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Debatte auf amerikanischem Boden

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Während man in seiner eigenen Heimat damit beschäftigt war, den Abwesenden mit vollem Eifer schlecht zu machen, hat Dr. Kurt v. Schuschnigg im Ausland die Sache Österreichs erfolgreich geführt. Alle Nachrichten, die über die amerikanische Vortragsreise des gewesenen Bundeskanzlers über das Meer kommen, stimmen darin überein. Ein Blatt, das gewiß nicht durch parteipolitische Rücksichten dazu veranlaßt ist, die „österreichische Rundschau“, veröffentlicht in ihrem neulich erschienenen Heft 7 einen illustrativen Brief eines New-Yorker Mitarbeiters, der über den Inhalt und den starken Eindruck der Darlegungen Schusch-niggs in der New-Yorker Town-Hall berichtet. Der gewesene Kanzler machte in seinem Vortrage Mitteilungen über einzelne, nicht allgemein bekannte Tatsachen aus der Vorgeschichte des März 1938. So blieb es nur einem kleinen Kreise bekannt, daß Bundeskanzler Dollfuß den damaligen Unterrichtsminister Schuschnigg im Herbst 1933 nach München gesandt hatte, um dort die Absichten des jungen Hitler-Regimes gegen Österreich zu erkunden, vor allem festzustellen, bis zu welchem Grade man dort die österreichische nazistische Bewegung decke und für die zunehmenden Gegensätze zwischen den beiden Staaten verantwortlich sei. In seinem New-Yorker Vortrag berichtete Schuschnigg — wir zitieren den Bericht der „österreichischen Rundschau“ —:

„Schon damals mußte ej aber erkennen, daß jedwedes Verhandeln mit dem deutschen Regime sinnlos sei. Im weiteren Verlauf des Vortrages ergänzte Dr. Schuschnigg diese Mitteilung durch eine, auch historisch bedeutsame Feststellung, die ihm Generaloberst H a 1 d e r im Konzentrationslager machte. Auf seine, Schuschniggs, Frage, ob Halder ihm nun nicht eingestehen müßte, daß der Oberfall auf Österreich im Jahre 1938 ein Verbrechen gewesen sei, erklärte Halder: Tirol und das Inntal ist das Einfallstor in die deutsche Flanke. Jeder deutsche Generalstab mußte und wird immer versuchen, diese Flanke zu sichern. Die Politik sei nur Mittel zum Zweck gewesen.“

Es ist aufschlußreich, zu wissen, daß der deutsche Generalstab die Aggression gegen Österreich mit strategischen Argumenten verschönerte, wahr ist aber doch, daß der Angriff auf Österreich typisch nationalsozialistischen, also extrem politischen Gedankengängen entsprang. Warum man dieser Aggression, gegen die man zuvor „Zeit zu gewinnen“ trachtete, nicht militärisch begegnete, erklärte Schuschnigg mit der einfachen Feststellung: „Wir waren ganz allein; außerdem hatten wir drei Flugzeuge, Hitler dreitausend.“

„Nach Beendigung des Vortrages“ — berichtet der Korrespondent — „wurde das Auditorium eingeladen, Fragen zu stellen. Es entspann sich sine lebhafte Debatte. Das größte Interesse wurde dem

Fragenkomplex der Februarkämpfe 1934 entgegengebracht. Schuschnigg stellte fest, daß die österreichische Regierung damals zweifelsohne eine legale demokratische Regierung war (die Maiverfassung wurde erst später und besonders im Hinblick auf diese Kämpfe erlassen). Der erste Töte war auf Regierungsseite zu beklagen. Hätte die andere Partei gesiegt, wäre die dann gebildete Regierung nicht als gesetzmäßig angesehen worden. Dies wäre aber für Deutschland, welches nur auf einen Vorwand wartete, der gegebene Anlaß gewesen, um schon damals zu intervenieren.

Als im Verlauf der Debatte der Leiter der Veranstaltung feststellte, Dr. von Schuschnigg antworte auf alle Fragen als Gentleman, wurde dies durch stürmischen Applaus der gesamten Zuhörerschaft begeistert bestätigt.

Eines wurde aus der Tendenz der Fragestellung und der Art und Weise, wie die Debatte geführt wurde, für den objektiven Beobachter klar ersichtlich: der Vortrag Doktor Schuschniggs wurde von der überwiegenden Mehrheit des amerikanischen Publikums als ein Rechenschaftsbericht Österreichs gewertet. Darüber hinaus hinderte allein die untadelhafte Persönlichkeit des früheren Bundeskanzlers und die historische Tatsache, daß er der erbittertste Feind des Nationalsozialismus und des Anschlusses war, das Publikum, schwerwiegende Fragen über das Verschulden von öterreichern an der österreichischen Tragödie der Jahre 1938 bis 1945 weiter zu stellen. Jede zu dieser Frage von Schuschnigg gebrachte Erklärung, die von höchstem Patriotismus und Glauben an Österreich und an die Österreicher getragen'war, wurde ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen.“

Bei uns aber gibt es immer noch Kreise, die meinen, ohne Schaden für unser Land gute Parteipolitik machen zu könnnen, indem sie den Mann heruntersetzen, der zuvorderst auf der Barrikade gegen die Hitlerei stand und bewußt sich den Händen eines haßerfüllten Feindes überlieferte, um in dieser Knechtschaft das Schicksal seines Volkes bis zum letzten zu teilen. Sein, in der Heimat kaum erhältliches, Buch in englischer Ausgabe ist jetzt in Amerika bestseller an 12. Stelle geworden.

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