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Das österreichische Buch 1945-1950

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Der Verband der österreichischen Buch-, Kunst-, Musikalien-, Zeitungs- und Zeitschriftenhändler gibt seit 1945 die „österreichische Nationalbibliographie“ heraus, in der alle in- und außerhalb des Buchhandels erscheinenden Druckwerke erfaßt werden. Diese Bibliographie wird von der Nationalbibliothek in vorbildlicher Weise bearbeitet. Im vergangenen Jahr wurde sie zum erstenmal statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse, die das Material von Mai 1945 bis 30. September 1950 umfassen, liegen jetzt vor. Dem Buch als Barometer der Wechselbeziehungen zwischen Kultur und Wirtschaft kommt von jeher eine besondere Bedeutung zu; gewiß unter dem Vorbehalt der beschränkten Richtigkeit jeder Statistik. Die „österreichische Nationalbibliographie“ geht auf Vollständigkeit aus, doch gerade in den ersten zwei Jahren nach dem zweiten Weltkrieg gab es der Fehlerquellen mehr als in „normalen“ Zeiten. Die Ursache ist in dem wirtschaftlichen Nachkriegschaos zu suchen, das dem Buchhandel viele Berufsfremde, Dilettanten und Konjunkturritter bescherte. So konnten manche Veröffentlichungen überhaupt nicht und andere nur ohne Preis erfaßt werden. Die Verhältnisse haben sich heute gefestigt; Spekulanten im Verlagswesen sind wieder von der Bühne abgetreten. 246 Buchverlage. 6 Modeverlage, 4 Adreßbuch- und 23 Musikalienverlage sind heute übriggeblieben. Die österreichische Buchproduktion steht im gesamtdeutschen Raum in scharfer Konkurrenz mit der reichen traditionellen Produktion der Deutschen Bundesrepublik und der seit dem zweiten Weltkrieg unverhältnismäßig angestiegenen Produktion der Schweiz. Das österreichische Buch kann sich als literarisches Erzeugnis in der drucktechnischen Ausstattung wie auch in der Preislage behaupten. Der österreichische Buchexport nach Westdeutschland betrug 1950 über sechs Millionen Mark. Er wies zu Beginn 1951 eine steigende Tendenz auf. Die Sonderregelung im neuen Handelsvertrag und das Abkommen des Verlegerverbandes mit der Nationalbank, die unseren Ex- und Import an Büchern praktisch in das Verhältnis 1 : 1 gebracht haben, ließ ein weiteres Ansteigen des Buchexports erwarten. 1949 wurden insgesamt über die Außenhandelsstelle Wien Bücher und Zeitschriften für 25 Millionen Schilling exportiert, 1950 bereits für 50 Millionen. Diese Summen sind gewiß in der Handelsbilanz keine tragfähige Posten. Als Boten und Zeugen für die kulturelle Bedeutung Österreichs innerhalb der europäischen Völkerfamilie haben sie aber ihr Gewicht. Die deutsche Importlizenzsperre vom Februar 1951 hat nun den österreichischen Verlagen, die nur im gesamtdeutschen Raum wirtschaften können, einen schweren Schlag versetzt. Die Buchhändlerverbände Westdeutschlands, Österreichs und der Schweiz haben sich vor kurzem direkt an den OEEC in Paris gewendet, um bei den Planfondausschreibungen für Bücher eine eigene Gruppe zu fordern, da unter der Gruppe für „unverarbeitetes und verarbeitetes Papier“ das Buch zu kurz kommen muß. Das nachstehende Telegramm nach Paris beleuchtet eindeutig die Situation:

„Ersuchen unter Berufung auf UNESCOKonvention Buch- und Zeitschrift unbedingt

libeialisiert zu belassen, da andernfalls der Schaden für die Fortentwicklung der internationalen kulturellen Beziehungen ungleich größer* 6ein wird als der Vorteil durch eine Ersparnis an Devisen, deren Bedarfehöhe auf diesem Sektor im Handelsverkehr mit allen OEEC-Ländern immer nur eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle 6pielt.“

Dem österreichischen Buch sind noch viele wirtschaftliche Grenzen gesetzt, ganz abgesehen von den Vorhängen, die vor Ostdeutschland und den Volksdemokratien herabgelassen sind. Nur in ganz beschränktem Umfang findet ein Verkehr mit Ostdeutschland über den KP-Verlag Globus, Wien, statt, freilich nur für „auserwählte“ Werke.

weist zunächst die Höchstziffer für das Jahr 1948 aus. Von da ab ist ein langsames stetes Absinken eingetreten.

Die zweithöchste Produktivität entfaltet sich in dem Zeitraum von 1945 bis 1950 für die .Schöne Literatur“. Von ihren 2944 Einzelwerken (ohne Periodica), die in der Zeit von 1945 bis 1950 erschienen sind, haben 2599 einen Umfang über und 345 unter 48 Seiten. Die dritte Gruppe, „Religion, Theolog i e“, weist wieder eine große Zahl von Kleinschriften auf: 536 bis 48 Seiten,

Die Buchpreise sind der Preisentwicklung ähnlicher Warengattungen gefolgt. Es ist jedoch festzustellen, daß die Buchpreise heute den Index 5 aufweisen, gegenüber dem Index 7 der Lebenshaltungskosten und 9 bei Industrieprodukten (verglichen mit Ende 1937). Das Buch ist also, objektiv gesehen, billiger als die meisten anderen „Waren“. Das Einkommen des Bücherkäufers, des geistigen Arbeiters, bleibt allerdings noch weit hinter dem Fünffachen des Einkommens von 1937 zurück.

Hier seien einige Werke der belletristischen Sparte und ihre Preise 1937 und 1951 aus verschiedenen Verlagen gegenübergestellt, die in unveränderter Neuauflage erschienen sind. Der Index liegt hier nur zwischen 3 und 4:

aber immerhin noch 530 darüber. Es folgen .Geschichte, Volkskunde“ mit insgesamt 920 Werken, davon 144 unter und 776 über 48 Seiten; „Jugendschriften“ mit. insgesamt 881 Werken, davon 341 unter . und 540 über 48 Seiten; „Recht und Verwaltung“ mit 822 Werken, davon 188 unter und 634 über 48 Seiten. Interessant ist

Nimmt man als Durchschnittsauflagenhöhe beim belletristischen Buch 3000, bei Jugendschriften 4000, bei Religion und Theologie 2000 an, so sind 1945 bis 1950

an Belletristik 8,832.000 Bände

an Jugendbüchern 3,524.000 . an relig.-theol. Büchern 2,132.000 ,

gedruckt worden.

Übersetzungen erschienen vor allem innerhalb der „Schönen Literatur“ und der Jugendschriften. Aus der englischen Literatur waren es, 1945 bis 1950, 237 belletristische und 73 Bücher für die Jugend. In weitem Abstand folgen Ubersetzungen aus der französischen, russischen, ungarischen, italienischen und aus anderen Literaturen. Der Anteil fremder Literatur innerhalb der Belletristik steigt von 1945 bis 1950 fast auf das Vierfache. (1945 = 7 Prozent, 1946 = 11,6 Prozent, 1947 = 15 Prozent, 1948 = 14,7 Prozent, 1949 = 18,5 Prozent, 1950 = 25 Prozent.)

Noch eine kurze Betrachtung der erschienenen Literatur: Die Sparte „H u m o r“, die noch vor dem Krieg in den buchhändlerischen Gesamtkatalogen eine eigene Gruppe bildete, scheint in der „österreichischen Bücherschau“, die der Buchhändlerverband jährlich zur Weihnachtssaison in 150.000 Exemplaren herausgibt, überhaupt nicht mehr auf. Die Zahl der humoristischen Bücher von Belang ist ganz gering. Außer den bodenständigen Humoristen Resl, Panzenbeck finden wir noch die Altösterreicher R. v. Eichthal und Roda-Roda, während Heinrich Spoerl und Erich Kästner in Lizenzausgaben vorhanden sind und Eugen Roth, Peter Bamm und andere importiert werden müssen. Auch das Schrifttum der jungen Generation ist nur wenig ver-t r e t en. Der Verleger sieht — eine Folge der wirtschaftlichen Verhältnisse — zuerst auf Augenblickserfolge und kann sich eine verlegerische Planung auf weite Sicht. in den unruhevollen Zeiten nicht leisten. In allem herrscht die „Flucht in die Vergangenheit“. Diese Tatsache ist ganz besonders im österreichischen Verlagsschaffen festzustellen. Die geistige und wirtschaftliche Lage auf dem österreichischen Buchmarkt hängt naturgemäß mit der allgemeinen „Kulturkrise“ — um das vielgebrauchte Schlagwort nochmals zu gebrauchen — zusammen. Sie ist eine allgemeine Krise des Geistes, die ganz Europa erfaßt hat.

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