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Der Pariser Kongreß der katholischen Presse

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Es gibt verschiedene Typen unter dem Titel Kongreß: Jahrmärkte der Eitelkeit oder auch Demonstrationen irgendwelcher echter oder falscher weltlicher Macht. Der Vierte Kongreß der Internationalen Union der katholischen Presse, der in der ersten Maiwoche in Paris unter dem Vorsitz des Direktors des „Osservatore Romano“, Conte dalla Törre, tagte, war seinem Ursprung und seinem Wesen nach anderer Art. Einer friedlosen, von Kriegsschrecken und Bedrohungen befallenen Welt stellte er eine eindeutige Manifestation des Friedenswillens, der Völkerzusammengehörigkeit, gemeinsamer Arbeit und des einmütigen Bekenntnisses der verantwortungsbewußten Ordnung des beruflichen publizistischen Wirkens nach den ewigen Wahrheiten des Christentums gegenüber. Schon die Liste der 225 aus allen Regionen des Erdkreises stammenden Mitglieder war bezeichnend. Erschienen waren aus Deutschland 45, Frankreich 31, Belgien 26, Spanien 26, Schweiz 19, Italien 18, Niederlande 10, Luxemburg 6, Oesterreich 4, Großbritannien 4, Irland 2, Portugal 2, Saargebiet 2; aus der Emigration von Ländern hinter dem Eisernen Vorhang: Ukraine 4, Polen 2, Ungarn 2, Rumänien 1, Litauen 1; aus Asien: China 1, Indien 2; aus Nord- und Südamerika: Kanada 5, USA 3, Mexiko 1, Haiti 1,’ Brasilien 1, Uruguay 2, Venezuela 2; aus Afrika: Madagaskar 1, Dakar 1. Keiner der drei vorausgegangenen internationalen Kongresse der katholischen Presse war derart weltweit umfassend gewesen.

Die Geschichte der „Internationalen Union der katholischen Presse“, der Einberuferin der Pariser Tagung, verdient, verzeichnet zu werden. Um die Jahrhundertwende bestand noch keine über Staatsgrenzen hinausreichende Verbindung innerhalb der katholischen Presse. Es fehlte; — bezeichnend für die damalige Situation selbst in der geistigen Region katholischer Universalität — jede organische Fühlung. Erst 1926 erfolgte aus belgischer Initiative die Gründung eines „Bureau International des Journalistes Catholiques“, zu dessen ersten Präsidenten der Chefredakteur des in Namur erscheinenden Blattes „Vers l’Avenir“, Rene Delforge, gewählt wurde. Nach dessen Tode wurde 1930 Dr. Friedrich s Funder zur Präsidentschaft berufen. Diesem ersten internationalen Zusammenschluß der katholischen Journalisten war schon 1928 die Einsetzung einer internationalen ständigen Kommission der katholischen Zeitungsherausgeber gefolgt, deren Leitung der Direktor der „Croix“, Abbe Merklen, übernahm. Beide berufsständischen Gruppen, die der Journalisten und die der Herausgeber, tagten in der Regel brüderlich gemeinsam. Durch die Enge eines politisch zersplitterten Kontinents tastete man sich langsam aus kameradschaftlichen Vereinigungen der Spitzenvertreter der katholischen Presse Europas zur allgemeinen Organisation vorwärts. Für den dritten Kongreß, der zufolge einer 1936 im Namen der österreichischen Regierung von Dr. Funder überbrachten Einladung für Mai 1938 nach Wien einberufen wurde, lag bereits ein Statütenentwurf bereit, der in Konferenzen zu Budapest, Luzern und Breda herangereift war. Er sollte zur allgemeinen Organisation der katholischen Presse der Welt überleiten. Zugleich mit der Freiheit Oesterreichs fiel auch die großzügige Planung des Kongresses der Gewalt Hitlers zum Opfer. Doch das große Vorhaben wurde nicht auf die Dauer vernichtet. 1950 konnte auf der glänzenden Tagung in Rom schon die Internationale Föderation vereinsgesetzlich aufgebauter, autonomer, nationaler Berufsvereinigungen katholischer Journalisten und eine Föderation der katholischen Presseagenturen aus der Wiege gehoben werden.

Heute ist die Zeit der Pioniere und Gründer im Raume der katholischen Presse vorüber. Ihre Internationale Union ist, wie die Programmschrift des Pariser Kongresses feststellt, „in die Phase der praktischen Arbeit eingetrete n“. Zeugnis dafür das imponierende geistige Profil der Pariser Tagung, das sich in der Beratungsordnung aussprach. In seinem schönen, warmen „Bienvenue“, dem Willkomm, das der Chefredakteur der „Croix“, Abbe Gabel, als Präsident des vorbereitenden Ausschusses zur Eröffnung des Kongresses den Teilnehmern bot, gebrauchte er die Worte:

„Die Presse leiht der Verkündigung der Heilsbotschaft eine Hilfe besonderer Art. Diese Hilfe ist wirkungsvoll zu gestalten; deshalb wendet sich dieser Kongreß ausdrücklich ab von allem Amateurwesen, aller Improvisation und dem daraus folgenden Mangel an Aufnahmebereitschaft der Menschen, zu denen die Presse zu sprechen berufen ist. Es geht hier nicht darum, ein Hoheslied zum Preise des Allerhöchsten anzustimmen und sich zu bemühen, daß dieses Lied poetisch und melodisch sei. Es geht darum, daß die katholische Presse, durchdrungen von dem Eifer des echten Publizisten, eine wahre und wirkliche Presse sei, verpflichtet den Gesetzen ihrer Aufgabe, die Erwartungen der weiten Oeffentlichkeit erfüllend." Der Geschichte der Union, der Würdigung des Erreichten und der großen Zielstellung wurde das glänzende Referat gerecht, das Jean-Pierre Dubois-Dumee, der Chef des ständigen Sekretariats der Union, erstattete, eine „Bilanz der Aktivität“, die sich sehen lassen konnte. Vermerkt sei, daß in seinem Bericht der Sprecher feststellte: „Mit der UNESCO ist der Kontakt aufgenommen worden, äber unsere Tätigkeit konnte sich noch nicht entfalten, wie wir gewünscht hätten. Denn wir sind genötigt worden, in Etappen vorwärtszukommen. Die Fühlung mit dieser Organisation zu erreichen, ist eines der nächsten Vorhaben unserer Arbeit.“

Den ersten Auftakt zu Debatten gaben die mit sachlichem Ernst gesättigten Darlegungen des Direktors des großen kanadischen Blattes „The Erisign“ von Montreal über die Situation der katholischen Presse der Welt. Ihm schlossen sich der bekannte -deutsche Zeitungswissenschaftler, Professor D o v i f a t, Berlin, ein Spanier, der Direktor der „Gazeta del Norte“ von Bilbao A. Gonzales, Dr. Walsh vom NCWC in Washington und der Inder Abel Periapuram an.

Nahm man alles zusammen, so waren alle diese Berichte über den Stand, die Erfahrungen, die Methoden, die weiteren Ziele der katholischen Presse des behandelten Raumes ein Bilderbuch von Varianten der journalistischen Aufgabe und ihrer Erfüllung. Zuweilen auch in kritische Betrachtungen gestellt, so wenn zum Beispiel R. H. K a y s e r 1 i n g k, dieser erfahrene, grauhaarige Kämpe der Feder, auf einen Umstand hin’wies, ‘ der die besonders in den USA weitverbreiteten und an sich höchst verdienstvollen katholischen diözesanen Publikationen im engeren Wortsinn eines großen Teiles ihrer Wirksamkeit auf die Oeffentlichkeit beraube.

Diese Veröffentlichungen, deren Auflage — sagte der Sprecher — auf mehr als zehn Millionen Exemplare geschätzt wird, beschränken sich auf rein kirchliche und religiöse Mitteilungen. Dadurch halten sie sich vom Strom des allgemeinen Geschehens und der die Oeffentlichkeit bewegenden Ereignisse fern; kein Katholik, der ausschließlich diese Presse lese, könne sich als ausreichend informiert über die Tagesprobleme seines Landes ansehen. Es handle sich hier um offizielle Organe der Diözesen, welche die Berichterstattung über politische, soziale, wirtschaftliche oder geschäftliche Angelegenheiten bewußt vermeiden. Die Folgen dieser Selbstbegrenzung sind so tiefgreifend, daß, wie Dr. John T. Kane, Leiter der Sozialabteilung der Universität von Notre- Dame erklärte, der Einfluß der Katholiken auf das amerikanische Leben viel geringer sei, als dies bei einer so starken Minderheit von 30 Millionen Katholiken erwartet werden könnte. Ueber die Verbreitung der katholischen Presse in den USA vermittelte Mr. Walsh dem Auditorium ein wertvolles Ziffernmaterial, auf das die „Furche“ noch zurückkommen wird. Nicht minder interessant waren die Angaben des Referenten über die Leistungen der Pressesektion der Nat. Cat. Welfare Conference in Washington. Am zweiten Kongreßtag analysierte Prof. Folliet von der katholischen Hochschule in Lyon die Soziologie der öffentlichen Meinung, indes der Chefredakteur des „Osservatore Romano“, M. Alessandrini, die Voraussetzungen für die Verbreitung der kirchlichen Lehre unter Gläubigen und unter Ungläubigen untersuchte. An diesem Tage kam auch Chefredakteur Dr. Roegele vom „Rheinischen Merkur“ mit einem feihnuäncierten Referat, über’ die Presse und die Öffentliche Meinung im kirchlichen Bereiche zu Wort, einem geistreichen Essay, das sich einer auszugsweisen Wiedergabe entzieht, wenn es nicht Mißverständnisse hervorrufen soll. Eine sehr beifällige Aufnahme fand die Untersuchung des Chefredakteurs Posch vom ‘„Volksboten“, der die praktische Erfahrung und die Erfolge eines für weiteste Volksk’reise berechneten Blattes darlegte.

In einem bedeutsamen Referat präzisierte am dritten Verhandlungstag Maurice Her f von „La Croix“ die Stellungnahme gegenüber der Entwicklung des Rundfunks, des Kinos und des Fernsehens. Daß sich die Presse dem technischen Fortschritt entgegenstemme, könne nicht in Betracht kommen. ‘

In der Debatte wurde von dem Vorsitzenden Delforge .geltend gemacht, daß . es sehr darauf ankommen werde, wer die Apparatur des Fernsehens in der Hand haben werde. Werde sie der privaten. Hand überlassen werden, irgendwelchen anonymen Mächten oder dem Staate? In jedem Falle könne man kritische Lösungen erwarten. — Es lag nahe, daß die Debatte angesichts der Vielfalt der mit dem Fernsehen verbundenen Probleme zu einem abschließenden Urteil noch nicht gelangen konnte.

„Missionarischer Geist uöd berufliches, Können müssen die... hervorstechendsten Eigenschaften des katholischen Journalisten sein.“ Diese Förderung erhob der Erzbischof von Paris, Kardinal Feltin, am Mittwoch abend auf der Abschlußsitzung des Kongresses. Der Kardinal unterstrich die Tendenz des Kongresses, gegen jeden Dilettantismus irn Journalistenberuf anzugehen. Gerade der katholische Journalist müsse ein Könner sein und die besonderen Methoden der Presse und Publizistik souverän beherrschen.

Bevor an die Neuwahl der Vorstände der in der Union zusammengeschlossenen Berufsverbände gegangen wurde, sprach Dr. Funder namens seiner österreichischen Berufsgenossen die Einladung aus, den in drei Jahren s t a 11f i nden de n Fünften W e 1t k o n g r e ß derkatho- lischen Presse in Wien abzuhalten. Die Einladung wurde mit stürmischem Beifall aüfgenommen. Es würde denn auch in den nachfolgenden Abstimmungen Dr. Funder in den vorbereitenden Ausschuß für den nächsten Kongreß gewählt, Platzhalter für die Mitwirkung Oesterreichs an den Arbeiten des Komitees. — An die Spitze der Union wurde abermals Gonte dalla Torre berufen.

Der Rahmen eines Zeitungsaufsatzes ist zu eng, um das ganze Bild dieser von einem starken Aktivismus erfüllten Tagung zu zeigen.

Der Kongreß, dessen Verlauf eine edle Harmonie und fruchtbare Sachlichkeit auszeichneten, stellt ein Ereignis dar, das über die Berufskreise der katholischen Presse Wirkung üben wird. Eine warme Note erhielt die Tagung durch die vornehme Gastlichkeit, die den Teilnehmern durch Empfänge im Ministerium des Aeußern, im Pariser Stadthause durch Charles Früh, Vizepräsident des Conseil Municipal, und durch eipe Veranstaltung der Kollegen der französischen katholischen Presse bereitet wurde.

Die österreichische Delegation war auf dem Kongreß repräsentiert durch Chefredakteur Benedikt Posch „Volksbote“, Innsbruck, Chefredakteur Nikolaus Hovorka „Offenes Wort“, Doktor Felix Gamillschegg „Kathpreß“ und Dr. Friedrich Funder „Furch e“. Den Oesterreichern wurden aus dem internationalen Kreise ihrer Berufsgenossen viele Sympathiebezeigungen erwiesen.

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