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Der Schloßgeist rumort weiter

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Das Schloß Viktring bei Klagenfurt, bisher im Privatbesitz der Textil-flrma Reichmann, deren Chef durch Kreditmanipulationen sein Unternehmen in den Konkurs gestürzt hatte, war ein Schloß wie jedes andere in Kärnten. Etwas verwahrlost, Wohnstätte mehrerer Familien, ein kaum beachtetes Bauwerk und weit davon entfernt, ein historisches Symbol oder eine Touristenattraktion zu sein.

Als die Gläubigerbanken das Konkursschloß zur Versteigerung bestimmten, wurde es plötzlich Kärntens teuerstes Symbol. Die Story der Aufwertung klingt zwar komisch, ist aber in ihrer Substanz außerordentlich tragisch.

Bekanntlich trat Hermagors Bruderschaft, eine mehr als hundert Jahre alte christliche Organisation der Kärntner Slowenen, als Kaufinteressent auf. Kurz vor dem Versteigerungstermin schlug die FPÖ im Viktringer Gemeinderat Alarm: Das Land solle das Schloß kaufen. In der Begründung hieß es, daß dieses Kleinod „nicht in slowenische Hände fallen“ dürfe. Daraufhin übernahm die gesamte FPÖ die Deutscherhaltungsaktion des Schlosses, indem sie ri:e Gefahr einer „Slowenisierung der Gemeinde“ Viktring beschwor. Die durch die antislowenische Welle etwas nervös gewordene Landesregierung trat als zweiter Interessent auf. Der Versteigerungstermin wurde verschoben.

Versöhnliches Symbol wird zum Affront

Der antislowenische Abwehrkämpferbund und die FPÖ manövrierten sich in die fatale Situation, sozusagen tüchtige Agenten für die Banken und gleichzeitig auch für die kommunistische Slowenenpolitik Laibachs zu sein. Diese doppelte Aktivität wurde aber bieder als Kampf für die Lebensinteressen Kärntens bezeichnet.

Nun aber kam die große „versöhnliche“ Symbolgeste. Die Bundesregierung will das Schloß kaufen (etwa 8 Millionen Schilling), für die Adaption acht Millionen zur Verfügung stellen und das Bauwerk samt 15 ha Grundbesitz als Abstimmungsspende dem Land Kärnten schenken. Die Überraschung des ungefragt Beschenkten war vollkommen, denn Landeshauptmann Sima, gestärkt durch den einstimmigen Beschluß des Landtages, als Jubiläumsspende dem Bund einen Betrag von 30 Millionen Schilling für die Gemeinden im ehemaligen Abstimmungsgebiet zu empfehlen, lehnte die Schloßvariation dieser Spende glattweg ab. Daraufhin Ent-

rüstung bei FPÖ und ÖVP: „Diese Ablehnung ist eine Verletzung der Gefühle dier Kärntner!“ Der schönste Wahlkampfschlager war komplett. Die Slowenen klagen: Hätte der „Verband der Ritterkreuzträger“, der in Südkärnten ohne Schwierigkeiten ein Feriendorf bauen konnte, das Schloß gekauft, dann wäre es zu keinem Protest gekommen; so aber sei der Bewerber eine traditionsreiche Organisation der österreichtreuen slowenischen Minderheit. Diese Absicht habe im „toleranten“ Kärnten mit allen Mitteln verhindert werden müssen. Das ist eine irge Schlappe der in Reden so oft strapazierten „realistischen“ Minderheitenpolitik. Die Landesregierung selbst saß in den Nesseln, denn nach Ablehnung der Abstimmungs-Schloßspende durch den Landeshauptmann kam postwendend die hämische Antwort: „Warum vor pinigen Wochen ja und jetzt plötzlich nein?“ Die Landesregierung wurde somit Gefangene des Mißtrauens gegenüber der Minderheit.

Das ganze Jahr 1969 wurde darüber diskutiert, wie man das Jubiläumsjahr 1970 — 50 Jahre nach der Kärntner Volksabstimmung — feiern solle, ohne die Gefühle der Angehörigen der Minderheit zu verletzen. Die eigenartige Abstimmungs-Schloßspende des Bundes hat die gutgemeinte Diskussion abrupt beendet. Der Minderheit in Kärnten bleibt, wie einige ihrer führenden Repräsentanten erklärten, weiterhin ^as Stigma der Landesverräter. In Zukunft wird sich eine Minderheitengruppe in Kärnten bei einem Ankauf von Bauwerken oder Grundstücken um Strohmänner oder Tarnorganisationen kümmern müssen. Diese Verbannung in die Illegalität wird dem inneren Frieden kaum nützlich sein.

Der Bundesregierung ist es widerfahren, daß 1970 in Kärnten nicht im Zeichen der Versöhnung, sondern des vermehrten Mißtrauens stehen wird. Das politische Spiel um das baufällige Schloß Viktring, das in keinerlei Beziehungen zu den Ereignissen zwischen 1918 und 1920 steht, hat gezeigt, daß es in Kärnten wohl möglich war, die Beziehungen zu den Nachbarländern zu verbessern, daß es aber nicht gelungen ist, die Kluft zwischen der Mehrheit und der Minderheit zu überbrücken. Das zum „Abwehrkampf-Spätzünder“ erho-^ne Schloß Viktring wird Symbol des Rückfalles zu einer Zeit sein, in der sich die freien europäischen Völker, die doch alle Minderheiten sind, um den Bau eines gemeinsamen föderalistischen Hauses bemühen.

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