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Das Opus magnum ist vollendet

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DIE MUSIK IN GESCHICHTE UND GEGENWART (MGG). Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher herausgegeben von Friedrich Blume, Band 14 (Vollerthun — Zyganow). Bärenreiter-Verlag, Kassel - Basel - Pari* - London - New York, 1968. 1544 Spalten Text, 86 Seiten Nachwort und zahlreiche Abbildungen, Notenbeispiele usw.

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DIE MUSIK IN GESCHICHTE UND GEGENWART (MGG). Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher herausgegeben von Friedrich Blume, Band 14 (Vollerthun — Zyganow). Bärenreiter-Verlag, Kassel - Basel - Pari* - London - New York, 1968. 1544 Spalten Text, 86 Seiten Nachwort und zahlreiche Abbildungen, Notenbeispiele usw.

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Mit dem 14. und letzten Band ist die erste große deutschsprachige Musikenzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ abgeschlossen. Als im April 1949 die erste Lieferung und etwa zwei Jahre später der erste Band erschien, mögen manchem Zweifel aufgestiegen sein, ob ein auf so breiter Basis angelegtes Werk mit so hohem wissenschaftlichen Anspruch je vollendet würde. Denn damals war es, nicht nur in Deutschland, noch ein Problem, holzfreies Papier aufzutreiben. Die Idee zu dem umfassenden Unternehmen hatte der Leiter des Bären- reiter-Varlages, Karl Vötterle. Sie geht auf das Jahr 1942 zurück, als er zum erstenmal dem Universitätsprofessor Dr. Friedrich Blume seinen Plan vortrug, den er — wie Vötterle jetzt bekennt — damals für den einzigen Deutschen gehalten habe, der imstande wäre, dieses Großprojekt : wissenschaftlich zu realisieren. In den letzten Kriegsj ahren konnten nur Vorarbeiten geleistet werden, die : infolge von Kriegseinwirkungen im Musikwissenschaftlichen Seminar der Universtität Kiel größtenteils . vernichtet wurden. In der zweiten Märzwoche des Jahres 1945 fiel der ‘ Verlag einem Bombenangriff zum ; Opfer. Aber Dr. Vötterle gab nicht auf.

Von Anfang an waren sich der Verleger und der verantwortliche (alleinverantwortliche!) Herausgeber i darüber im klaren, daß ein solches : Werk, das umfangreichste und fun- ( dierteste auf dem Gebiet der Musik- i Wissenschaft, nur auf breiter inter- : nationaler Ebene zu realisieren wäre. Durch Reisen in die Schweiz, nach ; Italien und nach England wurden : die ersten AusJandsbeziehungen auf- i genommen. Allmählich, allmählich, , von Band zu Band sich erweiternd, ; fand sich ein Mitarbeiterstab von ] mehreren 100 Gelehrten, Musikwis- j senschaftlern, Experten und Spezia- i listen zusammen, wie es ihn in der ; Welt noch nie und nirgends gegeben hat. Der Anteil ausländischer Auto- , ren betrug in den Jahren 1949 bis . 1951 35 Prozent, 1958 (Band 7) , 53 Prozent und 1965 (Band P) , 60 Pfbzent. StbJaliy Jiiabem ‘sMh’ für die Idee begeistert, die den Verleger , und den Herausgeber zu ihrem t Unternehmen ermutigten:, „Die Gesamtheit des musikalischen 1 Wissens zusammenfassend darzu- 1 stellen, ist eine Aufgabe, die sich 1 von Zeit zu Zeit der Forschung aufdrängt. Diese Gesamtheit oder auch i nur den vollen Umfang eines Teil- i gebietes zu überschauen, vermag heute wohl niemand mehr … Nach einer Periode, die den Weltzusammenhang der Musikforschung zertrümmert, die Zusammenarbeit der Spezialisten zersplittert und in einigen Völkern die Musikwissenschaft an den Rand des Zusammenbruchs gedrängt hat, lag der Gedanke, eine Zusammenfassung des Gesamtwissens über und um die Musik in enzyklopädischer Form vorzulegen, in der Luft.“

So schrieb Friedrich Blume damals. Und heute? „Enzyklopädische Darstellung, enzyklopädische Sammlung von Wissensstoff stehen 20 Jahre später (1968) nicht eben hoch im Kurs“, heißt es im Nachwort zu Band 14 Die Gründe hierfür sind von verschiedener Art und bekannt. Aber eine solche Enzyklopädie will ja, im Unterschied zur großen französischen des 18. Jahrhunderts (Voltaire, d’Alembert und andere), keine synthetische Durchdringung des Gesamtstoffes von zentralen Fragestellungen her, sondern sie erstrebt eine umfassende Gesamtaufnahme des jetzt und heute erforschten und erforschbaren Materials, und als solche ist sie Von unschätzbarem Wert. Zumal man das Gefühl hat, daß sie die letzte in dieser Art und in diesem Umfang ist…

In einem ausführlichen Nachwort zum letzten Band legt der Herausgeber Rechenschaft über seine Arbeit, seine Methoden — und die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren. — Er bekennt sich dankbar zu allen benutzten Quellen, speziell zu früheren Versuchen auf diesem Gebiet in verschiedenen Sprachen, erläutert sein „Auswahlprinzip“, wonach sich als Grundplan eine Sach-, Orts- und Personenenzyklopädie ergab, die alle Zeiten und Zonen umfaßt und sich auf alles erstreckt, was, einem Lieblingswort Max Seifferts zufolge, nach Musik riecht. (Hiervon möge die anschließende Besprechung des 14. Bandes eine Vorstellung geben.) So nebenbei bemerkt Professor Blume, daß jeder Beitrag (der Band zu 1536 Spalten Text berechnet) von ihm persönlich gelesen wurde, auch die Übersetzungen, und auch die Korrekturen. Unvorstellbar!

Nur etwa 10 bis 15 Prozent aller eingelangten Artikel blieb von Kürzungen und Korrekturen verschont. Wegen der übrigen mußte natürlich AUtoim}ükocrespondierlf werden. Und wer die, Fachleuchte, um die es sich hier handelt, kennt, mag sich ein Bild, ein ungefähres wenigstens, von der geleisteten Arbeit machen. Und dann die Termine. Und die Illustrationen usw., usw.

Der Verleger seinerseits; konnte in seinem Nachwort die lapidare Feststellung treffen, daß er, von einer bescheidenen Starthilfe abgesehen, die Kosten des gesamten Unternehmens ganz allein getragen hat. Es fanden sich genügend Subskribenten. Das spricht für unsere Zeit, für die Musiker in aller Welt, die, auch heute noch, ein Empfinden für den Kosmos der Musik haben und daran teilnehmen wollen.

Der letzte, 14. Band (Voll bis Z) umfaßt 1544 Spalten und, wie die an dieser Stelle besprochenen früheren Bände, zahlreiche Illustrationen, Bildtafeln, Notenbeispiele usw. Er enthält die Monographien von Warschau, Weimar, Westafrika, Wien (600 bis 626 von H. F. Redlich) und anderen Städten und Ländern. Einer der umfangreichsten Beiträge ist natürlich der Familie Wagner gewidmet (88. bis 130. Spalte) und hat C. von Westernhagen zum Autor. Ein hervorragender Beitrag ist der über den musikalischen Vortrag von Siegele, ebenso der monographische über Hugo Wolf (766 bis 796 von E. Nick). Die meiste Kleinarbeit steckt wohl in den von Imogen Fel- linger erarbeiteten Spalten 1041 bis 1188 „Zeitschriften“, eine Übersicht, die von der „Nachricht von dei Societät der musikalischen Wissenschaften“, Leipzig 1746, bis zu den „Gravesaner Blättern“ Hermann Scherchens reicht. Unter den Komponistenporträts (Vollerthun, Wil- laert, Josef Wöss, Erik Werba, Walton, Weber und Webern, Weinberg Weinberger und Weiner, Weissmann, Wellesz und Friedrich Wiildgans) finden sich auch einige Österreicher Einer der letzten Beiträge, sehr ausführlich und sachlich-gründlich, is1 der Zwölftonmusik und der seriellen Musik gewidmet (1522 bis 1539, von Stephan). Daneben kommen aber auch die Zither und andere Zupfinstrumente zu ihrem Recht. Dem Artikel über das Zisterzienserstifl Zwettl sind zwei prächtige Aufnahmen beigegeben. Und der allerallerletzte Beitrag erinnert an Dimitri Michailowitsch Zyganow. der seit 1923 als Primarius des Moskauer Staatlichen Beethoven- Quartetts tätig ist.

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