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Das päpstliche Orientalische Institut

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Die 1552 von* Papst Julius III. mit allen Rechten einer Universität ausgestattete Gre-goriana in Rom erhielt unter Pius XL 1928 noch zwei wissenschaftliche päpstliche Institute unter Wahrung ihrer Autonomie als Fakultäten angegliedert: für moderne Bibelforschung das Bibelinstitut und für die orientalischen Studien das Orientalische Institut. Diese beiden päpstlichen Lehranstalten greifen in ihrer wissenschaftlichen Ausstrahlung durch Vortragskurse, die sich an ein allgemeiner interessiertes Publikum richten, noch über die Pflege der in ihren Mauern betriebenen Forschungs- und Bildungsarbeit unmittelbar hinaus. Das päpstliche Orientalische Institut konnte am 15. Oktober auf seine vor dreißig Jahren erfolgte Gründung durch das Motu Proprio „Orientis Catholici“ Benedikts XV. zurückschauen, ein Anlaß, den Weg und die verzweigte Wirksamkeit desselben zu überschauen.

Papst Benedikt hatte am 1. Mai 1917 durch sein Motu Proprio „Dei Providentis“ unter die päpstlichen Kongregationen die von ihm geschaffene für die Orientalische Kirche aufgenommen, ein Entschluß, dessen weittragende Bedeutung schon daraus hervorging, daß der jeweilige Papst persönlich Präfekt dieser Kongregation ist. Die weitschichtigen Fragenkomplexe der morgenländischen Riten, aber auch die Sorge, die getrennten Kirchen des Orients der Kathedra des Apostelfürsten wieder nahezubringen, sind ebensosehr Motive bei der durch Benedikt XV. vollzogenen Verselbständigung der Kongregation für die orientalische Kirche, die Pius IX. noch unter der Kongregation der Propaganda Fide mit einbegriffen hatte, wie ihr fruchtbringendes Lebenselement. Ihr wichtigster Bundesgenosse bei der Aufgabe, den abendländischen Christen ihre Mission an der Wiedervereinigung mit den von der Mutterkirche getrennten orientalischen Christen geistig und praktisch nahezubringen, ist das päpstliche Orientalische Institut, das als wissenschaftliche Studienanstalt einmal für Priester bestimmt ist, die im Konvikt des hl. Johannes Damascenus wohnen, aber auch für andere Studierende, sowohl Katholiken wie Schismatiker und Protestanten offensteht.

Wer in den letzten Jahrzehnten häufiger Gelegenheit hatte, das Institut auf der Piazza S. Maria Maggiore mit seinen Bibliotheksschätzen von etwa 80.000 Bänden zu besud.en und die rege Teilnahme auch von Mitgliedern der Ostkirchen an den Konferenzen und gelegentlichen Ausstellungen, namentlich von Gemälden russischer Künstler, beobachtete, gewann den Eindruck, daß sich hier aus zahlreichen Gewässern ein ruhig dahinflutender Strom bildet, dessen Bett gewiß die durch Pius XL am 14. September 1922 und dann nochmals in seinem Weltrundsdireiben über die Förderung der Orientkunde vom 8. September 1928 geschaffene vorbildliche Organisation ist.

Während Benedikt XV. ein eigenes Heim für wissenschaftliche Orientkunde hier in Rom stiftete, das „mit allem, was der wissenschaftliche Betrieb heutigentags fordert, ausgerüstet sei und sich auszeichne durch Professoren von allseitiger Erfahrung und von guter Kenntnis des Orients“, wies Pius XI. am 14. September 1922 in seinem Schreiben „Decessor Noster“ den General der Gesellschaft Jesu an, die gesamte Verwaltung des Instituts unter folgenden Voraussetzungen zu übernehmen: „Die Oberleitung des Instituts verbleibt Uns selbst und Unseren Nachfolgern. Sache des Jesuitengenerals ist es, zu den reichlich schweren Aufgaben des Instituts die geeigneten Kräfte, sei es als Direktor, sei es als Professoren, heranzuziehen. Er soll ferner stets diejenigen, die er als Lehrer der verrdiiedenen Disziplinen des Instituts auszusuchen gedenkt, persönlich und durch den Direktor Uns und Unseren Nachfolgern zur Genehmigung vorschlagen sowie schließlich über alles Bericht erstatten, was zur Erhaltung und Entwicklung des Instituts von Belang zu sein scheint.“

Erster Präsident des Instituts war der jetzt in Südfrankreich lebende Bischof Michael d'H e r b i g n y. Ihm folgte seit dem 18. Dezember 1931 P. Emil Her man, ein gebürtiger Aachener, der Professor des orientalischen Kirchenrechts und Direktor des Seminars für dasselbe sowie Herausgeber und Hauptschriftleiter der auf hohem wissenschaftlichem Niveau stehenden „Orientalia Christiana Analecta“ ist. 1931 wurde das päpstliche Orientalische Institut mit der heiligen Kongregation für die Seminarien und Universitäten in der Weise in Verbindung gebracht, daß deren jeweiliger Präfekt — gegenwärtig Kardinal Pizzardo — Großkanzler des Instituts ist, während die Vizekanzlerschaft bei dem General der Gesellschaft Jesu, jetzt P. Johannes Janssen s, liegt. Der Lehrkörper des Instituts besteht augenblicklich aus 28 Professoren, ein Österreicher, P. Andreas G. Wetter S. J., hat den Lehrstuhl für slawische Religionsphilosophie und neuere russische Philosophie inne. Ferner gehören dem Lehrkörper sechs Reichsdeutsche an, und zwar, heben P. Emil Herman, P. Albert A m m a n n (für orientalische Kirchengeschichte), P. Georg Hofmann (für orientalische Kirchengeschichte und griechische sowie lateinische Paläographie), P. Raimund Köbert (für die syrische Sprache), P. Bernhard Schultze (vergleichende Dogmatik und Direktor des theologischen Seminars) und P. Wilhelm de Vries (Einführung in die Studien des christlichen Orients und Kirchengesd:-:chte des Nahen Orients). P. G. Hofmann ist Herausgeber des Werkes „Concilium Florentinum“. In diesem werden die Akten und Schriften über das Konzil von Florenz zum erstenmal kritisch herausgegeben. Der erste Band in drei Heften, der das „Bullarium“ des Konzils enthält, ist von P. Hofmann bereits veröffentlicht worden. Im zweiten Bande erscheint eine Abhandlung des bekannten Dominikanergenerals und Theologen Johannes de Torquemada (mit kritischer Biographie) und eine des Erzbischofs von Kreta, Fantinus Vallaresso. P. Albert Ammanns Kirdiengeschichte der Ostslawen liegt demnächst in italienisdier Ausgabe vor. Die deutsche Ausgabe war bereits beim Verlage Herder gesetzt, wurde aber durch die Bombardierung Freiburgs gänzlich zerstört; ein Neudruck ist beabsichtigt. Dieses Werk des bayrischen Theologen stellt die erste größereKirchengeschichteRuß-lands katholischer Autorsdiaft unter Benutzung der russischen Quellen dar. Der Verfasser beschränkt sich nicht auf das eigentliche Rußland, sondern zieht den osteuropäischen, slawischen Gesamtraum als ein Ganzes in seine Betrachtungen ein. Übrigens haben auch zwei gebürtige Russen, P. Stanislaus Tyszkiewicz, Sohn einer alten ukrainischen Grafenfamilie, und P. Johannes v. Kologriwow, beide Lehrstühle für die Geschichte der Ostkirdie inne. P. Tyszkiewicz ist als ständiger Mitarbeiter der Zeitschriften „Civiltä Cattolica“ und „Humanitas“ weit bekannt. Sein 'Landsmann Kologriwow hat gerade eine Biographie des russischen Denkers und Schriftstellers Konstantin Leontjew (1831 bis 1891) fertiggestellt, die in deutscher Sprache herauskommen wird. Leontjew, der sich selbst als geistigen Ikarus bezeichnet hat,'ist einer der vielseitigsten und- interessantesten Exponenten des russischen Geisteslebens, aber auch des religiösen Gedankens in seinem Vaterlande. Er hatte eine stille Liebe zur römischen Kirche. Th. G. Masaryk reihte ihn unter die Theoretiker der offiziellen russischen Theokratie ein und widmete seiner geistigen Physiognomie tiefschürfende Betrachtungen. — Das Westslawentum ist am Orientalischen Institut durch den tsdiechisdien

Professor für orientalische Kirdiengeschichte und altslawische Sprachen, P. Josef Olsr, sowie durch den Professor für slawische Literatur und die polnische Sprache, Th. D o-maridzki, einen Laien, vertreten; das Südslawentum durch den Direktor des historischen Seminars, P. Stephan Sakac. Unter den Hochschullehrern befinden sich außerdem vier Franzosen, vier Belgier, vier Spanier, ein Engländer und ein Grieche. Der französische Gelehrte Guillaume de Jerphanion, ein für den christlichen Orient spezialisierter Archäologe, hat ein sechsbändiges Werk über die Hohenkirchen Kappadoziens verfaßt. Es bietet eine ausführliche Darstellung dieser Kirchen und ihrer Gemälde dar, die jetzt zum großen Teil schon zerstört sind. Für die mittelbyzantinische Zeit gilt es als die wichtigste Quelle unserer Kenntnis über die byzantinische Malerei. Der spanische Pater O r t i z de U r b i n a, der orientalische Patrologie doziert, ist gleichzeitig Herausgeber der Zeitschrift „Orientalia Christiana Periodica“. Von der unmittelbaren Auswirkung einer solchen Zeitschrift kann man sich einen Begriff machen, wenn man berücksichtigt, daß am Orientalischen Institut je sieben Alumnen des armenischen sowie byzantinisch-griedii-schen Ritus studieren, elf des byzantinisch-slawischen Ritus, acht des byzantinischbulgarischen, vier des chaldäischen, einer des äthiopischen, einer des georgischen, drei des italo-griechischen, vierzehn des rumänischen, zwölf des ruthenischen, vier des syrischen, drei des syro-maronitischen und je einer des melchitischen und malankaresischen Ritus. Unter den früheren Alumnen sind im letzten Jahre zwei des chaldäischen Ritus und einer des byzantinisch - bulgarischen Ritus zur bischöflichen Würde erkoren worden.

Man kann diese Umschau nicht abschließen, ohne auf ein besonders wichtiges Lehrfach hinzuweisen: die orientalische Askese und Mystik, die von dem Lothringer P. I r e n & Hausherr vertreten wird, der 1944 den Büchertisdi mit einer ungemein wertvollen Abhandlung, „Penthos“ (La dpetrine de la componetion dans l'Orient diretien) bereichert hat. Manch einem mag diese Monographie über die „Herzenszerknirschung“ bei den orientalischen „Vätern“ vielleicht als ein etwas entlegenes Thema erscheinen. Die umfassende Belesenheit des Autors, mehr aber noch der seltene Tiefblick in seiner Darstellung heben die Schrift über den Rahmen einer Spezialstudie aus dem Bereich des morgenländischen Christentums hinaus in den geistig-religiösen Raum der Gesamtkirche. Aus der vergleichenden Religions-geschidite der christilichen Bekenntnisse weiß man, wie kritisch der Begriff der „Zerknirschung des Herzens“ von Luther und Calvin aufgefaßt worden ist. Zweifellos sind besondere große seelische Gefahren mit dieser Einstellung verknüpft. Sie können hier nicht einmal skizziert werden. In sorgsamster Darstellung entwickelt P. Hausherr die Ursachen, die Mittel, die Hindernisse und die glückliche regenerative Kraft der Herzenszerknirschung, die die Traurigkeit verscheucht und inneren Frieden beschert. Sollte man solche Aspekte in einer zerrissenen und • tiefaufgewühlten Zeit, in der vielfach mit einem verallgemeinerten, nicht gerechten und manchmal schädlich ungenauen ethischen Schuldbegriff operiert wird, nicht besonders hoch einschätzen?

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