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Der heilige Adalbert, ein Patron für Europa?

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Papst JohannnesPaul II. besuchte vergangenen Dienstag die alte polnische Hauptstadt Gnesen (Gniezno), die im Jahr 1000 zum ersten katholischen Erzbischofssitz erhoben wurde und das Grabmal des heiligen Adalbert (Wojciech) beherbergt.

Die Gestalt des heiligen Adalbert -des ersten Heiligen Polens - erinnert an die Anfänge des Christentums in diesem Land. 30 Jahre nach dem offiziellen Akt der Taufe des Fürsten Mieszko I. hat Polen 997 durch den Märtyrertod des Bischofs Adalbert -während seiner Christianisierungsmission bei den Pruzzen - den ersten eigenen Heiligen bekommen. Der Kult der Heiligen und ihrer Reliquien spielte im Mittelalter eine enorme Rolle. Die Missionstätigkeit des Bischofs Adalbert, die unter direktem Schutz des Fürsten Boleslaw Chrobry stand, und dann sein Märtyrertod brachten dem jungen, polnischen Staat viel Prestige und beeinflußten die weitere politische und soziale Entwicklung des Landes.

Adalbert war kein Unbekannter in der damaligen christlichen Welt. Als Sohn des tschechischen Herzogs Slawnik erhielt er, dank Kaiser Otto II., das Bistum von Verona und spielte eine Vermittlerrolle zwischen der westlichen Welt der lateinischen Kultur und den neuen, sich gerade zum Christentum bekehrenden Teilen des östlichen Europas. Boleslaw Chrobry kaufte bei den Pruzzen Adalberts Leichnam los und bestattete ihn in der Kathedrale von Gnesen, der ersten Hauptstadt Polens.

Die heutige, auf dem Lech-Hügel emporragende Kirche ist eine gotische, dreischiffige Basilika aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. In ihrem unterirdischen Teil befinden sich Überreste von drei früheren, romanischen Bauten, die auf die Zeit von Mieszko I. und Boleslaw Chrobry zurückgehen. Das berühmte bronzene Tor stammt aus der Zeit um 1175. Es stellt die Vita sancta des heiligen Adalbert in 18 Bildern dar. Der linke Flügel erzählt vom Leben Adalberts beginnend mit der Geburt bis zum Aufenthalt im Kloster des heiligen

Alexius auf dem Aventin in Italien. Auf dem rechten Torflügel werden die Ereignisse in Polen dargestellt: die Mission bei den Pruzzen, der Märtyrertod und die Grablegung in der Kathedrale von Gnesen.

Das Tor gehört zu den Meisterwerken der mittelalterlichen Kunst, es übermittelt realistische und symbolische Inhalte. Das Werk entstand höchstwahrscheinlich im Kreis der mittelalterlichen Klosterkultur. Es weist starke Ähnlichkeiten mit den Erzeugnissen des bekannten Metallurgiezentrums in Leodium (heute die Gegend von Liege) auf. Bis heute weiß man nicht, wer das Tor gespendet hat. Während der Restaurierungsarbeiten im Jahr 1995 entdeckte man ein Monogramm des Bildhauers Luitinius, des künstlerischen Gestalters des Tores,

Schon im Jahr 1000 pilgerte Kai-serr Otto III. zum Märtyrergrab und schmückte den Altar in der Kathedrale mit Tafeln aus gediegenem Gold. Das historische Zusammentreffen zwischen dem römischen Kaiser, dem legaten des Papstes Silvester IL, und dem polnischen Herrscher Boleslaw Chrobry am Grab des heiligen Adalbert wurde zu einem bedeutenden historischen Ereignis. Gnesen wurde zum Erzbistum erhoben, und Boleslaw Chrobry konnte die königliche Krone anstreben. Die Kathedrale wurde zum Krönungsort der ersten polnischen Könige.

In der Epoche der Wahlkönige übte der Primas von Polen als Inter-rex von hier aus die Amtsgewalt. Die Verbindung der Primaswürde mit der Stadt Gnesen hat sich bis heute als Tradition erhalten. Im unterirdischen Teil der Kathedrale befinden sich auch Gräber der früheren Primaten von Polen. In der Apside der romanischen Basilika wurde höchstwahrscheinlich der erste Erzbischof von Polen, Radzym Gaudenty, in einem bis heute erhaltenen Steingrabmal bestattet.

Seine sterblichen Überreste wie auch der Ijeichnam seines Bruders, des heiligen Adalbert, sind 1039 vom böhmischen Fürsten Brzetyslaw als Kriegsbeute nach Prag gebracht worden. Wie der erste böhmische Chronist Kozma berichtet, raubte Brzetyslaw alle Kostbarkeiten aus der Kathedrale; darunter das goldene, 40 Kilogramm schwere Kreuz gespendet von Boleslaw Chrobry; drei große, goldene Altartafeln, eine Gabe Kaiser Ottos III., und vieles andere.

Heute befinden sich in der Kathedrale noch einige Reliquien des Heiligen. Ein silbernes Sarg-Reliquiar aus dem Jahr 1662 beinhaltet Reliquien, deren Herkunft unbekannt sind. Zu diesen Reliquien - ohne den barocken Sarg - pilgerte 1113 König Boleslaw Krzywousty barfuß, um seine Sünden zu büßen. Das Armreli-quiar, das Boleslaw Chrobry einst Otto III. schenkte, stammt von dem Arm des Heiligen.

Die Reliquien des heiligen Adalbert und sein Kultus zogen seitjeher Pilger nach Gnesen an. Der Heilige wurde später der Patron von Polen, Tschechien und Ungarn. Als Symbol der ottonischen Ideologie, die „Sla-vonia” in das Westchristentum einschließen wollte, könnte der heilige Adalbert heute zum Patron des sich vereinigenden Europas werden.

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