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Das konsolidierte Militär

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So wie die Prager Politik und die Publizistik seit dem Jänner 1968 sehr unterschiedliche Phasen mitgemacht hat, so war es auch mit dem Militär, nur daß es bis vor kurzem völlig im Schatten des politischen Geschehens stand und wenig beobachtet wurde. Gegenwärtig zeichnen sich zwei Richtungen ab, eine gegen die Besatzungsgruppen gerichtete junger Offiziere. Hier haben es Duböek und vor allem Präsident Svoboda am 5. Februar dringend für nötig gehalten, diese Offiziere — es waren 1600 höhere Offiziere geladen! — zu beruhigen. Während dann eine Offiziersdelegation einen Kanossa-Gang nach Ostdeutschland und Ost-Berlin anzutreten hatte, reiste c'er tschechoslowakische Verteidigungsminister, der slowakische Generaloberst Ing. Martin Dzur, nach Moskau, um hier Gespräche mit seinem sowjetischen Kollegen, Marschall Gretschko, aber auch mit Parteichef Breschnjew zu führen. Im Gegensatz zu früheren sowjetischen Tendenzen, die tschechoslowakische Armee nicht allzusehr in Erscheinung treten zu lassen, erklärte in den letzten Februartagen Breschnjew General Dzur gegenüber, daß die Sowjetunion — vermutlich im Zusammenhang mit der brisant gewordenen Situation in Sibirien — großen Wert auf eine weitere Stärkung der militärischen Schlagkraft ihres Verbündeten, die CSSR, lege. Dzur erklärte nun auch wieder, vermutlich auf Prager Weisung, „die Gefahr, die unseren sozialistischen Staat bedroht, ist an den Westgrenzen des Landes konzentriert, auf dem Gebiet Westdeutschlands... Es liegt im Interesse des Volkes, diese militärische Abwehrorganisation weiter zu stärken“.

Das Durcheinander in der militärischen Führungsschicht war im Verlauf der letzten dreizehn Monate fast noch größer als in den anderen Bereichen. Zwei der prominentesten Generäle, der langjährige Verteidigungsminister General Lomsky und sein erster Stellvertreter, Generalstabschef Rytif, waren in das Institut für Militärgeschichte versetzt worden. Einer der jüngsten Generäle, der 41jährige Generalmajor Sejna, der sich in die USA absetzte, wurde als der „wertvollste Ostüberläufer der letzten zwanzig Jahre“ bezeichnet. Nach einer Blitzkarriere war Sejna erst im Oktober 1967 zum General befördert worden — obwohl sich die politische Hauptabteilung der tschechoslowakischen Volksarmee gegen diese Beförderung ausgesprochen hatte. Die Generalsbeförderung aber hatte Sejna, der zuletzt leitender Sekretär des Hauptausschusses der KPTsch im Ministerium für National Verteidigung war, seinem direkten Vorgesetzten, nämlich dem Chef der Gruppe 8 im ZK der KPTsch, General Miroslau Mamula, und Verteidigungsminister General Lomsky, schließlich Präsident No-votny zu verdanken.

Als das Gerücht auftauchte, Novotny wollte mit Hilfe der Präger Garnison seine brüchig gewordene Macht stützen, wurde dies von Novotny in aller Form vor dem ZK der Partei dementiert. Als es dann hieß, dieses Bemühen sei von der Präger Sowjetbotschaft ausgegangen, wurde allerdings gleichzeitig behauptet, es sei General Prchlik gewesen, der diese Pro-Novotny-Aktion verhindert habe. Tatsächlich wurde Prchlik wenig später der Mann am politischen Schalthebel der Armee, Nachfolger des zwielichtig gewordenen Generals Mamula in der Leitung der achten Abteilung im ZK der KPTsch und damit der Parteiverantwortliche für Sicherheit- und Verteidigungsfragen. Er brachte insofern eine Zusatzerfahrung für diesen Posten mit, als er 1955 vorübergehend für ein Jahr stellvertretender Innenminister gewesen war, ohne sich scheinbar hier kompromittiert zu haben. Als maßgeblicher Mann der neuen Dubcek-Gruppe beging er jedoch am 15. Juli 1968 einen unverzeihlichen Fehler, der vorerst das Ende seiner Karriere bedeutete, aber auch das neue Prager Regime in den Grundfesten erschüttern sollte. In einer Pressekonferenz erklärte er, die Tschechoslowakei verlange eine Um-organisation des Warschauer Paktes, vor allem ein größeres Mitspracherecht der Mitgliedsstaaten, einen ständigen Wechsel im Oberkommando und die Garantie, daß Mitgliedsstaaten des Paktes nicht gegen andere vorgehen dürften. Noch bevor die sowjetische Propagandamühle so richtig gegen General Prchlik in Aktion tritt, erklärte das ZK der KPTsch, niemiand habe Prchlik zu diesen Erklärungen ermächtigt, enthebt ihn seines Pastens, hebt aber gleichzeitig recht geschickt seine ganze Abteilung im ZK auf.

Während man also im ZK die Abteilung für Sicherheit- und Vertei-diguragsfragen liquidiert hatte, mußte man einen neuen, weit risikoreicheren Posten schaffen, den eines Regierungsbevollmächtigten für die Angelegenheiten sowjetischer Heere, den man Generalmajor Ing. M. Kor-bel übertrug.

Inzwischen trat der bisher so farblose Verteidigungsminister Dzur, dem man nach langem Tauziehen am 17. Jänner 1969 den kaum weniger farblosen tschechischen Generalleutnant Wenzel Dvorak als Staatssekretär beigegeben hatte, forsch auch im Inneren auf. Im Zusammenhang mit dem Flammentod Pallachs erklärte Dzur in einer Proklamation an 'die Armee, er fordere die bedingungslose Unterstützung der gewählten Vertreter des Staates durch die Armee, die strikte Ausführung von Befehlen der Armeeführung, erklärte aber auch gleichzeitig, daß ös keine Rechtfertigung für ähnliche Taten gebe.

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