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Der alte Auftrag bleibt!

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Für die spanische Regierung ergeben sich hatten sich zwar 1931 bereiterklärt, mit der

aus dem Geist des neuen Konkordats mit republikanischen Regierung für das Gemeindem Heiligen Stuhl (vgl. Die „Furche“ Nr. 37), wohl im Staat zusammenzuarbeiten. Die

wenn es auch eine ansehnliche Reihe schon republikanischen Behörden hatten sie aber

bestehender Einrichtungen und Uebungen nur vertraglich sanktioniert, eine ganze Reihe von Verpflichtungen für die Zukunft.

Noch größer aber sind die Verpflichtungen, die der katholischen Kirche Spaniens aus diesem Konkordat erwachsen. An ihr wird es liegen, die Regierung im Beschreiten der neu freigelegten Wege mit sanfter Gewalt nach sich zu z i c h e n, so wie sie es bisher vermocht hat, auch wenn der. Widerstände beträchtliche waren.

Schon in den ersten Jahren der nationalen Revolution schwebte über den Katholiken Spaniens eine ernste Gefahr. Der werdende neue Staat drohte in das Kielwasser des hakenkreuzbcflaggten Schiffes der germanischen Wdterneuerer zu geraten. In der Falange gab es zu jener Zeit eine Richtung kompromißloser Hitler-Bewunderer, die seine Lehren auf Spanien anzuwenden hestrebt waren. Damals, in den ersten Monaten nach dem Bürgerkrieg, mußte der Kardinal-Erz-bischof von Toledo in einem Hirtenbrief, „Ueber den Wert des katholischen Vaterlandes“, gegen die Versuche Stellung nehmen, die aus Spanien einen Staat formen wollten, „ohne an die katholische Bestimmung der Spanier zu appellieren“. Und obwohl schon im November 1939 ein Gesetz Francos die Verd'cnste der Kirche in der „Vergeistigung des Ruhmes der nationalen Waffen“ anerkannte und die entsprechenden Folgerungen daraus zog, wirkte der „Nationalismus neuheidnischer Tendenz“'“ noch 1942 nach, als er es vermochte, der deutschen Freundschaft zuliebe die Verbreitung der päpstlichen Enzvklika über die Rassenfrage, „Mit brennender Sorge“, in Spanien nahezu restlos zu verhindern. Dasselbe widerfuhr einem Flirten-brief des Bischofs von Calahorra über dasselbe Thema.

Schon während des Bürgerkrieges hatten die spanischen Bischöfe in einem gemeinsamen Hirtenbrief ihre Ideen vom zukünftigen Staatsgebilde timrissen:

„.. . Der Krieg ist nicht mternommen worden, um einen autokratischen Staat auf dem Rücken einer gedemütigten Nation zu errichten, sondern damit der nationale Geist im Zeichen der christlichen Kraft und Freiheit der alten Zeiten wiedererstehe. Wir vertrauen auf die Klugheit der Männer der Regierung, daß sie für die Modellierung des künftigen spanischen Staates nicht ausländische Formen annehmen werden ...“

Das galt damals den Emissären der Wil-helmstraßc und den arroganten politischen „Beratern“ der provinziellen und örtlichen nationalen Behörden in den Personen der OG-Leiter der Auslandsgruppen der NSDAP in Spanien.

Daraus darf man freilich nicht ableiten, daß die spanischen Bischöfe nicht von vornherein, vom Anfang der nationalen Bewegung an, auf der Seite Francos gestanden hätten. Sie

* „Nacionalismo paganizante“ nennt Rafael Calvo Serer jene Tendenz in seinem Artikel ,,Die Kirche im öffentlichen Leben Spaniens seit 1936“ in der von ihm herausgegebenen kulturpolitischen Zeitschrift „Arbor“. Diesem Artikel entnehmen wir die Zitate der Hirtenbriefe. abgeschreckt und „Personen, Eigentum und Rechte der Kirche“ angegriffen. Die katholische Kirche und ihre Bischöfe hatten den Bürgerkrieg „weder provoziert noch vorbereitet“. Als der Kampf jedoch ausgebrochen war, proklamierten sie:

„So wie die Dinge heute stehen, gibt es föc Spanien keine andere Hoffnung, die Gerechtigkeit, den Frieden und die aus ihnen erwachsenden Güter wiederzuerringen, als den Triumph der Nationalen Bewegung.“

Alle spanischen Bischöfe mit Ausnahme dreier, unter diesen letzteren ein Kardinal, hatten das Dokument unterschrieben und 900 katholische Kirchenfürsten und Ordensobern aus aller Welt, auch aus Frankreich, England und den USA, hatten die Proklamation der spanischen Bischofskonferenz gutgeheißen.

Trotz der weitgehenden und wahrhaft tief im nationalen Leben einschneidenden Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche, 7.H der sich die Regierung Francos im Laufe der Nachkriegsjahre herbeiließ (Beobachtung der Grundforderungen des Konkordates von 1851, Anerkennung der Auffassung bzw. Zuständigkeit der Kirche in der Bestimmung der geistigen Entwicklung der Nation, im Schulwesen, in der Rechristianisierung der Universitäten usw.) ließen die Kirchenfürsten sich nicht einschläfern in ihrer Wachsamkeit über die Geschicke dieser katholischen Nation. Ihre größte Sorge war es zunächst, die verfassungsrechtliche Legalisierung der Regierung zu erreichen.

Im „Fuero de los Espafioles“, der zunächst provisorischen Verfassung der Franco-Regie-rung, sahen sie „eine Orientierung zur christlichen Freiheit, im Gegensatz zum staatlichen Totalitarismus“, aber am Ende des zweiten Weltkrieges halten sie die Zeit für die „vollkommene und endgültige Formung des spanischen Staates“ für gekommen. Eine „feste Autorität mit historischer Kontinuität und Mitbeteiligung der Bürger an der Regierung der Nation“ ist ihr Ziel. Sie wünschen eine „Volksbefragung, die weder von denen, die an ihr teilnehmen, noch von denen, die sie präsidieren, gefälscht werde“. Im Referendum von 1947, m dem das Volk zwischen Franco als Präsidenten einer Republik und Franco als Regenten des Königreiches entscheiden durfte, fand der Gesetzgeber die moralische Berechtigung, die konstitutionelle Periode durch Proklamierung des Königreiches abschließen zu können. Dem Grunderfordernis, die „historische Kontinuität“ der Regierung für kommende Zeiten zu sichern, war einigermaßen genüge getan.

Aber die Bischöfe drängen — man möchte sagen: bohren weiter, daß dem katholischen Volke Spaniens jene Freiheiten wiedergegeben werden, in deren Gebrauch Völker mit viel schwächerem oder gar keinem katholischen Einfluß eine so bewunderns- und beneidenswerte Reife bewiesen. Die kollektive Unterweisung der spanischen Metropoliten vom 3. Juni 1951 geht dieses Problem mit Umsicht und Vorsicht an. Sie spricht von den „bürgerlichen Freiheiten und ihren Feinden“.

Einer ihrer Feinde sei der Liberalismus, denn er kennt

„sogar dem Gemeinwohl, dem göttlichen and natürlichen Recht entgegenstehende Freiheiten. Im Gegensatz zum Liberalismus gesteht der moderne Totalitarismus der staatlichen Macht allumfassende, unbegrenzte Vollmachten zu, ohne den schuldigen Respekt vor den angeborenen, natürlichen Rechten der menschlichen Person ... Jeder Totalitarismus, auch der gemäßigte, beraubt die Einzelperson zugunsten des Staates.“

Vorher schon, im Jahre 1949, hatte der Bischof von Astorga das Recht, der Bürger auf eine „diskrete, anständige und konstruktive Kritik ziviler Verordnungen“ verteidigt:

„Die Kritik ... ist ein wesentliches Attribut des vernünftigen Gehorsams, den man den Verordnungen der zivilen Behörden entgegenbringen muß.“

Das war der Vorstoß der katholischen Bischöfe gegen die Grundfesten der, dem Volk gegenüber, noch totalen Diktatur. Der

Vorstoß zur Befreiung der Presse aus der eisernen Zwinge der staatlichen Bevormundung ergab sich logischerweise. Anlaß dazu gab die Ansprache des Heiligen Vaters vor dem Internationalen Katholischen Journalistenkongreß in Rom 1950. Drei Monate später klang das Echo der Worte des Heiligen Vaters aus dem Hirtenbrief des Kardinal-Primas von Spanien:

„Es fühlt nicht mit der Kirche, auch wenn et sich Katholik nennt, wer die Berechtigung einer katholischen Presse verneint oder nicht anerkennt oder sie nur, im Sinne eines Totalitarismus, den Papst Pius XII. verdammt hat, der Staatswillkür unterworfen verstehen will.“

Ein Jahr später beklagt sich Bischof Herrera von Malaga, daß seit der Ermahnung des Kardinal-Primas von Spanien in ihrem Sinne „nicht ein einziger' Schritt unter* nommen wurde“. Das gleiche stellt im De-! zember 1951 der Bischof von Valencia fest.

Beharrlich und eindringlich versuchen die spanischen Kirchenfürsten vor allem die Sozialpolitik der Regierung aus ihrer in Halbheiten erstarrten Routine herauszureißen. *

„Die Masse, die immense Masse der Arbeiter ist nicht mit der Kirche, ist nicht für die Kirche; vielleicht haßt sie die Kirche...“

Das ist das Ergebnis einer Rundfrage, die der Erzbischof von Valencia unter dem Motto „Sondierung der Arbeiterseele“ organisiert hatte. Das Aergernis dieses Hirtenbriefes war groß ... *

Wie muß auch jener Hirtenbrief des Bischofs von Madrid vom 27. November 1951 den empfindlichen Spaniern in den Ohren klingen, jenen, die in verblendetem Nationalstolz jede Erwähnung unerquicklicher Zustände in ihrem Lande für nicht weniger als Vaterlandsverrat halten? Der Bischof schildert das Elend der Vorstädte Madrids; jenes Madrids, dessen Glanz, Reichtum und Lebensfreude so viele ausländische Besucher bezaubert:

„Ein großer Teil der Bewohner der Vorstädte — gewiß nicht alle, aber doch die große Masse — ist degeneriert. Ihr wirtschaftliches Elend zwang sie auf das tiefste menschliche Niveau. Die Finsternis ihrer Elendshütten, der Schmutz ihrer Lumpenkleidung, die winkeligen und verschlammten Gassen, die an Besessenheit grenzende Sorge um das tägliche Brot, das alles hat ihre Fähigkeiten beschnitten, ihren Horizont verengt, die Quellen ihrer Freuden verschüttet und eine Atmosphäre von Lustlosigkeit, Neid und Verzweiflung geschaffen; die Pflege geistiger , Interessen erlosch, an ihre Stelle trat die Angst um die nackte Existenz; das religiöse Leben geriet weit in den Hintergrund, weil andere Dinge einer brutaleren Wirklichkeit sich aufdrängten; bald haßten sie es ...“

Erst eine langsame Regenerierung und Rückerziehung mü,sse einsetzen, denen erst am Schluß die Rechristianisierung folgen könne.

Bei allem was die Regierung Francos auf sozialem Gebiet erstrebt und teilweise auch erreicht hat — die Bischöfe der katholischen Kirche können damit nicht zufrieden sein. „Für die Kirche ist die soziale Frage kein unlösbares Problem, aber sie kann es auch nicht allein lösen. Die Mitarbeit der intellektuellen, wirtschaftlichen und technischen Kräfte und der staatlichen Instanzen ist notwendig ...“,

so sah die spanische Bischofskonferenz vom 3. Juni 1951 das Problem.

, So liegt der katholischen Kirche Spaniens seit 1936 eine ungeheure Last auf den Schultern. Sie übt in der Tat die Funktionen nicht nur einer politischen Partei, sondern mehrerer, regierungsfreundlicher und oppositioneller Parteien aus; sie versucht, die fehlende Pressefreiheit, die fehlende Organisationsfreiheit, die Meinungs- und Redefreiheit zu ersetzen, so gut sie es vermag. Aber sie kann nicht mehr tun. Gegenüber einer sich auf die Zuverlässigkeit ihrer Machtmittel verlassenden Regierung fehlen ihr die eindrucksvollen, manchmal durchaus drastischen Verteidigungswaffen der politischen Organisationen, denen der Schutz der Unterdrückten und Enterbten vornehmstes Anliegen ist.

Wo aber besteht noch einmal ein Staat, in dem katholische Bisehöfe so unverblümt ihre Meinung zum Ausdruck bringen dürfen wie hier in Spanien mit seiner totalitären Regierung?

Aber täuschen wir uns nicht! Franco und seine Regierung wissen, wem sie Freiheit in Meinung, Rede und bis zu einem gewissen Grade auch in Organisation und Presse zugestehen. Daß sich die spanischen Arbeiter als Sklaven fühlen, durfte zwar ein Erzbischof öffentlich konstatieren — wie aber, wenn das ein Arbeiter, ein Syndikalist oder ein Journalist sagen wollte? Auch einem General und selbst dem Arbeitsminister bekäme eine solche Kühnheit schlecht! Der Einfluß der. Kirche und ihrer Bischöfe hat seine Grenzen. Um so mehr, als auf dieser Seite hinter der Schärfe der Worte nicht die Drohung politischer Taten zu befürchten ist.

Der Abschluß des Konkordats scheint auch für manche der unruhigsten Mahner im Purpurgewand das Zeichen für einen, wenigstens vorläufigen, Waffenstillstand gewesen zu sein. Aber es wäre zu hoffen, daß die geistlichen Hirten Spaniens sich nicht, angesichts der großen, übrigens auch merklich materiellen Zugeständnisse der Regierung zugunsten der Kirche, in ihrer Unabhängigkeit und Wachsamkeit auf allen Gebieten einschläfern lassen. . .

Denn das ehrende Attribut eines „Estado catölico“ (katholischen Staates), das Spanien besitzt, ist eine Verpflichtung, nicht nur vor dem möglicherweise leicht zu überzeugenden eigenen Volk, sondern auch vor den Katho- , liken der ganzen Welt.

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