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Der erste Mann

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Am kommenden Sonntag gilt es, den ersten Mann in unserem Staate zu wählen. Zum drittenmal sind die Österreicher aufgerufen, in geheimer und direkter Volkswahl darüber zu befinden, wen sie für die kommenden sechs Jahre an der Spitze der Republik sehen wollen. Bundespräsidentenwahlen sind Persönlichkeitswahlen. Sie haben nicht zuletzt deshalb einen ganz spezifischen Charakter. Oft gab es wechselvolle Zwischenspiele. In der Stunde der Entscheidung fielen die Würfel jedoch immer zwischen jenen Männern, die von einer der großen politischen Parteien präsentiert wurden. Bundespräsidentenwahlen sind Persönlichkeitswahlen. Sie sind aber auch — dies zeigte sich schon sehr bald — Entscheidungen zwischen der Linken und der Rechten unseres Landes.

Die Bundespräsidentenwahlen dieses Jahres bekommen noch einen eigenen Akzent dadurch, daß ein amtierender Bundespräsident sich erneut um die Stimmen des Bundesvolkes bemüht. Diese Zwitterstellung Staatsoberhaupt— Parteikandidat bildete in den letzten Wochen bei jedem objektiven Beobachter, fast möchte man sagen naturgemäß, eine Quelle des Mißbehagens. Hier klafft ohne Zweifel eine Lücke In der Verfassung. Nach den Präsidentenwahlen wird man gut daran tun, aus diesen Erfahrungen heraus die nötigen legislativen Konsequenzen zu ziehen.

Bundespräsident Dr. Schärf wirbt für seine Wiederwahl aus einer starken Position. Seine Propagandisten können diesmal die weitverbreitete zeitgenössische Abneigung gegen jede Veränderung mobilisieren, und auch der in der Vergangenheit schon mehr als einmal gehörte Appell an das „Gleich-gewiohtsdcnken“ der Österreicher war wieder zu hören. Daß man von den Kommunisten „Unter den Linden“ — das heißt in unserem Fall: unter den Bäumen der Ringstraße — nicht gerne öffentlich gegrüßt wird, die von ihnen abermals angebotenen Stimmen aber selbstverständlich wieder nimmt, ist eine andere Sache. Auch die „weiße Parole“ der FPÖ muß sich, so sie mehrheitlich befolgt wird, für Doktor Schärf günstig auswirken. Womit die FPÖ sich dies — und vielleicht noch anderes — honorieren läßt, bleibe dahingestellt. Schon hört man von den plötzlich dahingeschmolzenen Widerstand der Sozialisten gegen den Eintritt der Freiheitlichen in den Österreichischen Bundesjugendring.

Dies alles braucht aber nicht zu überraschen. Es war vorauszusehen. Deshalb konnte man auch seinerzeit guten Gewissens — und wir haben es getan — die Frage zur Diskussion stellen, ob die Österreichische Volkspartei nach gewonnenen Nationalratswahlen diesmal den Fehdehandschuh der Präsidentenwahl aufnehmen müßte. Dieser Gedinke wurde bis in die obersten Parteigremien erörtert. Wenn die Entscheidung dann doch anders ausfiel, so

ist heute gewiß nicht die richtige Stunde, die Diskussion darüber zu erneuern.

Mit der Kandidatur von Altkanzler Julius Raab hat die Partei jedenfalls ihr Feldzeichen nach vorne getragen. Julius Raab: Dieser Name steht für die Österreichische Volkspartei im Zenit ihrer Stärke und Geschlossenheit. Julius Raab: Mit diesem Namen verbindet man im In- und Ausland mit gutem Recht die Gedanken an Staatsvertrag und Neutralität — die Grundlagen der staatlichen Eigenständigkeit und der persönlichen Freiheit. 1957 wären — dessen sind wir sicher — dem „Staatsvertragskanzler“ Julius Raab die Tore zum Amtssitz des Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg weit offengestanden. Heute ist deT Weg dorthin steiniger. Wenn Julius Raab sich entschlossen hat, ohne Schonung seiner Person dem Ruf zu folgen und diesen Weg anzutreten, so wohl deswegen, weil er glaubte, auch dieses Opfer der Partei, mit der er sein Leben verband, in einer heiklen Situation bringen zu müssen. Welchen alten Soldaten leidet es auch zu Hause, wenn die Trompete zum Streit ruft? Und wenn schon, dann muß ein Julius Raab an der Spitze vorangehen.

Wir rächen bisher von Raab und Schärf. Aber ist nicht auch ein dritter Mann im Spiel? Die Kandidatur des erst im Jänner dieses Jahres in Pension gegangenen Gendarmeriegenerals Doktor Josef Kimmel ist bestimmt von Interesse. Ist es doch das erstemal, daß ein dritter Kandidat nicht mit „Richtstrahlern“ auf das dritte historische Lager der österreichischen Innenpolitik angetreten ist. sondern seine Wahlwerbung bewußt unter die rotweißrote Fahne stellte. Ob aber Dr. Kiminel dieses späten Ausflugs in die Politik froh werden wird? Nüchterne Überlegungen müßten ihm eigentlich die Erfahrungen in Erinnerung gerufen haben, daß ernstlich nur ein von einer Großpartei unterstützter Präsidentschaftskandidat reüssieren kann. Warum dann also? Um als „Blitzableiter“ für die Mißgelaunten der verschiedensten Schattierungen zu dienen? Seine Kandidatur kann die Entscheidung zwischen Raab und Schärf bestenfalls um drei Wochen hinausschieben. Wem ist damit gedient? Auf keinen Fall scheint solches die Gefährdung alter politischer Freundschaften wert.

Drei Männer bewerben sich am kommenden Sonntag um unsere Stimmen. „Wahlempfehlungen“ im üblichen Sinne zu geben beziehungsweise zu bekommen, ist nicht Sache der „Furche“, noch ihrer Leser, die sich mit Recht auf ihre politische Mündigkeit und ihr eigenes Gewissen etwas zugute halten.

Allen Respekt vor dem gegenwärtigen Bundespräsidenten, der in seinem hohen Amt gewiß manche seiner bekannten Anymositäten gegen alles, was mit Kirche und Katholizismus zu tun hat, abgebaut hat. Mit Julius Raab, dem der Gründer und langjährige Herausgeber unseres Blattes, Dr. Friedrich Funder, sein zweites Memoirenwerk „In. alten Treuen“ zugeeignet hat, verbinden uns jedoch alte Bande. Sie zu erneuern, steht auch einer nachrückenden Generation gut an. Aus diesem Geist kommen wir zu dem Schluß: Eine Stimme für Julius Raab ist eine gute Stimme, eine Stimme für Julius Raab ist die Stimme für einen Katholiken, der durch seinen Einsatz für dieses Land und dessen Zukunft wohl ein Anrecht auf sie hat.

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