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Der Kampf der Giganten

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Am 22. August brach der deutsche Privatsender SAT 1 die Talkshow „Schreinemakers live" mittendrin ab. So etwas hatte es zuletzt im Dezember 1989 gegeben, als der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu bei einer Rede von seinen Untertanen ausgepfiffen wurde. Margarethe Schreinemakers hatte zwar nicht ihre Zuseher über Jahre unterdrückt und gequält - obgleich für manche der Konsum der Show einer Folter nahekommt -, aber sie hatte versucht, vor laufender Kamera ihre persönlichen Probleme mit dem deutschen Finanzministerium auszubreiten. Daß die Moderatorin rechtfertigen wollte, wieso ihre Produktionsfirma einem Treuhänder auf den als Steuerparadies bekannten niederländischen Antillen gehört, ging den Programmachern zu weit.

Hinter diesem Konflikt steht ein anderer: Schreinemakers gilt als die deutsche Quotenkönigin; die umstrittene Sendung zum Beispiel hatte um zehn Uhr 7,5 Millionen Zuseher, den Eklat um 23 Uhr 45 sahen immerhin noch 4,5 Millionen Menschen. Ende dieses Jahres läuft ihr Vertrag bei SAT 1 aus und Schreinemakers wechselt zum Konkurrenten RTL. Da ist es SAT 1 nur recht, wenn die populäre Talkmasterin ins Zwielicht gerät -obwohl es eher so aussieht, als hätte Schreinemakers, und damit ihr zukünftiger Brötchengeber, von dem aufsehenerregendem Ereignis profitiert. Die beiden beteiligten Sender sind die Pioniere des deutschen Privatfernsehens - und erbitterte Gegner. Am 1. Jänner 1984 begann RTL, unter Umgehung der deutschen Gesetze, von Luxemburg aus zu senden; genau ein Jahr später folgte SAT 1 -und ist seither der ewige zweite geblieben.

RTL-Chef Helmut Thoma kopierte das amerikanische Fernsehen und probierte so lange am Programm herum, bis er diese Form des TV dem Geschmack der Deutschen angepaßt hatte. SAT 1 hingegen spielte zu Beginn vor allem Programme aus den Beständen seines Eigentümers Leo Kirch - darunter viele miserable Filme und billige Soap-Operas. Denn Kirch hatte sich schon in den sechziger und siebziger Jahren 15.000 Spielfilme und Fernsehserien gesichert und damit den Grundstein für seinen Einfluß im deutschen Fernsehgeschäft gelegt. Die wurden nun in SÄT 1 erbarmungslos abgespielt. Trotz Milliardeninvestitionen in den Ankauf von Bechten auf hochkarätige Sportübertragungen konnte der Sender sein dadurch verursachtes Image noch nicht ganz loswerden.

Heuer schlug Kirch so gewaltig wie noch nie zu: Im Juli kaufte er um umgerechnet rund 24 Milliarden Schilling die Rechte für die Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Außer in den USA kann er seine Ware weltweit exklusiv vermarkten. Wenige Tage später gab Kirch eine weitgehende Partnerschaft mit Rupert Mur-doch bekannt, dem größten Medienzaren der Welt. (Ihm gehören Zeitungen wie die Londoner „Times" und die „New York Post", zahlreiche Fernsehsender in aller Welt und die Filmstudios der „20th Century Fox" in Hollywood.) Nicht zu vergessen die Kanäle PRO 7, Kabel 1, Premiere und DSF, die ebenfalls zum Kirch'schen Imperium gehören.

Auch hinter RTL steht eine mächtige Gruppe: der Bertelsmann-Verlag, der zweitgrößte Medienkonzern der Welt. Allein in Deutschland verfügt das Unternehmen neben RTL auch über RTL 2, Super RTL, Vox und pre-miere.

Zwischen diesen beiden Mediengiganten teilt sich der Fernsehmarkt Deutschland auf - auch jener der Zukunft: das Pay-TV. Experten prophezeien, daß jene Privatsender, für die man bezahlen muß, die meisten jetzt noch gratis erhältlichen Programme („Free-TV") verdrängen werden. Die verbleibenden kostenlos empfangbaren Kanäle dürften dann noch seichter werden, als sie jetzt schon sind. In England gibt es aufgrund des zunehmenden Einflusses von Pay-TV-Sen-dern schon so etwas wie ein Grundrecht auf Fernsehen: Das dortige Parlament beschloß, daß acht Sportereignisse von nationalem Rang für alle Zuschauer via Bildschirm zugänglich sein müssen.

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