, etwas zu sagen, was einen alten oder neuen Unbelehrbaren da oder dort vielleicht kränken könnte? Lieber nimmt man in Kauf, Menschen, die Österreich auch in schwersten Stunden die Treue gehalten haben, zu vergrämen. Auf diese Weise aber wurde nicht zuletzt jenes Klima aufgebaut, in dem unter anderem die Fehlurteile von Graz und Linz gegen die den guten Namen Südtirol mißbrauchenden deutschnationalen Terroristen erst möglich wurden.

Damit bin ich aber beim Kern meiner im Namen von nicht wenigen potentiellen Wählern der ÖVP verdolmetschten Aufforderung nach Distanzierung von den Anbiederungen der „Deutschen National- und Soldatenzeitung“. (Es war dies übrigens eher eine Bitte als eine „imperative Forderung“.) Warum fällt es heute so schwer, ein ÖVP-Wort gegen die publizistischen und politischen Repräsentanten einer neuen radikalen Rechten zu erhalten? Als Historiker erlaube ich mir eine Bemerkung: Auch in der Ersten Republik glaubten von einem bestimmten Zeitpunkt an manche mitunter sehr bedeutende bürgerliche und konservative Politiker die Herren „Rechtsaußen“ mit Samthandschuhen anfassen zu müssen. Glaubte man doch hier eines potentiellen „Schtegarms“ gegen die „Roten“, wobei man nicht immer zwischen demokratischen Sozialisten und Kommunisten unterschied, sich versichern zu können. Am Ende aber war der Besen bekanntlich wieder einmal stärker als der Zauberlehrling.

Sollen sich diese Fehlschlüsse — mutatis mutandis — wiederholen? Dauor wollten wir warnen. Deshalb warten auch noch immer viele auf das ausstehende kräftige Wort an bestimmte Adressen. Wäre es übrigens schon vor Monaten gefallen und wäre es durch Taten erhärtet worden, so hätte sich, weiß Gott, auf dem Gebiet der Tagespolitik die ÖVP in Sachen Südtirol im Gespräch mit Italien leichter getan.

Ein letztes: Auch der „Furche“ wurde und wird gelegentlich „aus einer Welt applaudiert, die weder die Ihre noch die unsere ist“. So schrieben Sie, sehr geehrter Herr Generalsekretär, am Schluß Ihres Briefes. Und Sie haben recht. Nie und nimmer aber hat uns dieser weder erbetene noch willkommene Applaus dazu verleitet, unsere massive Kritik gegenüber jener von Ihnen angesprochenen Richtung einzustellen oder auch nur zu mildern. Die Jahrgänge dieses Blattes liefern dafür Beweis um Beweis.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär, ich habe Sie immer als einen Mann freimütiger Rede und freimütiger Antwort geschätzt. Gestatten Sie eine solche diesmal auch Ihrem Dr. Kurt Skalnik

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung