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Der Friede braucht viele Kompromisse

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Aus 17 Staaten kamen Religionsgelehrte - Juden, Christen, Moslems: zum sechsten internationalen Trialog (ISAT) - erstmals nach Jerusalem.

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Aus 17 Staaten kamen Religionsgelehrte - Juden, Christen, Moslems: zum sechsten internationalen Trialog (ISAT) - erstmals nach Jerusalem.

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Während Israels Ministerpräsident Jizchak Rabin in den Autonomieverhandlungen mit der PLO deren Führer, Jassir Arafat, den Ball zuspielte, tagte in Jerusalem erstmals jene internationale Gruppe jü- disch-christlich-moslemischer Religionsgelehrter, die vor einem Jahr in Graz zu einem Friedenstrialog zusammengekommen war. Das am Mittwoch, 5. Jänner, zu Ende gegangene 6. ISAT-Treffen hieß den Nahost-Friedensprozeß willkommen und sagte in einer Erklärung dem israelischen und palästinensischen Volk seine volle Unterstützung zu. Die Konferenz suche Wege, „die von der zerstörerischen Uneinigkeit wegführen, für die unsere drei religiösen Traditionen so oft mißbraucht worden sind“.

Schon am Eröffnungstag, am 1. Jänner, wurde klar, daß die Konferenz dieses Jahr aus dem rein akademischen Kontext herausgehoben sein würde. Es ist in den letzten Jahren ein verstärktes Anliegen der ISAT-Organisatoren gewesen, wo auch immer die Tagung stattfand, lokale Gelehrte und religiöse Führer in ihr Gespräch einzubinden. In Jerusalem hat dieses Unterfangen eine besondere Dimension bekommen: nicht nur, daß jüdische und christliche lokale Repräsentanten an einem Tisch saßen, es fanden auch Treffen mit politischen Persönlichkeiten, unter anderen mit Palästinenserführer Faisal Husseini, statt.

Bei der Abfassung oben genannter Erklärung zeigte sich die ganze Sensibilität der Frage, was unter „Frieden“ zu verstehen sei: während für die moslemische Seite ein Frieden ohne „Gerechtigkeit“ nicht denkbar war, lehnte die jüdische Seite diesen Begriff wegen zu vieler dahinter verborgenen Konnotationen ab. Friede müsse notwendigerweise einen Kompromiß inkludieren. Wenn jeder darauf bestehe, daß ihm volle Gerechtigkeit widerfahre, werde es keinen Frieden geben. Das Thema „Visionen des Friedens“ stand auch am letzten Konferenztag auf der Tagesordnung.

Der Tagungsort Jerusalem hat auch das Programm umgestoßen und das für heuer vorgesehene Hauptthema „Frauen in den drei Traditionen“ auf Platz zwei verdrängt - sehr zum Mißvergnügen der am Trialog beteiligten moslemischen Feministinnen Riffat Hassan (Pakistan, heute USA) und Sona Khan (Indien).

Dem Thema „Frauen“ war lediglich ein Nachmittag Vorbehalten, der auf die Fortsetzung im nächsten Jahr - wahrscheinlich in Berlin — gespannt sein läßt. Größtes Interesse bei der Diskussion fand das moslemische Frauenproblem. Beeindruk- kend die Stellungnahme des moslemischen Theologen Fathi Osman: Wenn der Islam nicht die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Moslems und Nicht-Moslems herstelle, werde er das 21. Jahrhundert nicht überdauern.

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