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Das Geschaft mit dem Schnee

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Sie führen mit 72 Punkten im Weltcup und haben Österreich wieder zur Nummer Eins im Skifahren gemacht: Österreicher, die für rot-weißrote Erfolge die gefährlichsten Pisten durchrasen.

Viele ihrer Vorgänger haben nicht annähernde Erfolge erzielen können — und haben sich sogar öffentlichen Angriffen stellen müssen. Viele ihrer Vorgänger riskierten auch Beinbruch und Prellungen, einigle starben. Wenn sie aber heute mit rotweiß-roter Schleife die Weltklasse distanzieren, dann sind sie nur jener durch Eurovision sichtbare oberste Teil des Eisbergs. Denn uniter ihnen schwimmen von Jahr ziu Jahr mehr Menschen, die in Österreich sportliches Vergnügen finden.

Heute sind es auf der ganzen Welt etwa 40 Millionen, die den größten und aufwendigsten Massensport der Leibesübungen ausüben. Und überall, in den Anden und am Fudjijama, in Skandinavien und in den Pyrenäen, vor allem aber in den Alpen, geben in einer Saison Ski-fahmer etwa 260 Milliarden Schilling für Ausrüstung, Aufenthalt oder Lehrprogramm aus. Der einst von ganz wenigen Naturburschen geübte Sport ist zu einer - internationalen Mode geworden, die zum guten Ton des modernen Lebens gehört. Allein in der Deutschen Bundesrepublik wuchs das Heer der Skivemarrten von 1952 bis heute von 2,5 auf 7,5 Millionen, die wie Hemingway „nur ein herrliches Gefühl von Fliegen und Fallen“ empfinden, denn es ist besser „als irgendetwas anderes“.

Aus einem Sport wurde eine Industrie. Und Österreich ist dank seiner Lage, seiner Fremdenverkehrseinrichtungen und seines weißen Wunderteams Weltzentrum geblieben. Alpine Rennerfolge machten schon vor 1938 unter Hannes Schneider Österreich attraktiv. Aber erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Skisport zum Breitensport. Österreich errichtete trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten Lifte, das heutige Um und Auf des Skivergnügens. Gab es in Tirol im Jahre 1948 17 Lifte, sind es heute zwanzigmal soviel, nämlich 58 Seilbahnen, 100 Sessellifte und 300 Schlepplifte. Und noch immer reichen in den Skizeatren die Anlagen nicht aus, um den Strom der Pistenhungrigen aufzunehmen. In den ersten drei Monaten des Jahres verzeichneten die Hoteliers auch heuer isteiigende Nächtigungsziffem. Von Weihnachten bis Ostern wies im letzten Jahr allein das kleine Vorarlberg (mit 226.000 Einwohnern) 1,4 Millionen Nächtigungen auf. In dieser Zeit überschritten 12 Millionen Ausländer die österreichische Grenz, der absolute Großteil deshalb, um in Österreich skizutfahren. So ist der Skisport zu einem außerordentlichen Devisenbringer geworden, von dem schon jetzt tausende Österreicher leben, und an dessen wirtschaftlicher Bedeutung man nicht mehr vorbeigehen kann. Allein die Steilgerungsrate an Devisenzugängen durch den Fremdenverkehr betrug im Jänner des Vorjahres (trotz einer internationalen Konjunkturflaute) 27 Prozent. Und die Gesamtumsätze des Winterfremdenverkehrs schätzen Fachleute ebenso hoch wie die der österreichischen Elektroindustrie.Dazu kommt, daß Österreichs Kapazität (zur Lust von weiteren Millionen Flachlandbewohnern Europas) für die Anlage von Pisten noch lange nicht erschöpft ist. Tausende Berghänge warten noch darauf, aus ihrem winterlichen Dornröschenschlaf erweckt zu werden. Und auch zahlreiche Fremdenverkehrsorte Österreichs sind zwar im Sommer ausgebucht, haben aber noch keine „zweite Saison“. Hier müßten noch forcierte Anstrengungen unternommen werden, durch Werbung und Service Fremde anzulocken — nicht zuletzt deshalb, weil der Skizirkus sich in einigen Zenitren zu kulminieren beginnt, wo Preise und Frequenz langsam unerträglich werden.

Denn überdies gibt der Wintergast erheblich mehr aus als der Somroerurlauber. Allein die Skiausrüstung des Durchschnittsfahrers ist nicht unter 4000 Schilling zu haben

— und jeder Aufenthalt in Österreich kostet einem Ausländer im Durchschnitt um 6000 Schilling. Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Fremdenverkehrs kommt Österreichs Bedeutung als Erzeugerland für Ausrüstung und Winterbekleidung. Die SMfirmen Knedssl, Arnsteiner, Fischer und Kästle halten die absolute Mehrheit am Weltskknarkt. Zwar versuchen Franzosen und Amerikaner es den Österreicharn gleichzutun, aber die Attraktivität, mit den Skiern von Weltmeistern und Olympiasiegern zu fahren, sichert Österreich immer wieder eine Vormachtstellung. Allerdings haben die Praktiken im Grenzbereich von Sport und Geschäft zu laufenden Schwierigkeiten mit den Amateurstatuten geführt.

Zu den eigentlichen Skierzeugern stoßen in Österreich auch die Erzeuger von Skischuhen, Anoraks, Skihosen und Westen. Die Skipisten und Skibars Österreichs sind bereits zu modischen Bummelplätzen einer europäischen High-Society geworden; manche Skidress ist fast so aufwendig wie ein Abendkleid (und kostet auch so viel). So ist das Gold, das Österreicher auf Rennpisten ergattern, Gold für die Wirtschaft dieses Landes. Es ist nicht abzuschätzen und nur annähernd zu wägen — und verspricht goldene Zeiten . für die Zukunft. Dann nämlich, wenn es auch in Norddeutschland und England, in den Marschen Hollands und in den Stefcischluchten von New York einfach „dazugehört“, im Winter Ski zu fahren. Die Skienthusiasten meinen, daß bereits in sechs Jahren die Zahl der Skisportler verdoppelt ist

— und daß das Gros nach Österreich kommen wird. Denn Österreich hat den Vorteil guter geographischer Lage und ist noch immer das billigste Wintersportland. Die Schweizer haben in den letzten Jahren nicht annähernd jene Steigerungsraten erzielt wie das billigere Österreich. Und trotz gewaltiger Anstrengungen haben Frankreichs Alpen auch nach Grenoble nicht die Anziehungskraft der klassischen Alpinzentren.

So sollte es dieses Land eigentlich beschämen, daß seine Rennläufer Jahr für Jahr um Subventionen betteln müssen. Und daß der Slalom-Sieger von Wengen, Reinhard Trit-scher, auf geschenkten Schweizer Schuhen gewann ,,,

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