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Das Kreuz auf Guadalcanar

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In weiter Ferne, auf einem Eiland im Pazifischen Ozean steht ein hohes, mächtiges Porphyrkreuz, das im Jahre 1901 von der österreichischen Kriegsmarine errichtet wurde und nadistehende Inschrift trägt:

„Dem Andenken der im Dienste der Wissenschaft beim Kampfe am Fuße des Berges Tatube heldenmütig gefallenen Mitglieder der Expedition S. M. S. .Albatros'“.

Die Geschichte dieser für die einstige k. u. k. Kriegsmarine ehrenvollen Expedition sei im folgenden in Erinnerung gebracht.

Die österreichische Akademie der Wissenschaften in Wien hatte beschlossen, die nodi wenig erforschten Salomonsinseln des australischen Archipels vom geologischen und biologischen Standpunkte aus untersuchen zu lassen.

Von Seiten der k. u. k. Kriegsmarine wurde zur Durchführung der Mission das Kanonenboot „Albatros“, ein dreimastiges,' getackeltes Sdiiff von 570 Tonnen Deplacement, mit einer Auxiliarmaschine zur Verfügung gestellt. Unter Kommando des Fregattenkapitäns Josef Ritter Mauler von Elisenau verließ am 2. Oktober 1895 der „Albatros“ den Zentralkriegshafen. Als wissenschaftlicher Leiter war der weltbekannte Geologe Heinrich Freiherr Foullon von Norbeeck an Bord. Nadi einer nahezu ausschließlich unter Segel bewirkten, äußerst günstigen Reise traf das Schiff am 24. Mai 1896 in der Thousand Ship-Bäi ein. Nach dem Besuch der zum Salomonsarchipel gehörigen Inseln St. George, Isabell und Savo, wo viele wissenschaftliche Beobachtungen und Entdeckungen gemacht wurden, ankerte das Schiff auf der Reede von Gora der Insel Guadalcanar.

Nachdem die Ausrüstung für den Forschungszug bestens vorbereitet worden war, wurde am 6. August 1896 ein Matrosen-detachement von 23 Mann unter dem militärischen Kommando des Linienschifffähnrichs Franz Budik, dem als Zugskommandanten die Seekadetten Armand de Beaufort und Max von Rosen beigegeben waren, mit Professor Baron Foullon gelandet. Vier Eingeborene leisteten Führerdienste.

Der Weg führte durch den tropischen Urwald und mußte mit Axt und Messer mühsam gebahnt werden. Durch den anstrengenden langen Marsch waren einige Matrosen so erschöpft, daß sie unter Führung des Seekadetten von Rosen zum Schiffe zurückgesendet werden mußten. Die Stärke des Detachements war dadurch auf 18 Mann reduziert.

Nach viertägigem Marsche war jener Punkt erreicht, den Professor Foullon als zum Aufstiege des dem Lions Head vorgelagerten Tatubeberges als besonders geeignet gewählt hatte. Seekadett de Beaufort, sechs Matrosen und zwei einheimische Führer blieben im Lager zurück, wo Zelte aufgeschlagen und entsprechende Sicherheitsdispositionen erteilt wurden.

Zur bevorstehenden gefahrvollen Bergbesteigung meldeten sich sieben Mann. Der Abmarsch erfolgte in folgender Ordnung: voran schritten ein eingeborener Führer und ein Matrose, dann kam Baraon Foullon, hinter diesem sechs Matrosen, den Schluß bildeten zwei eingeborene Führer und als letzter marschierte Linienschiffähnrich Budik, weil er so den Zug besser übersehen und beisammenhalten konnte. Nun ging es die steilen Lehnen auf steinigen, engen Pfaden empor, aus dem Dickicht und von den Bergen erklangen unheimliche Avisorufe der Wilden, die ab und zu auch sichtbar wurden und im nächsten Augenblick verschwanden. Nach und nach verklangen die Rufe, und es wurde in einem Stent1-graben Rast gemacht. Foullon benützte diesen Aufenthalt, um mittels eines Höheninstruments die Lage dieses Punktes mit 1040 Meter festzustellen. Während dieser Marschpause bot ein bejahrter Eingeborener dem ruhenden Linienschiffähnrich Budik eine Keule zum Tausch gegen seinen Revolver an. Der Offizier lehnte den Vorschlag ab. Plötzlich ertönten aus dem tiefergelegenen Lager zwei Schüsse und schon sprangen aus den umliegenden Gebüschen 25 bis 30 Eingeborene hervor, die mit Keulen und Äxten die Expedition angriffen. Linienschiffähnrich Budik, von einigen Wilden hart bedrängt, weiß sich mit seinem Revolver zu wehren und streckt einige Angreifer nieder. Zur gleichen Zeit wurden Baron Foullon und einige Matrosen durch Axthiebe so schwer verwundet, daß sie zusammenbrachen, die übrige Mannschaft machte von den Feuerwaffen richtig Gebrauch und pfefferten auf die andringenden Wilden. Als diese die Wirkung der Gewehre erkannten, ergriffen sie schleunigst die Flucht und verschwanden im Gebüsch, ungefähr zwanzig Tote auf der Walstatt zurücklassend.

Baron Foullon blutete aus einer tiefen, breiten Wunde am Nacken und war auch an der rechten Sdiulter schwer verletzt. Er starb nach l'/a Stunden. Nachdem den Verwundeten Notverbände angelegt worden waren, wurde der Rückmarsch, der sich in dem unwegsamen Terrain sehr mühselig gestaltete, angetreten. Während dieses Marsches wurden noch immer Schüsse aus dem zurückgelassenen Lager am Fuße des Tatube vernommen. Dort angelangt, fand man Seekadett de Beaufort, zwei Matrosen und einen eingeborenen Führer erschlagen Und sämtliche anderen Matrosen mehr oder minder verletzt vor, der Platz war auch hier mit zahlreichen toten Wilden bedeckt. Der Angriff war in ähnlicher Weise und zur gleichen Zeit wie auf die Hauptgruppe erfolgt.

Von den Bergen hörte man die Kriegstrommel rühren, und man mußte auf weiter Angriffe gefaßt1 sein. An eine regelrechte Bestattung der Toten war nicht zu denken, da der Boden aus hartem Fels bestand und weder Werkzeuge noch Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Aber auch der Abtransport der Verwundeten stieß auf Schwierigkeiten, da es an Trägern und Tragmitteln fehlte. Unter Beachtung aller nötigen Vorsichtsmaßregeln marschierte das Detache-ment, vom unverwundeten, energischen Linienschiffähnrich Budik geführt, durch

den weglosen Urwald gegen den Strand. Einige Male wurde die tapfere Schar von den Wilden noch überfallen und mußte sich ihrer Haut erwehren. Vor Erschöpfung überwältigt, sah sich das Detachement gezwungen, noch zweimal zu nächtigen. Am Ende seiner Kräfte angelangt, entsandte Linienschiffähnrich Budik den bewährten eingeborenen Wegweiser Paramatta mit einer schriftlichen Meldung nach Gora voraus, wo derselbe glücklich an Bord des „Albatros“ eintraf.

Sofort wurde eine Hilfstruppe von dreißig Mann unter Führung des Linienschiffleutnants Bublay abgesandt, der sich der englische Regierungsvertreter Mr. Woodford und der Schiffsarzt, Fregattenarzt Doktor Hiersche, anschloß. In forciertem Eilmarsch, bei strömenden Regen und unter furchtbaren Mühseligkeiten wurde das so ziemlich abgekämpfte erste Detachement erreicht und nach kurzer Rast gemeinsam der Rückmarsch angetreten. Die Absicht, auch die Toten vom Tatube zu bergen, mußte aufgegeben werden.

Im aufgeweichten Boden tief einsinkend, seit Tagen in triefenden Kleidern fröstelnd, fußmarode und vom Fieber dnrehschauert, gelangten die österreichischen Seeleute an die Küste, wo sie alsbald an Bord des „Albatros“ in gute Pflege genommen werden konnten.

Als die Nachricht von dem Überfall in Sydney ankam, wurde die Flagge auf dem

österreichischen Konsulat auf Halbmast gezogen. Der Befehlshaber des englisch-australischen Geschwaders, Adimiral Bridge, sprach sein und seiner Offiziere Beileid für die unerwarteten und schmerzlichen Verluste des „Albatros“ und gleichzeitig seine Bewunderung über die Sündhaftigkeit, Energie und Todesverachtung des österreichischen Landungsdetachements aus. Der englische Kreuzer „Pylades“ erhielt Befehl, nach Gualdacanar abzugehen und die schuldigen Eingeborenen auf das schärfste zur Rechenschaft zu ziehen.

S. M. S. „Albatros“ erhielt Ordre, die Mission durch eine mehrwöchige Erholungspause in Sydney zu unterbrechen. Der Kommandant, Fregattenkapitän von Mauler, wurde von Kaiser Franz Joseph zur persönlichen Berichterstattung nach Wien befohlen und mußte vorübergehend das Kommando dem Gesamtdetailoffizier Linienschiffleutnant Bublay übergeben.

In Anerkennung der hervorragenden Leistungen wurden den österreichischen Seeleuten hohe Dekorationen verliehen und für die Hinterbliebenen der Gefallenen in munifizenter Art gesorgt.

„Albatros“ setzte nach Eintreffen von Ersatzmannschaft am 21. Jänner 1897 seine Mission fort und kehrte mit reicher wissenschaftlicher Ausbeute unter Berührung von Singapore über den Indischen Ozean und das Rote Meer am 7. März 1898 nach Pola zurück.

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