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Der „Silberstreifen“

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Von Privatdozent Dr. G. Stratil-Sauer, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft

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Von Privatdozent Dr. G. Stratil-Sauer, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft

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Aus mehrfachen Gründen scheint uns die Parlamentssitzung vom 9. April einer besonderen Würdigung wert. Indem der Nationalrat einen Mehrbetrag von 150 Millionen für das Kulturbudget für das Jahr 1955 nachzog", brachte er zum Ausdruck, daß das Unterrichtsministerium a priori erst mit dieser zusätzlichen Summe in den Wettkampf der Ressorts eintritt und daß es nicht seiner Auffassung entspricht, wenn die anderen Ministerien darin einen Präzedenzfall sehen wollen und daraus Rechte auf eigene Budgeterhöhungen abzuleiten vermeinen. Ungewöhnlich ist es, daß bereits in einer Wintersession Resolutionen zum Budget für das nächste Jahr gefaßt werden und daß sich das Parlament dazu entschloß, endlich auf seinem vollen Recht der Budgetierung zu bestehen, das sich bisher nicht entfalten konnte. Immer wieder hatte das gleiche Verhängnis gedroht, daß der den ministeriellen Zauberküchen entstiegene Homunkulus des Budgets bei jedem ernstlichen Eingriff am Operationstisch der Ausschüsse seinen Geist aufzugeben bereit war. Und ungewöhnlich endlich war es auch, daß sich alle Parteien eines Sinnes zeigten und die Abstimmung fast einer Rütliszene glich.

Selbst wenn wir die Erfahrung der Nürnberger, daß man nur den henken kann, den man hat, berücksichtigen, wäre es unbillig, wenn wir mit unserem Dank zuwarten wollten, bis die’Zahlung wirklich am Minoritfen- platz eingeht. Wir wollen gern anerkennen, wie spontan das Parlament gehandelt und wie schnell es die Konsequenzen aus der großen Demonstration der Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft gezogen hat. Man hatte den Eindruck, daß es die Verantwortungsbewußten unter den Abgeordneten glücklich machte, an die Kultur die Ehrenschuld abtragen zu können, die in ihnen schon längst als Gewissenswurm nagte.

Die „Oesterreichische Hochschulzeitung“ gab schon am 15. April durch den Titel ihres Leitartikels „Den Helm fester binden“ zu verstehen, daß der „Kulturkampf“, wie ihn die Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft expressis verbis auffaßt, nach dieser ersten gewonnenen Schlacht noch keineswegs abgeschlossen ist. Es war, wie wiederholt im Parlament gesagt worden ist, ein Anfang und gewiß ein schöner, aber nicht mehr. Bezieht man die in Aussicht gestellten 150 Millionen Schilling auf das Gesamtbudget von 20 Milliarden Schilling, so bedeutet diese Summe nicht mehr als 0,75 Prozent, also eine Erhöhung, die nicht einmal ein Hundertstel des Staatshaushaltes ausmacht, — es ist übrigens die gleiche Summe, welche die Sportverbände aus dem Totoerlös erhalten haben. Und wie man es auch drehen und wenden mag, so bleibt doch das eine bestehen, daß das Kulturbudget Oesterreichs noch immer weit unter dem Durchschnitt der anderen Kulturnationen liegt. Dazu kommt, daß der Ausschuß der Arbeitsgemeinschaft bei sorgsamem Abwägen aller himmelschreienden Nöte den Entschluß fassen mußte, den Herrn Bundesminister für Unterricht, der die

150 Millionen Schilling zu verteilen haben wird, zu bitten, vorerst die Blößen im M i 11 e 1 s c h u 1 s e k t o r zu decken, wo die Verhältnisse wirklich katastrophal sind. Anerkennenswerterweise hat die Arbeitsgemeinschaft, die ja alle Sparten der Wissenschaft und Kunst in sich vereinigt, diesen Beschluß einstimmig gefaßt und damit dokumentiert, daß sie nicht nur zu handeln, sondern auch zu planen versteht.

Das Parlament hat, wie wir voll Freude feststellten, die zuständigen Ministerien aufgefordert, die Frage der Steuerabzugsfähigkeit der Spenden für kulturelle Zwecke eingehend zu prüfen.

Es ist hier nicht der Ort, die Gegenargumente zu widerlegen, die von Seiten des zuständigen Ressorts im Finanzministerium geltend gemacht wurden. Das ist bereits öfter und, wie ich glaube, nachhaltig geschehen. Nur dem letzten Einwurf, daß es doch nicht angehe, jeden Gesangsverein als empfangsberechtigt für steuerabzugsfähige Spenden anzuerkennen, soll noch geantwortet werden. Es könnte ja, so wurde dabei argumentiert, jedermann einen Kulturverein gründen, um. sich auf diese Weise selbst Spenden zukommen zu lassen. Der Vorzug einer Dachorganisation zeigt sich auch darin, daß dem Finanzministerium empfohlen werden konnte, für Spenden auf dem wissenschaftlichen Sektor nur die Akademie der Wissenschaften, die Hochschulen mit ihren Instituten und den umfassenden Notring der wissenschaftlichen Verbände, für den Kunstsektor dagegen nur die Sammelorganisation der Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft als empfangsberechtigt zu bestimmen. Wie noch in einer besonderen Eingabe erklärt wurde, sind wir nach der Formulierung des ersten Leiters, Prof. DDr. R. K e r s c h a g 1, bereit, uns j e d e r Kontrolle zu unterwerfen, und verwahren uns nur gegen eine Beurteilung der wissenschaftlichen und künstlerischen Zweckmäßigkeit solcher finanzieller Zuwendungen und gegen ihre nach freiem Ermessen erfolgende individuelle Behandlung durch hierzu nicht berufene Stellen.

Die Steuerfreiheit der Spenden für wissenschaftliche Zwecke bis zu zehn Prozent der steuerpflichtigen Einkünfte oder bis zu zwei Prozent des Umsatzes hat’ der Wissenschaft in der deutschen Bundesrepublik an die 100 Millionen D-Mark eingebracht, also Summen mobilisiert, die ohne diese gesetzliche Maßnahme der Oeffentlichkeit überhaupt nicht zugute gekommen wären. Welche immensen Beträge bleiben den angloamerikanischen Staaten dadurch erspart, daß dort viele Hochschulen rein durch Spenden unterhalten werden! Wie uns soeben Univ.-Prof. Dr. P u n t i 1 a aus Helsinki anläßlich seines hiesigen Vortragsbesuches mitteilte, konnte in Finnland dank der Steuerfreiheit der Spenden ein Fonds von zur Zeit 100 Millionen Schilling geschaffen werden, dessen Zinsen der Wissenschaft zur Verfügung stehen, und diese für Oesterreichs Mäzenatentum kaum faßbare Summe hat das arme, schwer geschlagene Finnland durch die Opferbereitschaft seiner Bevölkerung und die Einsicht seiner Regierung aufbringen können! „Dank diesen Spenden können wir unsere Industrie mit Forschungsergebnissen versorgen und leistungsfähig erhalten“, so sagte der finnische Gast.

Von den 20 Punkten unseres Forderungsprogramms empfahl ferner das Parlament die Umsatzsteuerfreiheit für jedwedes Entgelt auf dem Gebiete künstlerischer und wissenschaftlicher Leistung entsprechend der gesetzlichen Regelung in der Ersten Republik Punkt 9, gesetzliche Regelung einer würdigen Altersversorgung für freischaffende Künstler und

Wissenschaftler Punkt 6, Rücksichtnahme auf die arbeitende Bevölkerung bei Festsetzung der Besuchszeiten für öffentliche Sammlungen Punkt 20 usw.; doch um die Verwirklichung vieler Forderungen unseres Programms werden wir noch kämpfen müssen. Immerhin läßt der Silberstreifen am dunklen Kulturhimmel Oesterreichs schon auf ein Morgenrot hoffen, zumal wenn Kunst und Wissenschaft weiterhin in der überparteilichen Einheit der Arbeitsgemeinschaft zusammenstehen.

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