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Das Land und sein Bischof

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Versprechen, das er bei der Bischofsweihe abgegeben hatte: „Pauperibus et peregrinis omnibusque indigentibus esse misericors.“ „Ein Herz zu haben für die Armen, Wandernden und alle Notleidenden.“ Die Ärmsten waren die von den damaligen Machthabern Verfolgten. Seit der Besetzung Österreichs im Jahre 1938 bemühte sich Weihbischof Dr. Rohracher an der Seite von Erzbischof Dr. Hefter um die Gestapo-Gefangenen. Durch ihr entschiedenes Auftreten war es möglich, daß im Gestapo-Gefängnis — wenigstens in Klagenfurt — durch einige Monate Gottesdienst gehalten werden konnte. Der Kapitelvikar bemühte sich, so gut es die Verhältnisse zuließen, den vaterlosen Familien ein Vater zu sein. Er hatte dabei im heutigen Gurker Generalvikar Prälat Dr. Josef Kadras einen eifrigen Helfer. Dem Einschreiten Doktor Rohrachers war es zu verdanken, daß die im Jahre 1941 verhafteten slowenischen Priester wieder die Freiheit erlangen konnten und nicht in Konzentrationslager abtransportiert wurden. Als Bedingung verlangte damals die Gestapo, daß diese Priester auf andere Pfarren kommen und deutsche Priester in das gemischtsprachige Gebiet entsandt werden müßten. Es fanden sich auch deutsche Mitbrüder, die ihren bisherigen Posten in selbstloser Weise aufgaben und in das Gebiet von Südkärnten gingen, um den schwergeprüften Gläubigen in jener Notzeit den Trost des heiligen Glaubens, des heiligen Meßopfers und der Sakramente zu vermitteln. Was diese Umstellung für den verantwortlichen Bischof bedeutete, mag daraus ersehen werden, daß in wenigen Tagen 120 Versetzungen mit den notwendigen vorherigen Besprechungen durchgeführt werden mußten. Die slowenischen Pfarrer behielten das Recht auf ihre Pfarre bei. Die slowenisch sprechenden Gläubigen tröstete der Bischof in einem eigenen Hirtenschreiben, das sein Verständnis für deren Muttersprache bezeugte.

Da in Oberkrain die Geistlichen eingekerkert und die Kirchen verwaist waren, bemühte sich Bischof Rohracher, von der Kirche zu erlangen, daß er seine Geistlichen in dieses Gebiet schicken könne, damit die Gnadenkräfte der Kirche in jener schweren Zeit den Gläubigen nicht vorenthalten blieben. Erstmalig zu Allerheiligen 1941 durften mehrere Priester nach Oberkrain ziehen, durch einige Tage dort Gottesdienst halten, die Sakramente spenden und die Verstorbenen auf den Friedhöfen einsegnen. Es waren zuerst nur acht Geistliche; sie sollten nun das ganze Gebiet betreuen.

Damit diesen seelsorglichen Hilfen aber auch nicht einmal der Schein eines Germani-sierungsbestrebens anhafte, wurde vom Bischof den Seelsorgern verboten, in deutscher Sprache zu predigen. Deshalb wurden. Predigten in slowenischer Sprache ausgearbeitet, die von den Mesnern dem Volke vorgelesen wurden. Als nach längeren Verhandlungen auch slowenische Priester dieses Gebietes wieder die Freiheit erlangten, wurden sie von der Diözese Gurk gleich wie die Diözesanpriester besoldet. Damit aber nicht der Gedanke aufkommen konnte, die Diözese Gurk wolle sich dieses Gebietes bemächtigen, wurden dort, obwohl die Geistlichen von der Diözese Gurk besoldet wurden, keine Kirchenbeiträge eingehoben. Dem Bischof lag es nur am Herzen, daß die wenigen zurückgebliebenen slowenischen Priester und die deutschen Geistlichen, die aus der Diözese Gurk entsandt wurden, die hartgeprüften Gläubigen in ihren Leiden aufrichteten. Manche von diesen Seelsorgern haben heroische Opfer im Sinne des Bischofs gebracht, der trotz der Partisanenkämpfe die Gefahr nicht scheute, in dieses Gebiet zu gehen, das Sakrament der Firmung zu spenden und die Gläubigen zu trösten.

Bei der widerrechtlichen Aussiedlung der Slowenen aus Kärnten war es wieder Bischof Rohracher, der unerschrocken an alle höchsten Stellen des Reiches Eingaben machte, In denen er gegen dieses Unrecht in ganz klarer und offener Sprache Stellung nahm, wie es sonst wohl niemand gewagt hat. Er

scheute sich trotz der Gefahr einer Verhaftung nicht, für das Recht einzutreten.

Wenn ich diese Seite des bischöflichen Wirkens ausführlicher darstelle, so auch deshalb, weil es leider Kreise gibt, die den damaligen Gurker Oberhirten der Verletzung der nationalen Rechte bezichtigen.

Es gab in der Diözese Gurk kein Kloster, das die Verbindung mit dem Bischof aufnahm, das er nicht in dieser Zeit wie ein Vater geschützt hätte, auch wenn es Vorsprachen und Reisen bis Berlin bedurft hat. Sein Bekennermut reiht den Jubilar in die Zahl der Bekennerbischöfe jener Zeit.

Als der Kapitularvikar vom Salzburger Metropolitankapitel zum Fürsterzbischof von Salzburg gewählt worden war, versorgte er in apostolischem Eifer die Diözese Gurk als Päpstlicher Administrator noch zwei Jahre mit, oft unter Lebensgefahr, wenn die Bahn und die Bahnhöfe von Salzburg bis Klagenfurt den Bombardierungen ausgesetzt waren. Am 3. August 1945 übergab er dem Schreiber dieser Zeilen die Leitung der Diözese Gurk und erteilte ihm die Bischofsweihe. In einem herzlich gehaltenen Hirtenbriefe nahm Erzbischof Dr. Rohracher Abschied von Klerus und Volk der Diözese Gurk.

Das vom verehrten Jubilar geleistete umfassende religiöse Aufbauwerk in Salzburg in den Jahren von 1943 bis heute liegt vielmehr im Blickfelde der Öffentlichkeit als jenes in Kärnten. Es ist äußerlich sichtbar gekennzeichnet durch den unter größten Opfern und Mühen in schwerster Zeit durchgeführten Wiederaufbau der von Bomlben zerstörten Kuppel des Salzburger Domes, der glücklichen Erneuerung von dessen Innenraum, die Schöpfung der Domkrypta und der drei neuen Damtore in Bronze, femer durch den Bau von 18 Kirchen in der Erzdiözese, Erwerbung der Schlösser Goldegg und Lichtenau, des Berg-

heimes in Obertauern sowie des Berghotels Wisenegg für die Jugend- und Erwachsenenbildung und für den kirchlichen Erholungsdienst. Seine tatkräftige Obsorge ließ Erzbischof Dr. Rohracher dem Borromäuswerk als der Zentrale des katholischen Büchereiwesens in Österreich angadeihen und schuf einen Mittelpunkt des katholischen Geisteslebens durch die Eröffnung des „Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften“ auf der Edmundsburg.

Hand in Hand mit diesen äußerlich sichtbaren Schöpfungen ging die unermüdliche pastoral-karitaMve Tätigkeit des ' Jubilars. Wieviel Not konnte Erzbischof Rohnaeher in den harten Jahren vor Kriegsende und darnach lindern! Vorher war es die Not der vom damaligen Regime Benachteiligten und Ver-

folgten, darnach waren es die Tausende von Flüchtlingen, Hungernden und durch den Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes Betroffenen. Der Steuerung dieser Nachkriegsnot diente die Mitbegründung des „Sozialen Friedenswerkes“ im Geiste der Versöhnung und des Verzeihen. Schon 1945/46 erfolgte die Neubelebung der Katholischen Aktion, die 1961 ain eigenes Diözesanhaus erhielt. 1946 wurde das Kirchenblatt „Ruperti-bote“ gegründet. 1948 und 1958 hielt der Erzbischof die für die gesamte Seelsorge der Erzdiözese wegweisenden Diözesansynoden ab. 1961 gelang ihm die Lösung der seit 160 Jahren schwebenden „Salzburger Frage“ im Rahmen des Vermögensvertrages zwischen Kirche und Staat in Österreich. Erst dadurch kann der Erzbischof der ehrwürdigsten Me-

tropole Österreichs in kircheneigenem Hause wohnen.

Erzbischof Dr. Andreas Rohracher ist als Bischof und Priester in einer Zeit gestanden, in der Stürme aller Art und Intensität das Schiff der katholischen Kirche Österreichs umbrandeten. Auf tiefem Glauben, aus priesterlich sorgender Liebe, gestützt auf eine umfassende Bildung und mit der in vertrauensvollem Gebete erflehten Gnade Gottes hat der Jubilar den Hirtenstab der ihm anvertrauten Kirchen mutig, hingebend und treu geführt. Die Salzburger und die Gurker Diözesanen wie alle in Österreich und darüber hinaus, für die das Wirken Erzbischofs Dr. Rohrachers Vorbild, Hilfe und Weg-waisung war. werden am 25. Mai in aufrichtiger Dankbarkeit seiner gedenken.

1000 Jahre hindurch, von der Erhebung Salzburgs zum Erzbistum (798) bis zur Säkularisation (1803), war der Salzburger Metropolit und Diözesanordinariius auch weltlicher Herr eines Gebietes, das, wenn auch wesentlich kleiner als sein Kirchengebiet, dennoch einen bedeutenden Komplex von Herrschaften, Ländern und Gerichten umfaßte. Aus ihnen entwickelte sich im späteren Mittelalter das „Land“ des Erzstiftes, ein Vorgang, an dem die erzbischof liehen Landesherren und die Lanidstände beteiligt sind. Schließlich wird der Erzbischof von Salzburg, geborener Legat des Apostolischen Stuhles, au einem reichisunmittellbaren Fürsten des Heiligen Römischen Reiches und Primas Germaniae.

In einer völlig veränderten Situation sehen wir Land und Erzbischof nach den Wirren

der Napoleonischen Kriege, der Säkularisation, den wiederholten staatsrechtlichen Veränderungen vom Beginn des 19. Jahrhunderts und nach seiner endgültigen Eingliederung in den Verband Österreichs (1816). Salzburg hatte seine Selbständigkeit verloren, war ein kleiner Kreis des Landes Oberösterreich geworden, ohne Bischof, ohne Bistum. Erst 1823 wurde der nun auf den geistlichen Bereich beschränkte Erzbischof Augustin Gruber ernannt; 1825 wurden Erzbistum und Kirchenprovinz kanonisch neu errichtet. Aber die erneuerte Salzburger Kirche entfaltete eine überaus segensreiche Tätigkeit. In diesen Jahrzehnten trägt die Salzburger Kirche wesentlich zu einer neuen Selbstflndung Salzburgs bei. Unter sehr wesentlicher Mitwirkung der Kirche kommt es, über die Macht

der faktisch gegebenen Verhältnisse hinaut, nun zu einer auch geistigen Integnierung Salzburgs in Österreich und zur Herausfor-miung eines neuen, eigentümlichen und eigenständigen Salzburger Landesbewußtseins, das mit großer Kraft sich schon 1848/49 zu Wort meldet. Seit 1861 gibt es wieder ein selbständiges Land Salzburg mit einem eigenen Landtag, zu dessen hervorragenden Mitgliedern lange Zeit auch der Erzbischof von Salzburg gehörte.

Das hohe Ansehen der Salzburger Kirche und ihres Erzbischofs strahlte auch auf das Land Salzburg zurück, das sich durch die einzigartige Kulturleistung der Salzburger Festspiele, die auch von den Erzbischöfen maßgeblich gefördert wurden, und durch die Erschließung seiner Alpenübergänge und seiner Wasserkräfte bald eine bedeutende Position und Ansehen über Österreich hinaus in der Welt erringen konnte.

In einer schweren Notzeit kam im Jahre 1943 Erzbischof Dr. Andreas Rohracher nach Salzburg. Seine Persönlichkeit hat nicht nur das geistliche Leben in der Erzdiözese mitgeprägt, sondern auch in den öffentlichen Raum hineingewirkt. Die Wiedererrichtung das zerstörten Domes ist ihm zu verdanken. In vielen seit 1945 erneuerten oder neu erbauten Kirchen wird das Lob Gottes gefeiert. In dem Bestreben, das Antlitz der Stadt Salzburg als einer altehrwürdigen Bischofsstadt zu erhalten, bat der Erzbischof die Salzburger Hochschulwochen und das Internationale Forschungszentrum auf der Edmundaburg immer entscheidender gefördert; er hat aber auch als Mitglied des GründungskU'ratoniiums in hervorragender Stelle an der Wiedererrichtung der neuen Salzburger Universität mitgearbeitet. Durch seine oft aufsehenerregenden Erklärungen und Stellungnahmen hat er dazu beigetragen, eine Konzeption von der Freiheit des Einzelmenschen in seiner Familie, in Gemeinde und Berufsgemeinschaft, in Heimatland und Vaterland zu entwickeln, die jenem Sub-sidiaritätsprinzip entspricht, aus dem heraus das Land Salzburg gemeinsam mit den anderen Bundesländern Freiheit und volle Entfaltungsmöglichkeit im Verband das Bundesstaates Österreich verlangt. Erzbischof Doktor Andreas Rohracher ist aber auch mutig als einer der ersten nach dem Wiedererstehen unseres Vaterlandes für Gerechtigkeit, aber auch Versöhnlichkeit gegenüber den ohne persönliche Schuld politisch Irregegangenen und für die, die in Österreich ihre neue, oft auch alte Heimat wieder finden mußten, eingetreten. Schließlich ist es dem Erzbischof gelungen, die seit der Säkularisation des alten Erzstiftes noch offene Lösung der Salzburger Dotationsfrage herbeizuführen, womit ein altes Unrecht gutgemacht worden ist. Die Lösung dieses Problems ist auch für das Land Salzburg eine echte Genugtuung, ein Beitrag zu einer harmonischen Beziehung zwischen Land und Erzbistum Salzburg, zwischen Staat und Kirche in Österreich.

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