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Das ägyptische Waffenlager

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Außenminister DuUes verweigerte sie ihm in der klaren Erkenntnis, daß Ägypten von keinem fremden Staat, auch nicht von dem kleinen Israel, militärisch bedroht war, und es die Waffen nur dazu haben wollte, seinerseits einen neuen Palästinakrieg heraufzubeschwören. Daraufhin wandte sich der Nildiktator an die Sowjetunion, die sich damit zum erstenmal unmittelbar in ein bis dahin unbestrittenes westliches Ein- fiußgebiet einmischte. Ägypten verwandelte sich mit geradezu unheimlicher Schnelligkeit in ein riesiges Waffenlager, dessen Größe wenig später durch den Suezkonflikt bewiesen wurde. Um ein noch engeres ägyptisch-sowjetisches Engagement zu verhindern, unternahmen die US A einen letzten Versuch. Sie widerriefen ihre Finanzierungszusage für den Assuanhochdamm, ohne zu ahnen, daß sie Abdel Nasser den lange gesuchten Vorwand für die „Nationalisierung“ des Suezkanals lieferten.

Dann verwirren sich die Fäden zu einem schwer auflösbaren Knäuel. Unbestreitbar ist, daß Abdel Nasser mit der Beschlagnahme des Suezkanals einen völkerrechtlich bindenden Vertrag brach. Das war umso weniger zu rechtfertigen, als er ohnehin zwölf Jahre später abgelaufen wäre. Unbestreitbar ist auch, daß Abdel Nasser Israel zwischen September 1955 und Oktober 1956 immer aggressiver drohte und Elitetruppen und gewaltige Mengen militärischen Nachschiubmateriales auf der Sinaihalbinsel zusammenzog.

USA im Zwielicht

Bis heute zwielichtig ist die Haltung der US Ai Die nach der Nationalisierung des Kanals einberufene Londoner 18-Mächte-Benutzerkonfe- renz und die Kairoer Verhandlungen des australischen Premierministers Menzies mit Abdel Nasser führten zu keinem Ergebnis. Die UN blieben untätig. Da trafen sich in Sevres bei Paris insgeheim der französische Ministerpräsident Mollet, der israelische Ministerpräsident Ben Gurion und der britische Premierminister

Eden und ihre Außenminister. Für diese Konferenz im September 1956 gab es bis vor kurzem keinen Beweis. Erst in einem Interview mit der BBC London gab Guy Mollet jetzt zu, daß er sich damals mit seinem britischen und französischen Kollegen getroffen habe. Doch über die amerikanische Haltung besteht, auch nach zehn Jahren, noch immer keine Klarheit. Der damalige Präsident, Präsident Eisenhower, behauptet in seinen erst kürzlich veröffentlichten Memoiren, er sei von der Dreimächteaktion völlig überrascht worden. Sein ehemaliger Geheim- diienstchef, Allan Dulles erinnert sich dageigen genau, Bescheid gewußt zu haben. Außerdem lief die im Mittelmeer operierende Sechste USA-Flotte fast gleichzeitig mit der britisch-französischen Invasionsflotte ägyptische Häfen an, um die Amerikaner zu evakuieren.

Das Schlüsseldatum der ganzen

Affäre ist der 5. November 1956. An diesem Tag verlangte der damalige sowjetische Ministerpräsident Bulganin in persönlichen Botschaften an Eden und Mollet, sie sollten die Invasion sofort abstoppen, andernfalls London und Paris mit Interkontinentalraketen beschossen würden. Diese Drohung kam erst fünf Tage, nachdem die in Cypern wartenden verbündeten Streitkräfte die Einsatzbefehle erhalten hatten. Moskau schaltete sich erst ein, als es sicher war, daß der Westen in Ungarn nicht eingreifen werde und der Budapester Aufstand infolgedessen zusammenbrechen mußte. Trotz der durch die Budapester Ereignisse offenbar gewordenen inneren Schwäche des Sowjetsystems und obwohl westliche Agenten wissen mußten, daß der Kreml bluffte und die prahlerisch aufgezählten Raketen überhaupt nicht besaß, verlor der alternde Eisenhower, der siegreiche Feldherr des zweiten Weltkrieges, in diesem Augenblick die Nerven. Er drohte Eden telefonisch mit wirtschaftlichen Sanktionen, so daß dieser zusammenbrach. Das war das Ende des Sue2krieges! Die USA hatten die europäischen Verbündeten zunächst ermuntert und sie dann fallen lassen!

Das letzte Rätsel

Die Frage, warum die drei Mächte die Fünftagefrist nicht besser nützten und erst am Nachmittag des gleichen 5. November die ersten Fallschirmjäger in Port Said landeten, bietet das letzte Rätsel der Tragödie. Bis jetzt gibt es nur spärliche Hinweise für seine Lösung. Einer davon ist der Umstand, daß der an der Operation beteiligte deutschstämmige britische Admiral und ehemalige Vizekönig von Indien, Earl Mountbatten, Befehle gab, die klangen, als seien sie gegen Israel gerichtet und nicht gegen Ägypten. Im Londoner Foreign Office und in Whitehall grassierte plötzlich eine Demissionswelle. Staatsminister Anthony Nutting, der Juniordiplomat Peter Mansfield und einige seiner Kollegen und Lord Monckton traten zurück. Nutting und Mansfield betätigen sich seitdem als für alle Tatsachen blinde Apologeten der arabischen Politik. Man kann daraus folgern, daß amerikanische Unentschlossenheit, wenn nicht gar Untreue, und traditionelle antisemitische Affekte bei einigen der Beteiligten maßgeblich den Erfolg einer Aktion verhinderten, die den arabischen Völkern die Geisel der ägyptischen Hegemoniepolitik erspart und den Nahen Osten wahrscheinlich als westliches Einflußgfebiet gerettet hätte.

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