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Der Bundeskanzler wird heftig

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Ludwig Erhard reagierte auf diese Vorwürfe heftiger, als man vermutet hatte. Durch den Staatssekretär von Hase ließ er eine Erklärung veröffentlichen, in der es unter anderem ‘‘eißt: „Die deutsche Politik ist weder von den Vereinigten Staaten noch von Frankreich abhängig. Eine gemeinsame Politik zweier Regierungen kann nicht die Übernahme aller Ansichten des Partners bedeuten.” Ob diese Erklärung, die mehr Erhards Verärgerung, als staatsmän- nische Kühle ausströmt, ein sehr kluger Schachzug war, bleibt abzuwarten. Sie bietet Strauß neue Angriffsflächen, die deshalb nicht ungefährlich sind, als er zwei Argumente für seine Politik im Hintergrund hat, die ihm nicht leicht aus der Hand zu sdhlagen sind.

Das eine ist moti an ales Ausrichtung. Aus unerfindlichen Gründen speist sich schon seit langem der langsam erwachende deutsche Nationalismus aus einem latenten Antiamerikanismus. Dieses Gefühl ist von de Gaulle mit großer Geschicklichkeit auf seiner Pressekonferenz angesprochen worden, als er meinte, Europa müsse sich von seiner Unterordnung unter die Vereinigten Staaten freimachen. Das andere, sehr reelle Argument klang ebenfalls auf dieser Pressekonferenz an. Frankreich, so sagte der Präsident, ist auf dem Weg zur Atommacht. In etwa sechs Jahren werde es so weit sein. Unausgesprochen hieß das, daß Deutschland auf dem Weg übereine Zweierunion mit Frankreich an diesem Segen teilnehmen kann. Noch wäre dies eine wichtige und wesentliche Ergänzung für Frankreich auf seinem äußerst kostspieligen Weg. Es ist aber sehr die Frage, ob dies in einigen Jahren noch so sein wird und ob dann nicht Frankreich von den übrigen EWG-Staaten eine ähnliche Unterordnung verlangen wird, wie sie heute Amerika von seinen Verbündeten erwartet. Dies wäre die Stunde, welche die Konzeption von Strauß rechtfertigen würde. Wieweit sich dieser Gedankenlang bereits innerhalb der CDU/ CSU durchgesetzt hat, ist schwer zu sagen. Bei Guttenberg klingen solche Vorstellungen an.

Goldwater und die CSU

Gefährlich für Erhards auf Amerika ausgerichtete Politik ist es, daß die deutschen „Gaullisten” vom amerikanischen Wahlkampf neue ? Argumente erhalten. Die-,Nominie- , rung Goldwaters zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten muß die Bereitschaft zur eigenen politischen Linie in Europa stärken. Jede Nachricht von den steigenden Wahlchancen Goldwaters wird Erhards Position schwächen.

Das sind handfeste Argumente, die eich für Strauß und seine außenpolitische Konzeption auswirken können. Noch scheint er diese Chance nicht begriffen zu haben, wie 6ein Eintreten für Goldwater in der CSU- Zeitung „Bayernkurier” zeigt. In seinem Interesse müßte ja eine strikte Ablehnung Goldwaters liegen, weil dies die Neigung zu einer selbständigen europäischen Politik in dem Maß steigern würde, als die Gefahren einer Präsidentschaft Goldwaters klar gemacht würden. Es ist auch zweifelhaft, ob der seit seinem Sturz ungeschickte Machtpolitiker ein so fein gesponnenes Netz zu knüpfen versteht. Er vertraut offensichtlich mehr auf das Gewicht seiner Partei. Wenn der Parteitag der CSU auch in bezug auf die außenpolitischen Ambitionen von Strauß eine Enttäuschung war, so zeigte er doch, daß Strauß sich innerhalb seiner Partei vollkommen durchgesetzt hat. War er voriges Jahr noch im Kreuzfeuer heftigster Kritik, so hat er es dieses Jahr wagen können, seinen einzigen möglichen Gegenspieler, den Bundesschatzminister Dollinger, selbst zu seinem Stellvertreter vorzuschlagen und auf diese Weise die Einheit der Pa.rtei sicherzustellen. Strauß kann darauf vertrauen, daß der loyale und gewissenhafte, aber neben Strauß farblos wirkende Dollinger für ihn keine Gefahr darstellt. Dollinger könnte für ihn nur gefährlich werden, wenn sich Strauß noch einmal innerhalb Bayerns unmöglich machen würde.

Intellektuelle als Paravant

Der Parteitag der CSU war überdies von einer hervorragenden Regie gekennzeichnet. Mehr als ein Dutzend Professoren hielten in den Arbeitskreisen Vorträge und gaben diesen damit einen seriösen Anstrich. Die ob der Ehre geschmeichelten Herren bemerkten erst zu spät, daß sie nur Verzierung waren und daß die Diskussion in den Arbeitskreisen unbeschadet der vorwiegend geistreichen Referate von einer beispiellosen Primitivität waren. So forderte der Oberbibliotheksrat Emil Franzei unter dem Beifall seiner Zuhörer „einen Durchbruch zum Volk durch eine Mauer des Linkskonformismus”, „einen Feldzugsplan gegen die Intellektuellen” und „eine Umerziehung der Nation”. Professor Hermann Matthias Goer- gen wünschte ergänzend zu diesem Programm „mehr Porträts im Stil von Kurt Ziesel über die Leute von Presse und Funk”. Wer Kurt Ziesel ist, braucht man in Österreich wohl nicht näher zu erklären..,

CSU: Wohin?

Der Parteitag zeigte, wie sehr Franz Joseph Strauß bereits den Stil dieser Partei geprägt hat. Sie,dürfte beute die Partei ‘Deutschland sein, die -am meisten den Vorstellungen jer Konservativen Revolution”, ähnelt, wie man vor 1933 eine Haltung bezeichnete, die zwar nicht nationalsozialistisch aber autoritär ausgerichtet war. Mit dieser Partei hat Franz Joseph Strauß ein nicht gering zu schätzendes Gewicht. Im konservativen Bayern ist eine Wahlniederlage der CSU unmöglich. Strauß wird in den Bundestagswahlen von 1965 Sieger sein, und es spricht alles dafür, daß er diesen Sieg dann auch mit allen Mitteln zu realisieren versuchen wird. Das kann das Ende der Schröderschen Außenpolitik sein, es sei denn, Strauß übei’dreht seine Chancen so oder macht sich selbst wieder so unmöglich, daß der CDU selbst eine große Koalition mit der SPD lieber ist, als eine solche mit der CSU. In diesem Fall wäre Strauß erledigt. Eine Rolle auf den Oppositionsbänken würde er nicht überstehen.

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