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Das Theater fUr Vorarlberg

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Vorarlberg kannte zwar in Bregenz eine jahrhundertealte, jedoch oft unterbrochene Thcat-tradition Als kleines,;,gebirgiges Landi.mit, seh/ fleißigen, meist bäuerlichen Bewohnern kam es erst mit der beginnenden Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem größeren und fundierten Wohlstand. Infolge seiner landschaftlichen Struktur und seiner geschichtlichen Entwicklung besitzt es kein eigentliches gesellschaftliches und kulturelles Zentrum, vielmehr nur vier Kleinstädte, die erst in letzter Zeit durch die Eingemeindung umliegender Ortschaften die Einwohnerzahl von 20.000 erreichen und teilweise überschreiten konnten. Es liegt auf der Hand, daß sich bei aller Theaterfreudigkeit der Bevölkerung auf dieser Basis kein ständiges Berufstheater entwickeln konnte.

Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Versuch unternommen, eine „Vorarlberger Landesbühne“ als reisendes Berufstheater aufzubauen, doch war dieses zu umfangreich aufgezogene Institut mit der Konsolidierung der Nachkriegsverhältnisse zum Scheitern verurteilt.

Im Jahre 1948 begann Fritz Klingenbeck, sozusagen auf den Trümmern der Landesbühne, ein neues Berufstheater zu schaffen, das den realen Gegebenheiten des kleinen Landes Rechnung trug und in zäher Arbeit das Vertrauen der . Bevölkerung j.-und de.r jBÄhärdgn .erringen, konnte r-rdasi,„Theater imJffimömti- JÄW* künstlerisch einwandfreie und ethisch wertvolle Schauspielaufführungen, die bis in kleinste Dörfer getragen wurden, weckte er das Interesse weiter Kreise. So wufde dieses neue Unternehmen mit den Jahren zum wichtigsten Kulturfaktor, der heute aus dem Leben Vorarlbergs nicht mehr wegzudenken ist. Als Direktor Klingenbeck im Sommer 1955 einer anderen ehrenden Berufung Folge leistete, konnte er auf ein imponierendes Pensum geleisteter Kulturarbeit zurückblicken: In den sieben Jahren seiner Tätigkeit als Inhaber und Leiter des Theaters für Vorarlberg wurden insgesamt 1357 Vorstellungen vor 405.137 Besuchern gegeben.

Inzwischen gelang es der Landeshauptstadt Bregenz, nicht zuletzt durch die Pioniertätigkeit dieser jungen Bühne, einen alten Wunschtraum in die Tat umzusetzen — den Bau des repräsentativen und großzügig geplanten Theaters am Kornmarkt. In einem neuerstellten Seitentrakt erhielt nunmehr auch das „Theater für Vorarlberg“ eine würdige Heimstätte in Bregenz.

Mit der Eröffnung des neuen Hauses im Sommer des Jahres 1955 begann auch eine neue Aera des Theaters für Vorarlberg: Nachfolger des scheidenden Direktors Klingenbeck wurde der gebürtige Vorarlberger Richard Wegeier, der von der Spielzeit 1955/56 an die Inhaberschaft und Leitung des Theaters für Vorarlberg übernahm. Der Status dieses Instituts blieb weiterhin der eines Privatunternehmens mit öffentlichen und privaten Subventionen. Wenn auch Richard Wegeier die mit der Neugründung eines Theaters verbundenen Schwierigkeiten erspart blieben und ihm ein verläßlicher und eingearbeiteter Stab enger Mitarbeiter zur Verfügung stand, sah er sich doch vor -nicht leicht zu lösende Probleme gestellt — neue und schwierige Aufgaben galt es zu bewältigen. Einerseits mußte das neue festliche Haus in Bregenz in einer Weise bespielt werden, die sich neben verschiedentlichen Gastspielen erster in- und ausländischer Bühnen behaupten konnte, anderseits galt es, die Reisetradition, die das „Theater für Vorarlberg“ durch Städte und Gemeinden bis ins Montafon und den Bregenzer Wald führt, aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen. Die wesentlichste Schwierigkeit lag und liegt auch weiterhin darin, einen Spielplan zu erstellen, der dem gesteigerten Interesse der Städte an modernen dramatischen Werken*$:i •fechT Hvifd'.1 afire'r in der'Themenwahlr auch “iif kleinen Landgemeinden vertretbar ist. Da der Unterhalt eines Doppelensembles für das Unternehmen finanziell nicht tragbar ist, wird die Wahl des Spielplans somit zur Kardinal- und Schicksalsfrage des Theaters. Liegt Bregenz einnahmemäßig etwa bei einem Drittel des Gesamteinspielergebnisses und ist damit ein tragender Pfeiler im Gesamtgefüge, bleibt doch die Bespielung des ganzen Landes die Hauptaufgabe, die dem Theater von der Vorarlberger Landesregierung gestellt ist.

Wer je erlebt hat, mit welchem Ernst und inniger Anteilnahme das Publikum in den Landgemeinden die Aufführungen ihres Theaters verfolgt, wird erst ermessen können, welche Verantwortung mit der Wahl der Stücke verbunden ist. Dies Publikum verlangt nicht nach billigen Sensationen und oberflächlicher Zerstreuung, sondern nach geistigem Brot, nach echter Erhebung und nach einer Heiterkeit, die aus sauberen Quellen gespeist sein will. Welche Aufgaben unter anderen bewältigt werden konnten, mögen einige Titel aus dem Repertoire der letzten Jahre belegen. Grillparzer: „Medea“, Goethe: „Urfaust“, Calderon: „Dame Kobold“, Nestroy: „Talisman“, Manzari: „Das Wunder“, Calvo Sotelo: „Die Mauer“ (österreichische Ei Staufführung), Mauriac: „Keiner wird genug geliebt“ (österreichische Erstaufführung), Hochwälder: „Der öffentliche Ankläger“, Sartre: „Die schmutzigen Hände“. In der Studioreihe, die nur in den Städten gezeigt wird, kamen Priestleys „Drachenmaul“ (österreichische Erstaufführung), Chrystopher Frys „Ein Phönix zuviel“, Wilders „Glückliche Reise“ und Tennessee Williams „Glasmenagerie“ zur Aufführung, die überraschendes Echo gefunden haben. Die Uraufführung von Oskar Zemmes „Die Hochzeit des Toren“ anläßlich der 8. österreichischen Jugendkulturwoche in Innsbruck brachte Direktor Wegeier den 1. Direktorenstaatspreis 1957 ein.

Aber auch das Ausland konnte in das Arbeitsgebiet des Theaters für Vorarlberg einbezogen werden. Drei Tourneen wurden bereits mit großem Erfolg durch Südtirol geführt, aber auch die Idee, die alte Kulturgemeinschaft des Bodenseeraumes neu aufleben zu lassen, fiel auf fruchtbaren Boden, so daß eine Reihe von Gastspielen in Bayern und Schwaben gegeben werden konnten. Gegenwärtig laufen Verhandlungen dahingehend, durch Austauschgastspiele den angebahnten Kontakt weiter zu festigen.

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