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Digital In Arbeit

Dankbar für viel Zuwendung

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Seit 20 Jahren ist KIT, eine Intitiative zur Heilung von Drogensucht, in Tirol tätig. In Steinach und in Schwaz betreibt sie Wohngemeinschaften und in Innsbruck eine Beratungsstelle. In der Broschüre zur Feier ihres Jubiläums kommen auch Klienten der Einrichtung zu «Wort. Einer von ihnen berichtet von seiner Behabilitation und seinem Kampf mit Aids. „Mir wird schon nichts passieren!”, hatte er gedacht und lange die Einsicht verdrängt, daß er RlV-positiv sei. Als er wegen eines Drogenverbrechens inhaftiert war, entschloß er sich schließlich doch, sich untersuchen zu lassen...

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Seit 20 Jahren ist KIT, eine Intitiative zur Heilung von Drogensucht, in Tirol tätig. In Steinach und in Schwaz betreibt sie Wohngemeinschaften und in Innsbruck eine Beratungsstelle. In der Broschüre zur Feier ihres Jubiläums kommen auch Klienten der Einrichtung zu «Wort. Einer von ihnen berichtet von seiner Behabilitation und seinem Kampf mit Aids. „Mir wird schon nichts passieren!”, hatte er gedacht und lange die Einsicht verdrängt, daß er RlV-positiv sei. Als er wegen eines Drogenverbrechens inhaftiert war, entschloß er sich schließlich doch, sich untersuchen zu lassen...

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Meine erste Beaktion nach Erhalt des positiven Befundes war: aus, vorbei, hat alles keinen Sinn mehr. Es spielt keine Bolle mehr, was noch kommt. Davonlaufen war unter den gegebenen Umständen nicht machbar. Nach ein paar Wochen legte sich diese Hysterie. Ich war noch immer nicht krank.

Ich war eingesperrt, aber ansonsten bei guter Gesundheit. Schön langsam gelang es mir wieder, dieses heikle Thema unter den Teppich zu kehren. Es gab genügend andere Sachen, die mich besorgt machten. Die Höhe der Freiheitsstrafe bei der bevorstehenden Verhandlung. Meine Sucht, die durch die Haft zwar unterbrochen war, der ich aber danach sicher wieder anheimfallen würde.

Ich trat mit der Drogenberatung und mit dem Sozialarbeiter der Anstalt in Verbindung. Eine Reihe von Gesprächen folgte. Der Gesetzgeber hatte die Möglichkeit geschaffen, Therapie statt Strafe zu machen. Ich hatte viel zu überlegen. Ich fällte die glückliche Entscheidung, auf Therapie gehen zu wollen. Der Richter und die Behörden kamen mir entgegen, und so konnte ich diesen neuen Lebensabschnitt beginnen.

Da war ich nun, in dieser abstinenzorientierten Langzeittherapieeinrichtung. Ich brauchte einige Zeit, um die Anlaufschwierigkeiten zu meistern, und mir ein Bild davon zu machen, wo ich mich befand. Es gab noch andere Kolleginnen, die ebenfalls positiv waren, und deren Umgang mit diesem Problem mich bestärkte, mich nur ja nicht mit diesem zu beschäftigen. Ich erlebte viel hochgeschaukelte Angst, wenig Bereitschaft, sich konkret und sinnvoll mit diesem Lebensumstand auseinanderzusetzen. Dazu kam meine eigene Unfähigkeit, Schwierigkeiten nüchtern und sachlich in Angriff zu nehmen.

Nach ein paar Monaten hatte ich einen Einblick in dieses abstinente Therapieangebot gewonnen und es wurde mir bewußt, daß es für mich lebenswichtig wäre, die mir angebotene Unterstützung anzunehmen. Mein Wunsch, drogenfrei zu werden, war ehrlich. Ich hatte viel zu lernen und mußte mir viel sagen lassen. Selbsttäuschung und Irrglauben waren zu erkennen und zu berichtigen. Da ich mich ehrlich mit meinem Leben auseinandersetzte, wurde es unvermeidlich, auch meine HIV-Infektion in diese Arbeit mit-einzubeziehen.

Heute denke ich noch in Dankbarkeit an die starke und uneingeschränkte Unterstützung zurück, die mir in dieser Zeit zuteil wurde. Meine Formel war, daß nur ein kreatives und sachliches Bemühen um .Drogenfreiheit Sinn bringt, wenn ich dies auch mit meiner Infektion und den daraus resultierenden Lebensumständen mache. Die Frage des Lebenssinnes wurde für mich auch leichter: Mir war es wichtig, die mir noch zur Verfügung stehende Zeit mit einem gutgeführten, ich könnte auch sagen gottgefälligen Leben auszufüllen. Ich war bereit zu lernen und vor allem war ich bereit, anderen zu helfen. Meine Bemühungen waren nicht gleich von Erfolg oder großer Gegenliebe geprägt, aber mit unvermindertem Einsatz begann sich mein Leben in eine gute Richtung zu entwickeln. Ich bekam die große Chance, eine Arbeitsstelle antreten zu dürfen, die es mir ermöglichte, Menschen ein Stück ihres Lebens zu begleiten und meine Intentionen dabei einbringen zu können.

habe mich nie gefürchtet

Mein Leben wurde durch schöne und tiefe Freundschaften reicher und ich hatte gelernt, diese zu achten. In dieser ohnehin schon schönen Zeit wurde mir durch die Liebe und das Vertrauen meiner Lebenspartnerin noch größerer Lebensmut zuteil. Trotz allem vergaß ich nicht, mich auch weiterhin mit dem Umstand zu befassen, daß ich HIV-positiv war. Auch das lief gut. Ich war gesund und ich habe mich nie gefürchtet.

Mein Leben verlief in geregelten Bahnen. Die Arbeit war auch nach einigen Jahren spannend und inhaltsreich. Mein Privatleben glücklich und erfüllt. Es war so weit: Ich hatte etwa zu verlieren.

Es begann damit, daß sich die guten Blutbefunde verschlechterten. Die Zahl der Helferzellen nahm ab. Ich ignorierte es. Mein Gewicht reduzierte sich. Ich ignorierte es. Kurzum, ich wollte nicht wahrnehmen, was sich abzeichnete. Meine Gesundheit wurde schwächer, aber ich leugnete es meiner Frau gegenüber und allen anderen, denen es auffiel. Angst begann sich breitzumachen, doch ich klammerte mich an die Hoffnung, alles wieder in den Griff zu bekommen.

Ich war der Schulmedizin gegenüber skeptisch, da mir diese zu dogmatisch erschien. Außerdem war ich bisher mit alternativen Bemühungen gut gefahren. Doch auch aus dieser Bichtung gab es Batschläge, die dafür zuständigen Ambulanzen aufzusuchen. So ging es hin und her, auf und ab. Meine Immunschwäche hatte so weit zugenommen, daß ich Pilzbefall in Mund und Rachen bekam. Ich wollte noch immer nicht wahrhaben, was sich abzeichnete, und es ging weiter bergab.

Zu guter Letzt ließ ich mich noch sechs Wochen lang gegen eine Bronchitis behandeln, die eigentlich eine Lungenentzündung war. In diesen sechs Wochen verringerte sich mein Gewicht auf 52 Kilogramm. Ich konnte nicht mehr gehen, bekam fast keine Luft mehr, konnte keine Nahrung mehr bei mir behalten und weigerte mich trotzdem, das Krankenhaus aufzusuchen. Meine Frau, meine Mutter, und Kollegen, die mich besuchten, spielten nicht mehr mit. Sie riefen meinen Hausarzt, einen Schulmediziner, den ich während dieser Zeit gemieden hatte, und er schickte mich umgehend in das Krankenhaus.

Das erste, was ich dort bekam, war eine Sauerstoffmaske. Da wurde mir klar, wie unnütz und unverantwortlich ich mich die letzte Zeit verhalten hatte. Denn ich war der Dog-matiker und uneinsichtig gewesen. Was ich von den Ärzten zu hören bekam, machte mir bewußt, daß ich mit meinem Leben gespielt hatte.

Meine Frau, die mich auch schon zu Hause gepflegt hatte, blieb auch im Krankenzimmer aufopfernd an meiner Seite. Man hängte mir einige Infusionen an, aber am meisten half mir der Sauerstoff. Der Mund-und Bachenpilz ging rasch zurück, und ich aß für drei. Ich aß mir Kraft an für das, was noch auf mich zukommen sollte.

Ich war weiterhin gehunfähig und konnte das Bett nicht verlassen.

Die Lungenentzündung war in einem derart fortgeschrittenen Stadium, daß mir nach knapp zwei Wochen der rechte Lungenflügel auf Grund eines Loches zusammenfiel... Zwei Wochen Tiefschlaf in einem Schaukelbett folgten. Das sollte ein Zusammenfallen der Lungen verhindern. In dieser Zeit kam ein zweites Loch im Lungenflügel dazu. Die Aussicht, aus diesem Schlaf nochmals zu erwachen, war sehr ge-

Ich möchte meiner Frau danken, die Tage und Nächte an meinem Bett verbrachte; die mich beruhigte, wenn ich mich gegen die Maschinen wehrte, die mich am Leben hielten. Einem Wunder gleich verheilten die beiden Löcher und es wurde begonnen, mich aus dem Schlaf ins Wachbewußtsein zurückzurufen..

Ich entschied mich zu leben

Zurück im Wachbewußtsein war ich überrascht, was alles passiert war. Ich brauchte zwei Wochen, bis ich wieder halbwegs klar war. Ich bin noch heute am Verarbeiten dieser Zeit. So viel sei verraten: Ich wußte, daß ich mich für ein Weiterleben entschieden habe.

Es kamen noch viele schwere Wochen auf mich zu, die mich an der Bichtigkeit meiner Entscheidung zweifeln ließen. Intravenöse Ernährung, wochenlanges Fieber, Übelkeit und viele Versuche, das Gehen wieder zu erlernen, sollten diesen Abschnitt bestimmen.

Die gute Behandlung durch die Pfleger, denen ich auch zu großem Dank verpflichtet bin, die Sicherheit der Ärzte, die Liebe meiner Frau, die verständnisvollen Verwandten, die vielen Freunde und Bekannten, die mich besuchten und für mich hofften, erlaubten es, daß ich nach vier Monaten Aufenthalt im Krankenhaus nach Hause durfte.

Das Gefühl beim Betreten unserer Wohnung kam einer Auferstehung gleich. Vergessen waren die Zweifel und Ängste. Meine Hoffnung, doch wieder ein lebenswertes Leben führen zu können, begann mit der Zeit immer mehr zu erblühen. Die Umstellung auf feste Nahrung erforderte strengste Reglementierung durch meine Frau. Mit ihrer Hilfe gelang es mir, auch depressive Tage zu überwinden und daraus zu lernen. Meine Schritte wurden sicherer. Es war ein herrliches Gefühl, gemeinsam wieder auf alten Wegen spazieren zu gehen. Meine Lebensgeister kehrten vermehrt zurück und ich habe die Gnade des Lebens erfahren.

Es ist mir wichtig, noch an jene zu erinnern, die alleine sind und kein so schönes Umfeld haben wie ich. Sie brauchen unsere Liebe und unser Verständnis. Wir dürfen nicht wegschauen. Wir dürfen unsere Herzen nicht verschließen.

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