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Das riskante Spiel eines klaren Antikommunisten

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Das dramatische Kapitel Untergrundkirche in der Ex-CSSR beleuchtet ein jetzt in Brünn erschienenes Buch. Die FURCHE sprach mit dem Autor Petr Fiala.

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Das dramatische Kapitel Untergrundkirche in der Ex-CSSR beleuchtet ein jetzt in Brünn erschienenes Buch. Die FURCHE sprach mit dem Autor Petr Fiala.

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DIKFIFURCHE: Wie haben Sie Bekanntschaft mit der Untergrundkirche gemacht?

PETR FIALA: Prinzipiell war alles sehr vertraulich. Erfahren hat man von der Untergrundkirche durch persönliche Kontakte. Jemand. hat einen anderen gekannt, der wieder jemanden kannte - alles mußte auf Vertrauen basieren. Daß ein Engagement riskant war, das ist ganz klar. Diese Aktionen haben immer in Privatwohnungen stattgefunden; sehr oft wurde der Treffpunkt gewechselt, denn wenn jedes Wochenende zehn Leute in einer bestimmten Wohnung zusammenkamen, das schon gefährlich.

Ich persönlich bin über die Dominikaner, Orden waren in der Tschechoslowakei seit dem Jahre 1950 verboten - die in Brünn geheim theologische, philosophische und biblische Seminare abhielten, zur Untergrundkirche gekommen. Zum Beispiel hat hier in Brünn der jetzige Provinzial der Dominikaner, Dominik Duka, im Untergrund Bib-lizistik gelehrt. Duka war damals in Pilsen als Arbeiter bei den Skoda-Werken angestellt und ist an den Wochenenden mit dem Bus nach Brünn gekommen. Er hielt Vorlesungen den ganzen Tag über. Wir haben gevmßt, wer er ist; anfangs der achtziger Jahre war er im Gefängnis.

DIEFLRCHE: Warum war Brünn ein Zentrum des katholischen Untergrunds während der kommunistischen Ära?

FlALA: Erstens ist in Südmähren die

Mehrheit katholisch, hier in Brünn gab es wegen der Universitäten und Hochschulen viele Intellektuelle, es war also notwendig hier. Zweitens wurde eine der wichtigsten Untergrundstrukturen von hier aus gegründet und geleitet - und zwar von Untergrundbischof Felix Davidek. Die Dominikaner, die es offiziell nicht geben durfte, wußten von Davidek. Aber alle Aktivitäten hat man unabhängig voneinander gemacht, um so das Risiko niedriger zu halten. Eine große Struktur wäre nur hinderlich gewesen. In Prag gab es auch Untergrundstrukturen., aber in Brünn waren sie viel stärker.

DIEFURCHE: Wie steht es um die Si-

tuation der Untergrundpriester -hauptsächlich aus der Davidek-Fami-lie - heute?

FlALA: Sie ist noch nicht abgeschlossen. Es ist richtig, daß viele von ihnen von den jetzigen offiziellen Bischöfen erneut geweiht wurden

(auch in Wien mußte ein von Davidek geweihter Priester die sogenannte sub conditione-Weihe über sich ergehen lassen, Anm.d.Red.) Aber viele Leute aus dem Untergrund wollten das nicht, sie sind ja Priester, also warum sollten sie sich noch einmal weihen lassen? Andere Priester sind - wie Sie ja wissen - verheiratet und warten noch auf eine kirchliche Anerkennung. Ich habe bei der Arbeit an dem Buch, das ich gemeinsam mit Jiri Hanns geschrieben habe, die Erfahrung machen müssen, daß viele Menschen aus dem ehemaligen Untergrund über ihre damalige und jetzige Lage gar nicht sprechen wollen. Sie haben Angst, daß es für sie keine kirchliche Lösung gibt, wenn zuviel darüber geredet wird. Unsere Bischofskonferenz will natürlich überhaupt nicht, daß man darüber etwas publiziert. In einem Brief hat man mich das auch klar und deuthch wissen lassen.

Petr Fiala: Davidek wollte Kirche voranbringen FOTO GANSRIGLRR

er nach 1948 von den Kommunisten ins Gefängnis geschickt wurde. Die Idee eines unabhängigen katholischen Studiums, das nidit eng theologisch ist, war die erste große Idee, die Davidek sein ganzes Leben mitgetragen hat.

Damit hatte er als Priester große Schwierigkeiten. Die Bischöfe sahen es nicht gerne, wenn Priester an Zivilschulen studierten. Davidek konnte das nicht akzeptieren, deswegen hatte er schon vor 1948 Konflikte mit seinem Bischof

Nach 1948 war er geradezu beseelt, seine Tätigkeit auf Untergrundschulen zu konzentrieren. Er dachte als Kaplan, daß die Pastoral keine Bremse für die zweite Aktivität, Weiterbildung über Theologie hinaus, sein durfte. Von dieser Z^it an hatte Davidek den Ruf, undiszi-)liniert zu sein. Kollegen und iischöfe sagten über ihn, daß er sehr viel macht, was er nicht machen sollte. Als Kaplan war er beispielsweise in seiner Gemeinde auch als Arzt tätig.

In seine vierzehnjährige Gefängniszeit wegen von den Kommunisten verbotenen Tätigkeiten fiel das Zweite Vatikanische Konzil. Und da hat er erkannt, daß es mit der Kirche nicht so weitergehen dürfe, daß man auch ander? arbeiten müsse. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, nach seiner Freilassung, war er sehr beeinflußt von der Theologie Teil-hard de Chardins.

Gleich nach der Entlassung gründete er seine Universität noch einmal, hauptsächlich für Leute, die in den noch von den Bischöfen zur Zeit der kommunistischen Machtübernahme verbotenen Zentralseminaren (Preßburg und Leitmeritz, Anm.d.Red.) nicht studieren wollten oder durften. Davidek überlegte, wie diese Männer zu Priestern geweiht werden konnten. Das Ziel Davideks war von Anfang an nicht, Bischof zu sein und eine Untergrundstruktur zu organisieren. Er wollte das Studium organisieren und hat nach Möglichkeiten gesucht. Aber die Bischöfe waren interniert oder waren aus Angst nicht bereit, Priesterweihen vorzunehmen. Der Weg, über das Ausland, beispielsweise über Polen und die damalige DDR, geheime Priesterweihen durchführen zu lassen, war nicht immer gangbar -außerdem zu gefährlich. Und deshalb entwickelte Davidek die Idee, daß man eigene Bischöfe im Untergrund haben rnüsse. Der Kirche, so seine weitere Überlegung aufgrund der Teilhardschen Parousie-Theolo-gie, müsse außerdem nicht nur das Uberleben gesichert, sondern sie selbst erneuert und weiterentwickelt werden. Und in diesem Zusammenhang hat er Taten gesetzt, die schwierig waren, nicht weil sie dem kirchlichen Gesetzbuch widersprachen, sondern weil viele Persönlichkeiten im Untergrund dann nicht mehr bereit waren, diese neuen Wege mit ihm zu gehen.

Felix Moria Davidek: Ein genialer Geheimbischof aus Brünn/Chrlice mit Problemen über den Tod (1988) hinaus PRIVATARCHW JAVOROVA

DIEFURCHE: Ist nicht schon die Bischofsweihe Davideks problematisch^ FlALA: Vielleicht. Jan Blaha, ein Brünner Wissenschaftler und Priester, der nach Rom reisen durfte, hat aus Rom - von wem, weiß bis heute niemand - die Jurisdiktion für seine eigene Bischofsweihe mitgebracht. Nach der Bischofsweihe Blahas im Untergrund durch Geheimbischof Dubovsky (heute Weihbischof in Banska Bystrica in der Slowakei, der sich darüber ausschweigt, Anm.d.Red.)-hat Blaha Davidek zum Bischof geweiht, und Davidek selbst hat die Bischofsweihe 15 weiteren Personen geheim erteilt. Die Namen werden in unserem Buch zum Teil genannt.

DIEFURCHE: Ein weiteres Problem ist, daß Davidek verheiratete Männer zu Priestern weihte.

FlAlA: Der erste Gedanke, verheiratete Männer zu weihen war nicht, den Zölibat zu liquidieren. Man brauchte Leute für die kirchliche Untergrundarbeit. Menschen mit Familie waren besser geschützt und hatten mehr Möglichkeiten als Zöli-batäre, die von den Kommunisten leicht entdeckt werden konnten. Davidek griff auch auf die Tradition des Bi-Ritualismus zurück, also er weihte auch griechisch-katholische Priester, die im lateinischen Ritus tätig waren (in der Slowakei nichts Ungewöhnliches, Anm.d.Red.) Später hat er dann auf diese Tradition nicht mehr so genau geschaut.

DIEFURCHE: Hat Davidek auch Frauen zu Priestern geweiht^ Bisher war das nicht ganz klar. FlALA: Uns ist zumindest eine Frau bekannt, die das nicht nur behauptet, sondern ihren Fall auch in Rom anhängig gemacht hat. Neben Davidek - der sicher nicht mehr als zwei, drei Frauen ordiniert hat - hat auch Geheimbischof Nikolaus Krett in der Slowakei Frauen zu Priestern geweiht.

DIEFURCHE: Wußte das StB, der kommunistische Geheimdienst, daß Davidek Bischof war?

FlALA: Davidek hatte in den siebziger Jahren (geweiht wurde er 1967, während des Prager Frühling hat er seine Weihe nicht geoffenbart) gegenüber dem StB eine Taktik, die riskant war. Nicht daß er mit dem StB zusammengearbeitete hätte (wie böse Zungen behaupten, Anm.d. Red.), aber er bat, um andere zu schützen, über seine Bischofsweihe kein Hehl gemacht. Er hat auch ein Spiel zwischen Information und Desinformation betrieben. Deswegen war es ihm in den siebziger Jahren möglich, fast offiziell, auf Briefen sein Bischofs Wappen zu verwenden. Vielleicht war das ein Fehler. Er hat nicht viel gewonnen damit, aber viel verloren, unter anderem Mitarbeiter, die ihm mißtrauten. Bestimmte Leute, die ins Exil gegangen sind (Namen sind der Red. bekannt), haben sogar eine Medienkampagne im Ausland gegen Davidek gestartet. Das war der Preis für Davideks gefährliches Spiel mit dem StB. An sich hat er die sogenannte Ostpolitik von Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroh bekämpft. Davidek wollte keine Kompromisse mit den Kommunisten eingehen, das zeigt schon, daß er nicht mit dem StB zusammengearbeitet haben konnte.

Mit dem Autor

von „Koinotes", dem Brünner Politologen Petr Fiala, sprach Franz Gansrigier.

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