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De Gaulle und die Juden

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„Die Juden... sind geblieben, was sie zu allen Zeiten waren, ein Volk der Elite, selbstsicher und beherrschend.“ So beurteilte General de Gaulle in seiner letzten Pressekonferenz das jüdische Volk. Seine Worte haben eine erregte Diskussion in Frankreich eingeleitet, die sich von Woche zu Woche steigert. Der Großrabbiner von Paris protestierte sofort dagegen. Jüdische Front- und Widerstandskämpfer schlössen sich diesem Schritt an. Hochgestellte Persönlichkeiten, als französische Juden klassifiziert, wie der bekannte Soziologe Raymond Aron, der Nobelpreisträger Jacob oder Reni Cassin,

Vizepräsident des Staatsrates und Mitverfasser der UNO-Deklaration über die Menschenrechte, zahlreiche namhafte Professoren, richteten in den letzten Tagen an de Gaule einen offenen Brief. Wir lesen darin folgenden Satz:

„Es ist uns schmerzlich, festzustellen, daß es der Präsident-Befreier, dem die Vnsrigen in den schwersten Momenten eine totale Unterstützung gewährten, unternahm, die jahrhun-dertalten Vorurteile, unter denen wir kürzlich so fürchterlich leiden mußten, zu entfachen und zu verstärken, und zwar auf Grund einer falschen, tendenziösen Feststellung.“

„Vorurteile“ statistisch erfaßt

Eine kürzlich vom Meinungsforschungsinstitut SOFRES durchgeführte Untersuchung über die rassischen Vorurteile gegen Juden, Araber und Neger zeigt allerdings größere Bedenken der Befragten gegen die Nordafrikaner und Neger. Wir unterstreichen eine Zahl dieser Studie. Von den befragten Katholiken bewiesen 40 Prozent eine rassische Abneigung gegen Juden, 58 Prozent gegen Neger und 65 Prozent gegen Araber. Bei Nichtkatholiken stellen sich bei 19 Prozent Vorurteile gegen Juden, 33 Prozent gegen Neger und 43 Prozent gegen die Araber heraus.

Politisch aufgeschlüsselt sind die Rechte und die extreme Rechte mit 48 Prozent gegen die Juden eingestellt, die extreme Linke und Linke dagegen unterstreicht mit 50 und 62 Prozent eine sehr große Abneigung gegen die Araber. Allerdings hebt die äußerste Rechte die militärischen Leistungen Israels hervor.

300.000 Juden blieben

Derzeit leben in Frankreich 500.000 Juden. In den Tagen der Befreiung 1944/45 waren nur 130.000 bis 140.000 Juden gerettet worden. 120.000 französische Juden sind in

den Lagern des Dritten Reiches ums Leben gekommen. In schmerzlicher Erinnerung bleiben die Verhaftungswellen Juli/August 1942, wo tausende Menschen, im Pariser Sportpalast zusammengedrängt, Fürchterliches erleiden mußten. Frankreich nahm entsprechend einer alten humanistischen Tradition die Geretteten aus den Lagern auf.

Im Jahre 1956 setzte im großen Stil eine Einwanderung aus Ägypten und Algerien ein, 250.000 Personen kamen aus Nordafrika, davon 120.000 ausschließlich aus Algerien. Die algerischen Juden besaßen die französische Staatsbürgerschaft entsprechend dem politischen Statut des Landes. Die marokkanischen und tunesischen Juden gelten als Ausländer. Die französischen Einwanderungsbehörden handhabten jedoch die Bestimmungen sehr großzügig.

Derzeit stellen wir die Wohnstätten der Juden in ganz Frankreich wie folgt fest: Die Hälfte siedelt in Paris und der näheren Umgebung. 60.000 zogen Marseille vor; jeweils 20.000 Nizza, Toulouse und Lyon, und 20.000 fanden ihre Heimat in Elsaß-Lothringen.

Die Organisation

Die Juden Frankreichs haben sich zwei bedeutende Organisationen geschaffen. Das zentrale Konsistorium der Israelis Frankreichs geht noch auf Napoleon zurück. Diesem Konsistorium obliegen alle Probleme religiöser Natur. Die Rabbinate unterstehen diesem Amte, das sich durch die Wahl aller eingeschriebenen Mitglieder konstituiert. Daneben arbeitet mit großer Dynamik ein weiterer Apparat: „Le fonds social juif unifii“. Es bandelt sich um eine Körperschaft, die alle sozialen, erzieherischen und kulturellen Fragen übernimmt. Der Fonds führt die Sammlungen durch, die den Bestand zahlreicher karitativer Werke sichern. Diese Organisation ist in ihrer Struktur eine Föderation verschiedener lokaler Einrichtungen. Als Präsident fungiert der Bankier Guy de Rothschild.

Neben den rein nationalen Organisationen treffen wir die französischen Sektionen internationaler jüdischer Gemeinschaften, wie die Ailiance Israelit Universelle, die seit 100 Jahren im Mittelmeerraum zahlreiche Schulen französischer Kultur und Sprache begründet. Dann sammelt die Organisation BNAI-BRITH, die gewisse freimaurerische Züge aufweist und gegen jede Form des Antisemitismus kämpft. Schließlich sei an den jüdischen Weltkongreß und die zionistisch Föderation gedacht.

Die letzte Entscheidung

Der israelisch-arabische Krieg bedeutet auch für das französische Judentum eine geschichtliche Zäsur. Wie sollen die zukünftigen Beziehungen jedes einzelnen zu Israel gestaltet werden? Tausende Jugendliche hatten sich in großem Elan zu Militärdiensten in Israeli gemeldet.

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