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Der Buttervulkan

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Die Sache mit dem Buttervorrat wird allmählich unheimlich. Ende 1962 hatte er in den damaligen 15 Haupterzeugerländem rund 400.000 Tonnen erreicht, Ende 1967 hatte er bereits das Gewicht von ''"430.000 Tonnen und' seither wächst er noch rascher. Die 2700 bis 3000 Tonnen Butter, die in den österreichischen Kühlhäusern lagern, haben lächerliches Zwergausmaß im internationalen Maßstab. In der kleinen Schweiz bewegt sich der Buttervor- rat ständig bei 10.000 Tonnen, Dänemark meldet zur Zeit 17.000 Tonnen und erwartet bis zum Spätherbst ein Ansteigen auf 20.000 Tonnen. Auch das kleine Irland hat Vorräte in dieser Höhe. In den EWG-Ländem ist man bei 250.000 Tonnen angelangt und erwartet in Kürze einen Butterberg von 300.000 Tonnen.

Ursache ist die zunehmende Leistung der Kuh. Wissenschaft, Zucht und Technik erzeugen die immer größeren Buttermengen. 1967 wurden in den Hauptproduktiansländem um 1,4 Prozent mehr Milch angeliefert als 1966. Die Einschränkung der Viehbestände in den USA hat sich nicht ausgewirkt. Das Angebot an Butter erhöhte sich 1967 um 4 Prozent beziehungsweise 125.000 Tonnen. Die Butterproduktion in den USA war um 56.000 Tonnen höher als 1966 und in der EWG um 52.000 Tonnen oder 4 Prozent größer als ein Jahr vorher. Ein Absinken der Butterproduktion melden lediglich Schweden (von 74.300 auf 65.100 Tonnen) und Dänemark (von 159.000 auf 155.700 Tonnen). In Frankreich, dem Butterhauptproduzenten der EWG, nahm die Produktion von 492.000 auf 530.000 Tonnen zu. Das kleine Neuseeland steigerte seine Produktion von 258.500 Tonnen in 1966 auf 259.500 Tonnen in 1967, die australische Produktion stieg von 208.800 auf 222.000 Tonnen.

Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß der Kampf um den Expartmarkt immer schärfer wird. Von dęn derzeit 17 wichtigsten Produktionsländern wurden 1967 664.000 Tonnen Butter auf den Weltmarkt geworfen, das ist um 60.000 Tonnen mehr als 1966 und das ist zugleich die bisher überhaupt höchste Ziffer. Eine Neuerung auf dem Weltmarkt ist der Umstand, daß Japan in immer größerem Maße Butterkonsument wird und daher den Import von 7000 Tonnen auf 20.000 Tonnen innerhalb eines Jahres steigerte. Das brachte eine leichte Entlastung. Un

angenehm wirkt sich aber auf den westlichen Buttermärkten aus, daß die EWG immer größere Mengen Butter aus Rußland und Osteuropa importiert, um sie in anderė Länder wieder auszuführen. Ebenso unangenehm wirken sich die Einfuhrbeschränkungen der USA aus. Auf dem europäischen Buttermarkt drücken ferner die riesigen Importe Englands aus Neuseeland und Australien. Wenn Europa keine Butter aus Ozeanien und aus dem Osten importieren würde, dann gäbe es in Europa keinen Butterberg. Anderseits gibt es Experten, die behaupten, daß die derzeitigen Versuche zur Einschränkung der Butterproduktion Unsinn seien, weil in wenigen Jahren der Welthunger so ansteigen wird, daß jedes Gramm Fett seinen Absatz finden wird.

Das Butterproblem scheint wirklich vulkanischen Charakter zu besitzen. Aber ist damit nicht eine augenblickliche Situation überbewertet? Die Franzosen sind dieser Ansicht. Sie haben mit gallischer Klarheit festgestellt, daß Europa, die USA, Australien und Neuseeland, also die reichsten Völker der Welt, das feinste und beste Fett der Welt, nämlich die Butter, in einer dem Bedarf dieser Völker gerade deckenden Menge erzeugen. Aber diese Völker, unter ihnen wieder die reichsten, wie die Holländer und die Deutschen, wollen nicht die selbst erzeugte Butter, sondern die billigen Fette aus den Entwicklungsländern verzehren: Kokosfett, Kakaobutter, Sonnenblumenöl usw. Die Reichen nehmen das Fett der Armen, wollen die Produktion der eigenen Qualitätsware einschränken und sich mit lächerlichen Entwicklungshilfezahlungen schuldlos halten. Die Franzosen haben in der EWG zur Beseitigung ihres nur rund 5 Prozent des EWG-Fettbedarfs betragenden Butterberges ein einfaches Rezept vorgeschlagen, nämlich auf das Fett der Entwicklungsländer zu einem kleinen Teil zu verzichten und die eigene Butter zu essen. Dieser Vorschlag stieß auf große Entrüstung. Warum? Anscheinend steckt in der Sache ein Wurm, ein Drache, der der Vernunft abhold ist und die Wirtschaft zum Beben bringen will. Aber vielleicht wäre der Gedanke die Überlegung wert, daß die reichen Völker ihr gutes Fett selbst essen, statt es zu zerstören und dafür sorgen, daß das Fett der hungernden Länder seinen Weg in die dortigen Mägen findet.

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