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Das osterreichische Patentamt

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Die aus Moskau vorliegenden Nachrichten lassen um das künftige Schicksal des österreichisdien Patentamtes befürchten, eines Instituts von anerkanntem internationalem Rang, das dem Rechtschutz des Eigentums des schöpferischen Denkers und der Ehrbarkeit im wirtschaftlichen Wettbewerb dient. Einem Lande der Erfinder, wie es Österreich ist, den Erfindungsschutz mindern zu wollen, würde für unser Land eine, schwere wirtschaftliche Schädigung und eine Verweigerung der wirtschaftlichen Gleichberechtigung bedeuten. Die Bedeutung des Besitzes, um den es hier geht, sei klargestellt. „Die Furche“

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Die aus Moskau vorliegenden Nachrichten lassen um das künftige Schicksal des österreichisdien Patentamtes befürchten, eines Instituts von anerkanntem internationalem Rang, das dem Rechtschutz des Eigentums des schöpferischen Denkers und der Ehrbarkeit im wirtschaftlichen Wettbewerb dient. Einem Lande der Erfinder, wie es Österreich ist, den Erfindungsschutz mindern zu wollen, würde für unser Land eine, schwere wirtschaftliche Schädigung und eine Verweigerung der wirtschaftlichen Gleichberechtigung bedeuten. Die Bedeutung des Besitzes, um den es hier geht, sei klargestellt. „Die Furche“

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Dieses Amt, dem die' Patent- und Markenverwaltung obliegt, war während der deutschen Besetzung Österreichs ganz aufgelöst worden. Sofort nach der Befreiung Österreichs wurden alle Anstrengungen gemacht, dieses Amt wieder zu errichten, da es für österreidis Industrie und Wirtschaft und für Österreichs internationale Geltung von “größter Bedeutung war.

Dies verdankt das österreichische Patentamt vor allem der Vorprüfung der zum Patentschutz eingereiditen Erfindungen auf Neuheit und Patentierbarkeit. Diese Vorprüfung ist sehr gründlidi durdigeführt worden, so daß die Industrie mit großer Zuversidn damit rechnen konnte, daß die Patente rechtsbeständig und daher die zur Ausnützung der Erfindung verwendeten Kapitalien nidn vergeblidi aufgewendet sind. Mit der Vorprüfung ist das Aufgebots- und Einsprudiverfahren verbunden, das heißt die angemeldeten Erfindungen werden, wenn die Vorprüfung günstig verlaufen ist, in der Auslegehalle des Patentamtes zu jedermanns Einsicht ausgelegt, so daß noch die Industrie und die Erfinderschaft kontrollieren können, ob es sich um neue und patentierbare Erfindungen handelt. Dieses System zwingt die Industrie, sich über die technischen Neuerungen stets auf dem laufenden zu halten. In erster Linie hat natürlich das Patentamt durch seine Prüfer den Überblick über alle Fortschritte auf den verschiedenen technischen Gebieten.dankt das österreichi-che _ Patentamt auch seine Anziehungskraft auf die Anmelder aus fremden Ländern. Durchsdinittlida die Hälfte aller österreichisdien Anmeldungen vor 1938 waren ausländischen Ursprungs. Dadurch wird die österreichische Industrie audi über den letzten Stand der Technik im Ausland unterrichtet.' Ferner profitiert Österreich an den fremden Patentanmeldungen Gebühren, aber auch' eine günstige Behandlung ausländischer Patente österreichisdien Ursprungs. Diese sind für die österreichische Wirtschaft außerordentlich wichtig, weil sie durch ihre Verwertung Geld ins Land bringen. Die gute Vorprüfung und eine gewissenhafte Behandlung aller auf diesem Rechtsgebiet sich ergebenden zwischenstaatlichen Fragen brachte es mit sich, daß Österreich auf allen internationalen Fachkongressen eine hervorragende Rolle spielte.

Dem Patentamt obliegt aher nicht nur das Patenterteilungsverfahren, sondern auch die Entscheidung von Anträgen auf Nichtigerklärung, Rücknahme und Aberkennung eines Patents, auf Einräumung von Zwangslizenzen, die Entscheidung über Feststellungsanträge usw. Patenteingriffsklagcn gehören nicht vor das Patentamt, sondern vor die ordentlichen Gerichte.

Entsprechend seinem großen Wirkungskreis hatte das Patentamt in Friedenszeiten einen Personalstand von durchschnittlich 170 Beamten, darunter mindestens 70 Ingenieure und 10 Juristen. Es hat sich, von den Zeiten der Inflation abgesehen, immer allein erhalten und sogar namhafte Überschüsse an den Staat abgeliefert, bis zu 1,500.000 S im Jahr. Die große Anzahl der Patentanmeldungen und Patente brachte nämlich erhebliche Gebühren ein. Die Gesamtzahl der Patentanmeldungen eines Jahres belief sich in Zeiten geschäftlidier Konjunktur auf über 8000 die Zahl der jeweils aufrechten Patente auf 1 7.0 00 his 1 9.0 0 0.

Dieser große Erfolg des Amtes war nur dadurch möglich, daß seine Bibliothek wirklich das gesamte technisdie Schrifttum der ganzen Welt 9nd. auch alle einschlägigen rechtlichen Publikationen umfaßt. Diese Bestände, zu welchen die Patentschriften aller Staaten gehören, machen mehr als 160.000 Bände aus und sind in der allgemein zugänglichen Bibliothek des Patentamtes vereinigt. Duplikate der Patentschriften und der technischen Fachzeitschriften machen das sogenannte Vorprüfermaterial aus. An der Hand desselben stellt der Vorprüfer die Neuheit oder Nichtneuheit einer angemeldeten Erfindung fest. Nach der Auflösung des Patentamtes durch Nazi-Deutschland war das Vorprüfermaterial lange Zeit Gegenstand von Verkaufsverhandlungen an das Ausland, denn mandie Staaten möchten sich eine Vorprüfung einrichten, wenn es nur so leicht möglich wäre, sidi das Vorprüfermaterial zu beschaffen und überhaupt einen zur richtigen Vorprüfung geeigneten Apparat aufzustellen. Diese Verkaufsverhandlungen wurden von Deutschland abgebrochen, als es infolge der Bombenangriffe auf das Berliner Patentamt ratsam war, sich das österreichische Vorprüfermaterial in der Reserve zu halten. Die Bestände der Bibliothek waren bis nach Kriegsende in die Weinkeller der Stadt Retz eingelagert. Mit Hilfe der technisdien Abteilung des russischen Hauptquartiers gelang es, alle Bücher und Schriften in das neue Amtsgebäude, Wien, I., Kohlmarkt 8—10, zu überführen. Aber es war noch notwendig, dieses Material, in dem die Patentsdiritten vieler Länder und die Fachschriften der letzten Z$it fehlten, zu ergänzen. In dieser Richtung ist das Patentamt der Rechtsabteilung den amerikanischen Besatzungstruppen zu großem Dank verpflichtet, weil es durch sie möglich war, die amerikanischen Patentschriften zu bekommen. Mit der Zeit liefen auch wieder die englischen Patentschriften ein, es folgten die Patentschriften der Sdiweiz, Schwedens, Norwegens, Kanadas, Frankreidis usw. Durch britische Mithilfe gelang es auch, die in den letzten Jahren ersdiienenen ' Fachschriften der westlichen Länder zu bekommen, und so war es möglich, mit der Vorprüfung bereits wieder zu beginnen

Seit dem 13. August 194 5, dem Tage der Eröffß'ung der Einlaufstellc für Patentanmeldungen, sind zirka 9 0 0 0 Patentanmeldungen eingelangt und 4000 wurden bereits der Vorprüfung unterzogen. Diese führt allerdings derzeit nur zu einer Information der Anmelder über die Aussichten der Patenterteilung. Erst wenn das dem Nationalrat vorliegende Parcnt-sdiutz-Übeileitungsgesetz in Kraft treten wird, kann mit der Erteilung und Versagung von Patenten vorgegangen werden. Dieses Patentsdiutz-Überleitungsgesetz bringt das alte österreichische Patentgesetz nahezu unverändert zur Wiedereinführung und sieht ein neues Patentregister vor, in das nur bestimmte Kategorien der jetzt in österreidi kraft der deutsdien Vorschriften noch geltenden Patente zur Eintragung kommen werden, vorausgesetzt, daß die vorgeschriebenen Anträge fristgerecht einlangen. Diese Eintragungen werden unter Wahrung des alten Ranges erfolgen. Dasselbe gilt von Patentanmeldungen, die vorr^ Berliner Reichspatentamt noch nicht erledigt worden sind und die beim öster-reiciiisdien Patentamt wiederholt werden können. Auch die Umwandlung deutscher Gebrauchsmuster in österreichische Patent ist vorgesehen. Schließlich sind Vorsorgen getroffen, daß Ausländer, die durdi die Besetzung und den Krieg an der Wahrung ihrer Rechte verhindert waren, diese unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit nunmehr wieder geltend machen* können. Das Patentamt wird daher in der nächsten Zeit mit einer großen Arbeit zu rechnen haben. Um nun den bedeutenden Einlauf auf längere Zeit zu verteilen, sollen die derzeit unregistriert bestehenden Patente in das neue Patentregister nur gruppenweise Aufnahme finden. Eine Verordnung wird zunächst nur österreichische und nichtdeutsche Patentinhaber zur Antragstellung aufrufen, auch zu dem Zweck, daß dem kommenden Staatsvertrag nicht vorgegriffen werden soll. Denn dieser wird vermutlich bezüglich der Patente deutscher Staatsbürger und Unternehmen eine besondere Regelung enthalten. t

Die zum Patentamt gehörende Schutzmarkenverwaltung war bis zur Besetzung Österreichs durch Nazi-Deutschland in der Weise organisiert, daß die Marken bei den Handelskammern registriert wurden und das Patentamt die ihm von den Kammern gemeldeten Marken auf Gesetzmäßigkeit und Ähnlichkeit zu überprüfen hatte. Das Patentamt führte ein Zentral-markenregister und gab den Zentralmarken-anzeiger heraus. Im Jahre 1924 gab es 2950 Neuregistrierungen, davon 425 von ausländischen Unternehmungen. 1937 kamen 1755 Neuregistrierungen vor, davon 152 von ausländischen Unternehmungen. Die Zahl der am 31. Dezember 1938 gültigen österreichischen Marken betrug 4 5.4 8 0. Nach dem Entwurf zu einem Markenschutz-Überleitungsgesetz, der auch schon dem Nationalrat vorliegt, werden Marken nur beim Patentamt angemeldet, geprüft und in ein Markenregister eingetragen. Seit dem 19. Oktober 1945 werden sdion Markenanmeldungen beim öster-reidiischen Patentamt entgegengenommen. Sie haben derzeit die ansehnliche Zahl von 4400 erreicht und sind zum Teil auch schon auf Gesetzmäßigkeit vorgeprüft. Das . Markenschutz-Überleitungsgesetz sieht ein neues Markenregister vor, in das audi gewisse Kategorien von Marken einzutragen sein werden, die nach den deutschen Vorschriften jetzt noch in Österreich gelten. Dem Patentamt wird aber auch in Markensachen nicht nur das eigentlidie F.intra-gungsverfahren obliegen', sondern auch die Entsdieidung über Löschungs- und Feststellungsanträge. Die Verfolgung von Markeneingriffen gehört nicht vor das Patentamt, sondern vor die ordentlichen Gerichte.

Die Wiederaufrichtung des Patent- und Markenwesens madit es notwendig, Österreichs Mitgliedschaft zu zwei wichtigen zwischenstaatlidien Verträgen zu erneuern. Es handelt sich' um den Pariser Unionsvertrag und das Madrider Markenabkommen. Durch- den Pariser Vertrag werden öster-reidier bei ihren Patent-, Marken- und Musteranmeldungen im Ausland wieder die Priorität ihrer österreichischen Anmeldungen genießen. Durch das Madrider Markenabkommen kann der österreidiische Unternehmer seine österreichischen Marken auch beim Internationalen Büro in Bern hinterlegen und profitiert dadurch den Schutz in allen Vertragsstaaten. Diese Registrierungen vollziehen sich über das Patentamt. Das Interesse der österreidiischen Wirtschaft an der internationalen Hinterlegung von Marken spiegelt sich deutlich in folgenden Zahlen: im Jahre 1924 sind 5 4 8 österreichische Marken international registriert worden, genau der zehnte Teil der in diesem Jahr aus allen Vertragsstaaten in das internationale' Register des Berner Büros eingetragenen 5487 Marken. Im Jahre 1937 belief sich die Zahl der österreichischen Marken, die international • registriert worden sind, nur auf 147, doch waren in diesem Jahre in Bern aus allen Vertragsstaaten zusammen nur 2905 Marken international registriert worden. In diesen Zahlen drückt sich deutlich die Wirtschaftskrise und das Herannahen der großen politischen Umwälzungen aus, die im Jahre 1938 eintraten.

In Mustersachen blieb es auch während der deutschen Besetzung bei der Registrierung der Muster durch die Handelskammern. Durch eine Mustersdiutzrechtsnovelle wird unter anderem beim Patentamt ein Zentralmusterregister erriditet, um Erhebungen der beteiligten Verkehrskreise nach Mustern zu erleichtern. Es ist bereits mit den Vorarbeiten zu einer großen Reform der Mustersdiutzgesetzgebung begonnen worden, die österreidi auch den Beitritt zum Haager Abkommen, betreffend die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle, ermöglidien wird.

Die Wiederaufrichtung des Patentamtes, das Anlaufen des Betriebes und die gesetzliche Neuordnung haben sohin erfreuliche Fortschritte gemacht. Am Amtssitz Wien, I., Kohlmarkt 8—10, sowie in der Depen-dance, I., Judenplatz 6, die den Marken und Mustersachen gewidmet ist, herrscht reges Leben. Um so befremdender sind Nadirichten, die in der letzten Zeit aus Moskau besagten, daß bei den Staatsvertragsverhandlungen die ^Abschaffung des Vorprüfungs-, Aufgebots- und Einspruchsverfahrens gefordert worden ist. Für Österreich würde dies eine schwere wirtschaftliche Schädigung bedeuten. Auch um die internationale Stellung Österreichs auf diesem Rechtsgebiete wäre es geschehen. Die große Unterstützung, welche das Patentamt bei seiner Wiederaufrichtung insbesondere von russischer, amerikanischer und englischer Seite erfahren hat, läßt aber hoffen, daß dieser von anderer Seite gemachte Vorschlag nicht durchdringt.

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