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Das wahre Gesicht

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Unter dem Titel „Schatten werden schwerer'1 veröffentlichte .die „Furche“ Nr. 24 eine ihr Von vertrauens-würdiger Seite zugegangene Mel--: duhg über den Stand des Kulturkampfes in der Tschechoslowakei. Aus derselben Quelle stammt folgender Bericht: ' Bekanntlich würden Ende Afiril alle Mitglieder 'männlicher Orden in sogenannte Sammelklöster überführt. Den Ordensfraoen blieb r bisher ein solches Schicksal erspart, weil zwei Drittel des gesamten geschulten Krankenpflegerinnenpersonals weiblichen Orden angehören; . einen solchen Ausfall hätte man nicht rasch zu ersetzen vermocht. Die höhnische Paraphrase des Gewaltaktes gegen historische Stifte und andere um die Kultur des Landes hochverdiente Ordenshäuser ließ nicht lange auf sich warten. Sie konnte keinem .passenderen Autor anvertraut werden, als dem exkommunizierten „Pater“ R. Peter, dem derzeitigen Vorsitzenden der „Tschechischen katholischen Volkspartei“., also einer Persönlichkeit, in der und um die alles in Unordnung und Unwahrheit geraten ist. Peter veröffentlichte in der-„Li-dova obroda“ vom 4. Juli einen Artikel, der alle Tatsachen auf den Kopf stellt, um zu beweisen, daß die erfolgten Maßnahmen „sowohl für die Geistlichen wie für die Allgemeinheit von großem Nutzen seien, für die Geistlichen deshalb, weil für sie in hervorragender Weise sowohl auf hygienischem wie auf sozialem Gebiet in den neuen Klöstern, in denen sie ungehindert ihrer Tätigkeit nachgehen könnten, gesorgt sei“.

Wie die Situation in den sogenannten Sammelklöstern ist, schildert ein Brief, der aus einem dieser Klöster herausgelangen konnte. ,

„Alle unsere Briefsachen' werden zensuriert, man kann also in einem .legalen' Brief nichts anderes schreiben, als daß es uns ,gut geht'. Wir sind da über 300 Ordensleute. Etwas mehr als 90 davon sind Kapuziner, etwa 60 Dominikaner, die übrigen Prämons.tratenser, Redemptoristen,. Kreuzherren usw. Wie man uns hierher überführt hat, wißt ihr schon: sie haben die Klosterobern nach Prag auf das Kirchenamt geladen und ihnen dann dort erklärt, daß das Kloster übersiedelt werden müsse. Dabei versprachen sie alles mögliche. Dann wurden die Oberen auf ein Auto geladen und nach Hause gebracht. Das war am 28. April. Nach Rückkunft der Obern gab man uns noch 24 Stunden Zeit zur Vorbereitung auf die Reise und zum Einpacken des Notwendigsten. Andere Ordenshäuser erhielten gar nur eine Frist von einer bis vier Stunden. Am 28. April abends um 10.15 Uhr wurden die Ordensleute in einem Spalier von Polizisten in Autobusse gebracht und weggeführt. Nach 6 Uhr früh kamen wir hier an.

Wir werden von Polizei ständig überwacht, um jede Berührung mit der Außenwelt unmöglich zu machen; es soll niemand erfahren, daß wir nicht in einem Kloster, sondern in einem Konzentrationslager uns befinden. Schmutz haben wir genug erlebt. In Prag war unseren Obern gesagt worden, daß alles vorbereitet und eingerichtet sei. In Wirklichkeit mußten wir aber erst alles an Ort und Stelle auftreiben. Vorbereitet war gar nichts. Jetzt leben wir doch schon menschlich. Nur Wasserleitung und Klosett funktionieren noch, nicht. Uns Jüngeren kommt dieses Leben nicht mehr so schwer vor, schlimmer ist es aber für die Älteren. Fast ein Drittel sind hier alte Ordensleute, einige sogar über 80 Jahre ... Zeitungen bekommen wir täglich — wir müssen nur immer lachen, wenn wir lesen, was “für Errungenschaften uns hier die Regierung eingerichtet hat. Täglich bekommen wir drei Zigaretten. Die Arbeitszeit ist von .8 bis 12 Uhr und von 2 bis 6 Uhr. Sklavenarbeit. Dreimal täglich ist Appell und Kontrolle,, ob wir alle da sind...“ '' . . '

Die Verfolgung greift nun schon auf alle .Gebiete des Lebens üb er. Seit neuestem werden die öffentlichen Bibliotheken immer wieder von Polizeiorganen durchsucht ' und' ihnen alle Bücher,7 die Priester zu 'Verfassern Häberi;' abverlangt. Dies gellt sogar so' weit,- daß.- äasr “Büch von ' dern Geistlichen.“'P; Höffmari'n Über' das KZ D a ch a u der Beschiagnahmung verfiel.

Leider findet diese Kirchenpolitik doch noch immer Anhänger unter dem Klerus. Unter den bisher nicht exkommunizierten Ceistlichen sind es insbesondere Prälat Dr. Sobotka von Podeb.rad und der Probst von Kremsier MoU-signore Kutal, die schon dadurch, daß sie'bei allen möglichen öffentlichen Anlässen sich an Seite der Regierungsvertreter zeigen, diesen Kurs wenigstens moralisch unterstützen. Der größte Teil der Geistlichkeit steht allerdings .nach wie vor fest zu seinen Bischöfen und zu Rom. So mußte der vom Staat neu-örnannte exkommunizierte „General-vikar“ von Büdweis, Buchta, den Geistlichen der .Budweiser -Diözese mit einer halbjährigen Kerkerstrafe drohein, wenn sie sich bei ihm nicht vorstellen würden. Wie treu die Haltung der großen Mehrheit des Klerus zu Rom ist, geht auch daraus hervor, daß keiner der „staatlichen“ Geistlichen, wie zürn' Beispiel' Minister Plojhar,' es öffentlich wagen, die kirchliche Stellung des Vatikans anzutasten. Obwohl bereits ein angeblicher . Ausspruch des ' Patriarchen von Moskau in der Republik die Runde macht, wonach dieser sagte, die Katho-lichen in der Tschechoslowakei könnten ihren Ritus behalten, nur müßten sie sich ganz von Rom trennen und unter die öbedienz des Patriarchen von Moskau gelangen, erklärte erst am 1. Juni wieder Minister Plojhar auf einer Versammlung „vaterländischer“ Priester, daß der Vatikan für alle Katholiken absolute Autorität.? auf dem Gebiet des Glaubens und der Moral sei. Kein Katholik sei aber dem Vatikan auf dem Gebiet der Politik zu Gehorsam verpflichtet. Daß es in der Republik allerdings nicht mehr um Politik, sondern .um Weltanschauung und Grundsätzliches geht, verschwieg der Minister. : . ,

Das wahre Gesicht dertsche-c h p s l,o wa k ischen Kirchen-Verfolgung enthüllt sich am krassesten gegenüber der uniexten Kirche. Bekanntlich haben vor einigen Monaten vier unierte Kleriker und einige Laien auf einer Versammlung die Union mit Rom als für aufgelöst erklärt und die griechische Kirche Moskau „unterstellt“. Es waren damals nur vier Kleriker, die diese Resolution unterzeichneten. Ein barbarischer staatlicher Druck hat es zustande gebracht, daß ein Drittel aller griechischen Geistlichen dem Beispiel jener vier gefolgt ist und sich von Rom losgesagt hat. Darunter auch die Hälfte des Presoyer Kapitels.

Die, unierten griechischen Geistlichen .sind,: durchweg verheiratet,-,,haben für .Fra,u und. Kinder zu sorgen. Sie erliegen einem Druck von Seiten des Staates, der meist auf wirtschaftlichem Gebiet einsetzt, wenn sie nicht unterschreiben. Einkommen, Wohnung würde ihnen entzogen, auch ihre Familie in Not geraten, und sie verlieren dadurch die Widerstandsfähigkeit. .

In einem der vielen geheimen Rundschreiben, die sich Geistliche zusenden und sich gegenseitig Trost spenden, wird das Bibelwort zitiert: „Brüder, seid wachsam, denn euer Widersacher, der Teufel, geht um wie ein brüllender Löwe.“

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