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Der Massenmord im Weltgeschehen

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Auf hunderterleimebelverhangenen Wegen tasten Menschen nach Erkenntnis. Oft ist die Methode 6kurril, das Wesen unzureichend, der Ausdruck verworren. Solange aber in irgendeiner Ferne das Ziel zu ahnen ist, wird man als Kritiker nur behutsam Urteil fällen. Man begrüßt es daher beinahe mit Erleichterung, wenn man auf ein Werkdien stößt, bei dem solche Rücksicht nicht vonjiöten ist, möchte die Kollegen aufmerksam machen „Da ist nichts zu verschütten, nichts Zu zertreten, Freunde“. So könnte man angesichts des schmalen Bändchens sprechen.

D s Thema: Die Massaker der Weltgeschichte, wäre, wenn auch nicht gerade erfreulich, zweifelsohne eingehender Betrachtung würdig. Es wäre wichtig, einmal den Versuch zu machen, die Tiefenursachen dieser grausigen Begebenheiten aufzuklären, die Gründe für das plötzliche Freiwerden der Regteesionskräfte aufzudecken. Dazu müßte Zunächst das gesamte Material gesammelt und! wissenschaftlich bearbeitet werden. Dieser Versuch wird hier in einer tabellari- scheh Übersicht gemacht. Bei Überprüfung der Angaben aus jüngster Zeit stoßen wir auf das folgende: „Fememorde 192Ö hi« 1924 in der Weimarer Republik. Zweck: Beseitigung von Spitzeln und Überläufern.“ Dies ist natürlich eine infame Diffamierung der Ermordeten. Allein die Gestalt des 1922 erschossenen Rathenau weist die Bemerkung in die Gefilde von Bösartigkeit öder Ignoranz. Die Beweggründe „Sicherung geheimer Warenlager gegen weiteren (eigene Hervorhebung) Verrat an da6 Ausland11 richten sich bereits durch das heimtückische „weitere“. Vergleichsweise die Vorfälle des o'berschle- siscßen Blutterrors: Gründe: Chauvinismus und Raubgier,

Die Bezeichnung „Blomberger Blutsonntag' erweckt den Eindruck, daß es sich um Vorfälle in dieser Stadt handelt. In der Klammer erfahren wir, daß es sich um die Vorfälle in ganz Polen dreht. Die Opfer werden mit SC.OßO angegeben, die seinerzeit von Goebbels angeführte Zahl. Als Beweggrund wird nicht der bevorstehende deutsche Angriff angeführt, sondern „Terrorvorbereitung". Besonders grotpsk ist, wenn bei den Morden der „Einsatzgruppen“ und dem Blutbad von Lidice als Urheber „nationalsozialistische Extremisten“ angeführt werden. Hier handelt es sich doch um Taten, die von der NS-Hlerarchie angeordnet und von den Kerntruppen des

Regimes ausgeführt wurden. Akzeptiert man diese Terminologie, könnte man etwa Stalin in einem Nachschlagswerk als „kommunistischen Exzentriker“ führen oder eine Beschreibung der Invasion mit den Worten beginnen „In den Morgenstunden Landung angelsächsischer Extremisten bei Caen“. Während in ihren Konsequenzen kaum wirklich abschätzbare Maßnahmen wie die Seeblockade mit säuberlichen Ziffern festgehalten werden, fehlen leicht überblickbare Massaker wie die Greueltat von Oradour, weil sie „gerichtlich nicht geklärt ist“. Nein, da wollen wir lieber nichts Von ihr hören!

Genug der Beispiele! In dem Text noch ein bemerkenswerter Satz: „Niemand wird behaupten wollen, die Demokratie sei nicht mehr diskutabel, weil 6ie ihre abendländische Wiedergeburt im Zeichen der jakobinischen Blutherrschaft erlebt hat.“ Wir können natürlich nicht behaupten, daß der Verfasser, der scheinbar die englische Erhebung von 1640 übersehen hat, damit sagen will, daß auch eine Wiederkehr des Nationalsozialismus nicht durch die Verbrechen versperrt ist oder versperrt werden sollte, die unter seinen Symbolen begangen wurde. Aber wir können behaupten, daß ein bestimmter Teil der Leserschaft den Satz so ergänzen wird, und Wir müssen des weiteren darauf hinweisen, daß der ganze Tenor des Buches — wir Wilden sind doch bessere Menschen — sie auf diese Schlußfolgerung vorbereitet.

Heinrich Maria W aasen

Der Balkan von Diokletian bis Tito. Von Alexander Randa. Verlag der NZN, Zürich. 200 Seiten.

Wie eine Ouvertüre leitet das Kapitel „Spalatö, Sinnbild des Südostens" das Buch ein, auf knappstem Raum ein farbenprächtiges, dichtes Bild, beginnend mit der Römerzeit und fortgeführt bis in die jüngste Vergangenheit. Dieses Einleitungskapitel enthält bereits alles, was in den weiteren Abschnitten des Buches ausführlicher, vollständiger, aber immer packend, in gedrängter (stellenweise leider auch überladener) Sprache geboten wird: eine überraschende Fülle von Daten, Namen, Ereignissen, zu einprägsamen Bildern züsammengefügt. In erster Linie wohl als Einführung für den westlichen Leser gedacht, den es durch bunte, lebendige Darstellung — an einen Balkanbasar erinnernd — fesselt, bietet es doch auch dem weiter und tiefer Ein dringenden Neues und Wesentliches: so wenn es unterstreicht, daß mehr'als die Hälfte aller Römerkaiser zwischen 200 und 600 n. Chr. dem Balkan entstammt, wenn gezeigt wird, daß Ost-Rom keineswegs ein griechisches Reich war oder wenn die vom Balkan ausgehende Umprägung des römischen Reichsgedankens zur Glaubensgemeinschaft eines sacrum im-- perium für die Geschichte auch des übrigen Europa gewürdigt wird. — Von einigen wenigen Fehlern (oder Druckfehlern) abgesehen (zum Beispiel die Erwähnung Benedikts XV. im Jahre 1774), stört oft die gehäufte Verwendung unerklärter Ausdrücke, Redewendungen wie „der bedächtige Einsiedler von (!) Hradschin“, die im übrigen Text keine Erklärung finden, verleiten uneingeweihte Leser zur Flüchtigkeit. Die Erwerbung der Bukowina durch Österreich nur auf die „zweckmäßige Verwendung goldener Schnupftabakdosen“ zurückzüführen, ist eine der entschieden zu weit gehenden Generalisierungen.

Dr. H. Slapnicka

Knaurs Weltatlas. 119 farbige und schwarze Haupt- und Nebenkarten mit ausführlichem geographischem, bevölkerungs- und wirtschaftspolitischem Text, mit vielen Spezialkarten, Tabellen und Schaubildern. Vollständig neu bearbeitet von Günther P a h 1. Droemersche Verlagsanstalt, München. Ausgabe 1951/1952. 608 Seiten.

Zur Beurteilung der vielfältigen weltpolitischen Vorgänge ist es unerläßlich, über ein Nachschlagwerk zu verfügen, das nicht nur rein visuell den geographischen Schauplatz der Ereignisse sichtbar macht, sondern auch deren innere Ursachen und Zusammenhänge darlegt. Die Gegenwart ist zudem am Weltgeschehen viel intensiver interessiert als frühere Zeiten, weil sie seine Auswirkungen viel unmittelbarer spürt, und eie begnügt eich daher nicht mit allgemeineren Informationen. Für diesen notwendigen Einblick ins Wesentliche stellt der „Knaur“, der sich immer noch bescheiden als „Weiltatlas“ bezeichnet, ein in seiner Art schlechthin vollkommenes Hilfsmittel dar. Besondere Anerkennung verdient die mit reichstem Bild- und Ziffernmaterial ausgestattete textliche Überschau über jeden einzelnen Erdteil und in deren Rahmen wieder über jedes einzelne Land, Man kann sagen, daß hier jeder zur Beurteilung der politischen und wirtschaftlichen Probleme der Welt wesentliche Umstand Berücksichtigung findet. Im ganzen: eine vorbildliche Informationsquelle von strenger Objektivität.

Cart Peez

Das Werk Michael Pachers. Von Eberhard

H e m p e 1. 6. Auflage. Verlag A. Schroll, Wien, Preis S 84.—,

„Das ganze Alpengebiet von Innsbruck bis Bozen und Salzburg bis zum Kärntner Stift. St. Paul im Lavanttal muß von Werken Michael und Friedrich Pachers angefüllt gewesen sein“, urteilt Eberhard Hempel in seinem eben — verdientermaßen — in 6. Auflage vorliegenden Pacher-Buche. Viel ist verlorengegangen, aber es ist doch ein Trost, daß in Österreich und auch in Südtirol die kostbarsten Werke aus dem Kunsterbe Pachers erhalten geblieben sind und uhs mit dem Fortschritt der Technik in immer größerer Schönheit vorgeführt werden können. Der vorliegende Band hat in einer Schau von 4 Färb- und 96 Schwarzdruckbildern den letzteren auch schon einige Pacher neu zugeschriebene Werke eingefügt, so ein von J. Ringler mit Bestimmtheit Michael Pacher zugeschriebenes Spätwerk (1490), das von der englischen Familie Simon- son in den achtziger Jahren in Brixen erworben worden sein soll und von ihr der Londoner National Gallery vermacht wurde. Der größte Teil der Bilder, alle Großschöpfungen Pachers eingeschlossen, sind in der 6. Auflage Neuaufnahmen von einem nicht zu überbietenden Glanze, eine wahre Augenweide. Um der Echtheit einer der schönsten Mariendarstellungen Pachers, jener auf dem Hauptaltar der Salzburger Franziskanerkirche ganz zu entsprechen, hat die Bildwiedergabe die aus Mitte 19. Jahrhundert stammende Figur des Christkindes zum Vorteil weggelassen.

Dr. Friedrich Funder

Der Wiener Stephansdom und seine Geschichte. Von Richard Kurt D o n i n. Zweite, veränderte Auflage. Verlag von Anton Schroll, Wien. 158 Seiten und 86 Abbildungen.

Die vor sieben Jahren erschienene, längst vergriffene erste Auflage, die noch im Jahre der Zerstörung des Domes gedruckt wurde, ist durch das reich angewachsene Schrifttum sowie durch die neuen Forschungsergebnisse, die durch die Grabungen und Wiederherstel- lungsarbeiten aufgehellt wurden, bei weitem überholt. Die gebotene Neuauflage bietet die geschichtliche und künstlerische Entwicklung des Stephansdomes nach der zeitlichen Abfolge Von dem ersten Kirchenbau aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis zur jüngsten Gegenwart, wobei immer wieder trotz dem Verschiedenartigen, durch Zeit und Stil Getrennten, der Genius heimischen Künstlertums, der im größten und schönsten gotischen Bau des mitteleuropäischen Südostens nie versiegend schöpferische Kräfte entfaltete, überzeugend aus der bodenständigen Wiener Bautradition aufgezeigt wird. In der Anlage ist dieses Budi wegen der bewährten Handlichkeit und Übersichtlichkeit, insbesondere wegen des vorangestellten Grundrisses mit den durchnumerierten Erläuterungen und des Anhanges (Erklärung von Fachausdrücken), für den Laien wie für den Kuhstfreund der klassische Domführer geworden. Dankenswert ist die beigegebene Literaturübersicht bis in die neueste Zeit, ebenfalls das Künstler- und Namensregister. Der Bilderteil, der das Studium dea Domes erleichtert, ist um viele neue Aufnahmen vermehrt. Durch Beigabe einer Innenaufnahme seit der Wiedereröffnung des Alberti- nischen Chores hätte dieses literarische Kleinod nur noch gewonnen.

Dr. P, Benno Roth O.S.B., Seckau

Der göttliche Stab des Aeskulap. Vom geistigen Wesen des Arztes. Von Werner Leibbrand. Otto-Müller-Verlag, Salzburg. 386 Seiten.

Das vorliegande Werk ist bereits 1939 in zweiter Auflage erschienen und umfaßte damals 512 Seiten. Die dritte Auflage trägt den Vermerk „erweiterte Auflage. Der Untertitel lautete in früheren Auflagen „Eine Metaphysik des Arztes“. Schon vorher hatte sich der Verfasser mit seiner „Romantischen Medizin" (Govert, Hamburg 1937) als Medico- historiker gut eingeführt. Die früheren fünfzehn Kapitel sind um eines vermehrt (3. Das Mißverstehen der hippokratischen Erfahrung); die einzelnen Kapitel selbst zum Teil nicht unwesentlich gekürzt. Da den Referenten begreiflicherweise das 15. (früher 14.) Kapitel („Pastoralmedizin“) besonders interessiert hat, mußte er feststellen, daß sich darin gegenüber 1939 60 gut wie nichts geändert hat. Noch immer weist die Darstellung der historischen Entwicklung der Pastoralmedizin eine seitenlang fast wörtliche Übereinstimmung mit dem historischen Kapitel aus der „Pastoralmedizinischen Propädeutik" (Pustet, Salzburg 1935) des Referenten auf, ohne daß der Verfasser es für nötig gehalten hätte, ein Herkunftszitat anzubringen, während er sonst mit Zitaten und Quellenangaben nicht sparsam ist. Was 1939 noch im Hinblick auf den herrschenden Zeitgeist verständlich sein mochte, dafür gibt es 1952 keine Entschuldigung mehr.

Univ.-Prof. DDDr. Albert Niedermeyer

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