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Das „Entgegenkommen“ des Staates

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Den äußeren Niederschlag fand die neue Haltung der Regierung, die aui ein Abkommen mit dem Vatikan und vielleicht diplomatische Vertretung hinarbeitet (Casaroli war heuer bereits in Belgrad) in einem irr Frühjahr 1965 erlassenen Gesetz das die religiösen Rechte des jugoslawischen Staatsbürgers regelt Darin wird nicht nur die Abhaltung von religiösen Feiern auf Plätzen, die nicht dazu bestimmt sind, mit 30 Tagen' Gefängnis bestraft, sondern mit der gleichen Strafe auch die Abhaltung eines Bürgers von der Teilnahme am Gottesdienst belegt. Auch die Beschneidung der Rechte eines Bürgers auf Grund seiner religiösen Überzeugung oder seiner Mitgliedschaft zu einer religiösen Gemeinschaft beziehungsweise wegen seiner Teilnahme an einem Gottesdienst ist unter Strafe gestellt. Neben größeren Freiheiten für die religiöse Presse wird im neuen Gesetz die Zustimmung auch nur eines der beiden Ehegatten zur Taufe der Kinder als ausreichend hingestellt.

Gegen die Übergriffe mittlerer und kleinerer Funktionäre

Daß es aber mit einem Gesetz allein nicht getan ist, zeigt ein vom gesamtjugoslawischen Episkopat in diesen Tagen erlassener Hirtenbrief, der an den ersten drei Sonntagen.im September in den jugoslawischen Kirchen verlesen wird. In einem sehr offenen Ton erklären die jugoslawischen Bischöfe: „Wenn das Geset? die Gewissensfreiheit und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses garantiert, hat niemand das Recht, dies zu mißdeuten. Wir Bischöfe erwarten aufrichtig die Respektierung des Verfassungsgesetzes von allen. Wir erwarten aber auch von den Gläubigen, daß sie sich mutig verhalten und den Glauben ohne Furcht offer bekennen ... Brüder, es ist Zeit, da£ wir aufstehen und handeln. Wir stehen am Scheideweg einer großer Epoche und vor wichtigen Entscheidungen.“

Der Hirtenbrief richtet sich vor allem gegen die Übergriffe der kleiner und mittleren Funktionäre, die trot2 des Gesetzes versuchen, das religiöse Leben und die Gewissensfreiheit einzuschränken. Die Bischöfe fordern deshalb die Gläubigen auf, wann und wo immer ein derartiger, der Verfassung widersprechender Versuch vorkommen sollte, „wendet euch an uns. Wir Bischöfe werden auf Grund unserer bischöflichen Autorität eure Rechte zu verteidigen wissen und bei den zuständigen staatlichen Stellen auf das in der jugoslawischen Verfassung verankerte Gesetz hinweisen“.

Das geschlossene Auftreten der Bischöfe, die bereits am 8. Oktober 1960 in einem gemeinsamen Memorandum an die Regierung 18 Punkte, darunter volle Freiheit des Religionsunterrichtes, Pressefreiheit und Ausschaltung der patriotischen Priestervereinigung gefordert hatten, hat wesentlichen Anteil an der relativen Freiheit der katholischen Kirche in Jugoslawien.

Besonderes Anliegen: Religiöse Erziehung der Kinder

Der bereits erwähnte Hirtenbrief anläßlich des heurigen Schulbeginns ist im wesentlichen auch der religiösen Erziehung der Kinder gewidmet. Die Eltern werden auf ihr Recht und ihre Verpflichtung zur religiösen Erziehung ihrer Kinder hingewiesen. Alle Versuche, die Kinder vom Religionsunterricht abzuhalten oder die Eltern einzuschüchtern, wie es in den Schulen immer wieder geschieht, werden schärfstens verurteilt. Es sei dies eine grobe Verletzung des Elternrechtes und der jugoslawischen Gesetze.

Immer wieder ermahnt auch der Erzbischof von Agram, Kardinal Se-per, die Eltern, ihre Kinder zum Religionsunterricht in den Pfarren zu schicken. Die Furcht vor eventuellen persönlichen Nachteilen, so betonte er kürzlich bei der Einweihung eines Pfarrheimes in Sisak, sei in den meisten Fällen unbegründet.

52 Novizen allein bei den Salesianern

Ein kennzeichnendes Faktum für die derzeitige Situation der Kirche in Jugoslawien ist die große Zahl von Priester- und Ordenskandidaten. Die Priesterseminare und Ordenshäuser müssen zahlreiche Bewerber abweisen, da der vorhandene Platz nicht ausreicht, alle geistlichen Berufe aufzunehmen. Die Zahl der Neupriester in diesem Jahr hat bereits 120 überschritten, davon wurden allein in der Erzdiözese Agram 36 geweiht. Bei den Salesianern sind heuer allein 52 Novizen eingetreten.

In der Pfarre Drinvce feierte der Ortspfarrer anläßlich seines goldenen Priesterjubiläums mit sechs Neupriestern das Meßopfer. Gleichzeitig wurden sechs Mädchen aus der Pfarre als Schwestern eingekleidet. Zehn Buben, die aus dieser einen Pfarre ins Knabenseminar eintreten, sind keine Seltenheit.

Aus der Diözese Sibenik wurde kürzlich gemeldet, daß das dortige

Nonnenkloster trotz bereits eingeführter Stockbetten den Großteil der Bewerberinnen nicht aufnehmen kann. Hunderte und Hunderte, hieß es, könnten beim vorhandenen Platz in die Mission geschickt werden.

Der Sakramentenempfang liegt nach der Aussage zuständiger Stellen bedeutend über dem vor dem Krieg. Wenn auch die Zahl derjenigen, die den Gottesdiensten beiwohnen, abgenommen hat, so ist die Gruppe der aktiven Katholiken heute wesentlich größer als früher.

Neben dieser ' religiösen Elitebildung findet man auch immer wieder größere kirchliche Veranstaltungen mit ungeheurer Anteilnahme der Bevölkerung. So wurden am Fest Maria Himmelfahrt dieses Jahr im dalmatinischen Wallfahrtsort Sinj 60.000 Gläubige, von denen ungefähr die Hälfte während des von Kardinal Seper gefeierten Gottesdienstes die Kommunion empfing, gezählt.

Die große Bedeutung für die Weltkirche

Bei der Betrachtung der religiösen Situation in Jugoslawien kann selbstverständlich nicht übersehen werden, daß sich die Jahre des Schweigens und der Unterdrückung in einem gewissen Stillstand der Entwicklung ausgewirkt haben. In manchen Dingen ist die Kirche in Jugoslawien selbstverständlich erst dort, wo die Kirche im Westen vor zwanzig Jahren war. In einer anderen Weise aber — und das ist wohl das Entscheidende — ist uns die Kirche in Jugoslawien weit voraus. Das hat sich nicht zuletzt auch in Rom beim Konzil gezeigt.

Die jugoslawischen Bischöfe hatten an der Vorbereitung und Arbeit des Zweiten Vatikanums einen nicht zu unterschätzenden Anteil. In den vorbereitenden Kommissionen wirkten fünf jugoslawische Bischöfe als Mitglieder sowie zwei Konsultoren. In die Konzilskommissionen wurden berufen: Kardinal Seper (Agram) — Theologische Kommission, Bischof Franic (Split) — Theologische Kommission, Erzbischof Bukatko (Belgrad) — Ostkirchenkommission, Bischof Pichler (Banjaluka) — Litur-jiekommission. Insgesamt hat Jugoslawien derzeit 28 Konzilsväter, von denen allerdings manche aus Altersund Gesundheitsgründen (zum Beispiel Bischof Srebrnic von Krk und Bischof Pusic von Hvar) nicht an allen Sessionen teilnahmen.

Mehrmals haben jugoslawische Konzilsväter, wie etwa Bischof Fra-lic über die Armut, entscheidende Diskussionsbeiträge geleistet.

Wenn die katholische Kirche in Jugoslawien in ihrer Armut, im Mangel an genügend Gotteshäusern ind Priestern es gewiß nicht leicht hat, so ist doch ihre Bedeutung und hr Beitrag zur Weltkirche sehr groß. Wie sie jahrelang, wie heute die Kirche noch in mehreren Ländern, iurch ihr Leiden und ihre Verfolgung eine wichtige Seite der Kirche Christi verkörperte, so leistet sie nun n ihrer Armut, in ihrer Unsicher-leit und ihrer Beschränktheit der iußeren Mittel der Weltkirche Wertzölle Hilfe. Ja, man kann sagen, daß iiese Situation der Kirche eine ent-:cheidende Komponente zur begonnenen Neubesinnung und Erneuerung ier Kirche darstellt.

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