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Der Präsident der Kontinuität

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vor rasi genau einem aanr wurae der Vizepräsident der Vereinigten Staaten — zwei Stunden, nachdem J. F. Kennedy für tot erklärt worden war — als Präsident der USA vereidigt.

Ein Jahr lang hat er das Amt ausgefüllt, im Grunde immer noch stellvertretend für den ermordeten Vorgänger. Die Amtszeit läuft ab — und Lyndon B. Johnson hat für sich und seine Partei aus eigenem Recht das Mandat für die Fortsetzung sel

ler Politik vom amerikanischen Vähler gefordert.

Die Nation hat es ihm gegeben, nit einer weitaus größeren Mehrheit 1s sie seinerzeit JFK vergönnt war.

Sie hat sich für die Kontinuität ntschieden, für den Status quo, hat m Grunde „konservativ“ gestimmt, ils sie den Mann wählte, dessen iberale Innenpolitik und außenpoli- ische Politik der wehrhaften Mäßi- ung nach außen, von dem radikale Änderungen auf beiden Gebieten ordernden Aufstand der Provinz, len Senator Goldwater als Wort- ührer eines sich selbst mißverste- ienden Konservativismus personifi- ierte, in Frage gestellt wurden.

Dabei ist ein Unbehagen gewisser Preise des Landes — und nicht nur m Süden — mit bestimmten Ten- enzen der Kennedy-Johnson-Admi- listration nicht zu leugnen. Die hvilrechtsgesetzgebung, die den far- dgen Amerikanern endgültig die linen verfassungsmäßig seit langem arantierten gleichen Rechte in Be- uf, Erziehung, Freizeit und Wahlecht sichern will, stieß auf Viderstand. Im Namen der „Staatsechte“ der Einzelstaaten, vor Ilern aber im Namen der individua- istischen Rechte freier Männer, oyal der Tradition der Pionierzeit, pponierte man dem steigenden Jachtzuwachs der Bundesbehörden.

)ie fehlende realistische Alternative

Die unbefriedigende Situation in lüdvietnam, das, was die radikale lechte den Ausverkauf an den Kom- nunismus nannte, als die Formel 'on der „Koexistenz“ mehr oder ninder von der demokratischen Reiterung in Beziehung zum Ostblock ikzeptiert worden war, trug weiter- lin dazu bei, den Parolen der ’arolen der Republikaner Gold- vaterscher Observanz zeitweise Beachtung zu verschaffen.

Nicht wenige Beobachter sind

licht zuletzt deshalb verlor, weil sie ss nicht verstand, dem Wähler eine •ealistische, konstruktive Alternative :um Programm der Regierung glaub- laft zu machen.

Die demokratische Administration lat dazu beigetragen, den Frieden n der Welt zu bewahren. Das 'Jationaleinkommen ist gestiegen. Die Zivilrechtsfrage hat man resolut n Angriff genommen. Eine Reihe ran Gesetzen, die der nationalen Erziehung und Wohlfahrt zugute rammen, sind erlassen worden. Der Kampf gegen die Armut hat begon- len

leiße Eisen wurden nicht angefaßt

Aber fast alles blieb in Allgemein- ilätzen stecken. Es wurde nicht virklich über entscheidende Pro- >leme öffentlich diskutiert Während

>r vier Jahren die berühmte Fern hdiskussion zwischen Kennedy un ixon (nicht ohne Schärfe) aktuell 'obleme recht konkret vor de itionalen Öffentlichkeit erörterter it Präsident Johnson diesmal ein inliche öffentliche Konfrontatioi it seinem republikanischen Kriti ;r abgelehnt. Und eines der ent heidenden Probleme der USA, di utomation, ist groteskerweise über lupt nur von den Vertretern eine inderheitspartei, der „Socialis ibor Party“ in die Diskussion ge orfen worden. Die Sprecher de •iden Großparteien habe das heiß sen nicht angefaßt

Und dennoch entschied sich da ind für den Garanten der Konti lität. Die Gründe sind jnannig Itig.

Ein Hauptargument gegen Gold ater war zweifellos bei vielen ai

ach nicht übermäßig für Johnson jegeisterten Wählern, daß seine anti- communistische „Entschiedenheit“, lie einen etwaigen Atomkrieg mit in Betracht zu ziehen schien, statt patriotischer Gefühle solche der Un- uhe und Furcht auslöste Dazu cam, daß der Schock nach der Er- nordung John F. Kennedys noch mmer nicht ganz abgeklungen war, and große Teile der Bevölkerung Coldwaters Akzeptierung einer .extremen“ Position als Tugend erschreckend fanden.

Lyndon Johnson ist letztlich von ien unabhängigen, nicht parteige- pundenen Wählern gewählt worden md dem Teil der republikanischen Sympathisanten, der die Übernahme ier Partei durch die militante Rechtsfraktion und die Ausschaltung ier gemäßigten Parteiführer wie Rockefeller. Romney und Scranton ils parteischädigend empfand.

Es ist kein Zufall, daß fast überall vo republikanische Kandidaten sich nit einer eigenen Plattform zur iVahl stellten und sich weigerten, iür Goldwater einzutreten, sie relativ jut abschnitten. (Neben der Präsi- ientschaft standen 35 der 100 Sena- :oren, alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses, 26 der 50 Gouverneure der Einzelstaaten, die Abgeordneten von 44 einzelstaatlichen Parlamenten und zahlreiche örtliche Ämter zur Entscheidung.)

Die Protestwähler entschieden

Im ganzen aber hat man offen- dchtlich mehr als einmal im Protest lie Stimme abgegeben. Im Protest ’egen das bedrohliche Element, das n Goldwaters widerspruchsvoller, inberechenbarer „Alternative“ lag, iaß man den geduldigen Projekten (ohnsons gegenüberstellte.

Der amerikanische Wähler ent- ichied sich für die Kontinuität, vandte sich gegen außenpolitische Abenteuer und innenpolitische Reaktion, in der Hoffnung, daß Frie- len, Wohlstand und Freiheit — die irei Kennworte des demokratischen Vahlkampfes — nicht nur bewahrt, londern verfestigt und ausgebaut verden. Man gab Lyndon B. John- lon vier Jahre, dafür zu arbeiten.

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