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Das Hoffen der Bauern

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Dia Landwirtschaft setzt ihren Umbau unbeirrt von den Haßtira-den und Neidsymphonien, die in letzter Zeit gegen sie angestimmt werden, fort. Sie hat den „Butterberg' auf einen Halb-wochenvorrat reduziert, die Produktionsumschichtung von Milch auf Fleisch in der Viehzucht zum produktionswirtschaftlichen Trend erhoben, die Umstellung von Brotgetreide- zum Futtergetreidebau weithin vollzogen und gesetzlich organisatorisch die strukturellen Grundlagen für das heute und künftighin durch Maschine, Markt und Kapitalintensität erforderliche Gefüge geschaffen. Gegenüber der mühseligen Diskussion um die Konzentration in der Stahlindustrie nehmen sich Art und Tempo, mit denen sich selbständige Bauern zu überbetrieblichen Wirtschaftsgemeinschaften zusammenschließen, geradezu als Wunder einer Fortschrittsbeschleunigung aus.

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Dia Landwirtschaft setzt ihren Umbau unbeirrt von den Haßtira-den und Neidsymphonien, die in letzter Zeit gegen sie angestimmt werden, fort. Sie hat den „Butterberg' auf einen Halb-wochenvorrat reduziert, die Produktionsumschichtung von Milch auf Fleisch in der Viehzucht zum produktionswirtschaftlichen Trend erhoben, die Umstellung von Brotgetreide- zum Futtergetreidebau weithin vollzogen und gesetzlich organisatorisch die strukturellen Grundlagen für das heute und künftighin durch Maschine, Markt und Kapitalintensität erforderliche Gefüge geschaffen. Gegenüber der mühseligen Diskussion um die Konzentration in der Stahlindustrie nehmen sich Art und Tempo, mit denen sich selbständige Bauern zu überbetrieblichen Wirtschaftsgemeinschaften zusammenschließen, geradezu als Wunder einer Fortschrittsbeschleunigung aus.

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Bei der Beurteilung des Agrarfort-schritts muß man ein weiteres Moment ins Kalkül ziehen, das in Amerika schon volkswirtschaftliches Gemeingut wird, in Österreich aber noch nicht ins Bewußtsein gedrungen ist, nämlich die Tatsache, daß in den letzten 100, 150 Jahren allein die Landwirtschaft echte Fortschritte gemacht hat. Praktisch hat die Landwirtschaft das Gesetz aller abnehmenden Naturerträge in das Gegenteil verwandelt und damit wirklich etwas Neues wirtschaftlich auf die Beine gestellt. Die Landwirtschaft hat daher in Europa, USA, Japan, wo sie das knowhow ihrer Modernisierung anwenden konnte, eine Überfülle erzielt, von der vor wenigen Jahren noch niemand zu träumen wagte. Daraus ergibt sich die eigentümliche Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Bremsmanövers mitten in einer hochkonjunkturellen Dauerwelle mit dem Zwang zu einer weitgehenden Umstrukturierung des inneren Agrargefüges. Die österreichische Landwirtschaft hat sich dieser Aufgabe nicht nur nicht widersetzt, sondern ihre Durchführung bereitwilligst in Angriff genommen. Heute kann man ohne Übertreibung sagen, daß sie dabei ist, das Gleichgewicht zwischen Produktion und Markt wieder zu gewinnen.

Der Erfolg beim „Butterberg“ wurde bereits erwähnt. Sein Abbau wurde durch Konsumanstieg und Produktionsumstellung erreicht. Der Kon sumanstieg betrug 1968 5 Prozent und einschließlich der in Form von verbilligtem Butterschmalz abgegebenen Buttermenge 7 Prozent. Dazu trug sehr wesentlich eine Novellierung der Gewerbeordnung, die vorübergehende Erhöhung des vom Produzenten zu bezahlenden Absatzförderungsbeitrages („Krisengroschens“) auf 19 Groschen und die Einhebung eines Werbegroschens pro Kilo abgelieferter Milch bei. Nicht minder erfolgreich war die produktioneile Umstellung von der Milch- auf die Fleischerzeugung, in der offensichtlich ein dauerhafter Tendenzumschwung erreicht werden konnte. Die Zahl der rinderhaltenden Betriebe ist um 2,4 Prozent gesunken. Die Zahl der weiblichen Rinder ist um rund 60.000 Stück, darunter die Zahl der Milchkühe um 27.000 Stück zurückgegangen. Damit ist einem weiteren Ansteigen der Milchproduktion ein Riegel vorgeschoben. Zugleich ist der Bestand an Stierkälbern und Jungstieren um 24.000 Stück gewachsen. Das und die Freigabe von Kuhkälbern für den Export trägt weiter zum Abbau der Milchproduktion dler Zukunft bei. Die Exporte an Zuchitrindem sind von 15.000 auf 25.000 und an Einstellrin-dern von 10.000 auf 15.000 Stück gestiegen. Das Schlachtgewicht konnte ferner bei 25 Prozent der Exportkälber auf 120 Kilo Lebendgewicht erhöht werden, wodurch mehr Milch für Furterzwecke verbraucht wird. Schließlich stieg der inländische Rindfleischverbrauch von 117.500 Tonnen im Wirtschaftsjahr 1966/67 auf 126.000 Tonnen in 1967/68. Mit diesen Maßnahmen zur Anpassung an die Märkte ist Österreich einer ganzen Reihe europäischer Agrar-wirtschaften weit voraus.

Auch in der Brotgetreideproduktion konnte der Überschußtrend gestoppt und eine weitgehende Annäherung an die Marktkonformität erreicht werden. Die Weizenfläche sank 1968 zum erstenmal, und zwar gleich um 10.724 Hektar (der Winterweizenanbau 1968/69 wurde um weitere 10.000 Hektar vermindert), während die Futtergetreideflächen beträchtlich ausgeweitet wurden (Mais um 14.000, Gerste um 6000 Hektar). Die Verringerung der Brotgetreideproduktion auf den normalen Inlandsbedarf und die Erhöhung der Futtergetreideerzeugung zur Vermeidung der bisherigen Futterimporte wurde in drei Etappen durch eine Anhebung der Futtergetreidepreise und eine Senkung der Weizenstützungen, somit durch ein hohes Preisopfer der Landwirtschaft, und zwar sowohl der Weizenbauer als auch der Futtergetreideverbraucher erreicht. Ein derartiger Gewinnverzicht eines Wirtschaftszweiges mitten in der Hochkonjunktur dürfte wohl einmalig sein, war aber notwendig zur planmäßigen Umstellung des Produktionstrends, wie er wichtigen Sektoren der Industrie erst bevorsteht.

Optisch weniger eindrucksvoll, dafür um so nachhaltiger wirksam sind die strukturellen Umstellungen. Man hat die Landwirtschaft gescholten, altmodisch zu wirtschaften. Sie hat das mit einer Verminderung der Zugpferde von 220.000 im Jahre 1953 auf 51.000 Stück im Jahre 1968 und mit der gleichzeitigen Steigerung der Traktoren von 35.700 auf 234.000 Stück beantwortet. Sofort war man bereit, der Landwirtschaft Maschinenluxus vorzuwerfen. Wiederum hat die Landwirtschaft die wirtschaftliche Antwort parat: in kurzer Zeit sind bereits 30 Maschinenringe zur gemeinschaftlichen Maschinenbenutzung in Tätigkeit, zehn weitere sind zur Zeit allein in Oberösterreich in Entstehung, 42 Prozent aller Mähdrescher stehen bereits in Gemeinschaftseinsatz und man rechnet, daß in kurzer Frist die gesamte österreichische Landwirtschaft zu dieser ökonomischen Maschinenverwertung übergegangen sein wird, wobei sich die Kosten der Vollmechanisierung von 40.000 auf 16.000 Schilling je Hektar senken (und allerdings auch die Maschinenfabriken nicht mehr mit dem gleichen Absatz wie bisher rechnen können). Was wird man dann der Landwirtschaft vorwerfen? Die Zwischenbilanz des Augenblicks ist somit die, daß die Landwirtschaft ihre strukturelle und marktpolitische Aufgabe erfüllt, gewisse andere Wirtschaftszweige aber ihre Zukunft auf Kosten der Landwirtschaft planen.

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