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Der Spiegel zu Südtirol
Anfang Juni ging durch die Presse ein offenbar kaum bemerkter Bericht über einen Besuch des Kärntner Landeshauptmannes Sima in Laibach. Bei dieser Gelegenheit sei es mit den Mitgliedern der slowenischen Landesregierung zu einem Disput über die Durchführung des Artikels 7, Abs. 3, des Staatsvertrages gekommen. Der slowenische Ministerpräsident Kavcid habe den Gebrauch der slowenischen Sprache in der öffentlichen Verwaltung Kärntens im Sinne jener Bestimmung des Staatsvertrages urgiert. Landeshauptmann Sima habe daraufhin bemerkt, daß das Problem der Verwendung der slowenischen Sprache als zusätzliche Amtssprache in Süd- kämten in der Praxis vollkommen befriedigend geregelt sei, weshalb man nicht von einer offenen Frage sprechen könne. Bezüglich, der Anbringung von doppelsprachigen Aufschriften in Südkärnten wurde seitens der Klagenfurter Landesregierung darauf hingewiesen, daß über die Durchführung des Paragraphen 3 des Minderheitenartikels völlig gegensätzliche Meinungen bestehen, weshalb die Frage am zweckmäßigsten noch weiter zurückgestellt bleiben solle.
Ferner habe ÖVP-Sekretär Pau- litsch in seiner Bede im Bundesrat über die Minderheitenfrage in Kärnten zu . Äußerungen des Lehrers Vinko Zwitter an einer slowenisch- sprachigen Mittelschule in Südkärnten Stellung genommen, der in diesem Zusammenhang von „Kultur- schande“ gesprochen und festgestellt hat, daß in dieser Situation Selbsthilfe die einzige Lösung darstelle. Paulitsch habe gesagt, es sei kaum verständlich, wenn ein Vertreter der Minderheit sich über ein Gesetz beschwere, das allen slowenischen Kindern den Unterricht in ihrer Muttersprache ermögliche. Im Interesse des Ansehens Österreichs dürften solche Äußerungen nicht unbeantwortet bleiben. Jeder Staatsbürger, auch wenn 1 er eine andere Muttersprache spreche, könne nicht nur Rechte beanspruchen, sondern müsse auch Pflichten gegenüber Österreich erfüllen.
Soweit die Kontroverse. Die „Presse“ vom 4. Juni fügt diesem Bericht hinzu, daß es in letzter Zeit innerhalb der slowenischen Volksgruppen zu Spannungen gekommen sei; den Führern der Slowenen wäre seitens der slowenischen Studenten vorgeworfen worden, daß sie nicht imstande seien, an die Probleme der Minderheit, die sich aus den Beziehungen zum Mehrheitsvolk ergäben, in zufriedenstellender Weise heranzugehen.
Soweit die Zeitungsmeldung. Was sie schildert, ist hinreichend, um dem denkenden Beobachter ein bekanntes Zitat aus Heines „Nachtgedanken“ in angepaßter Variation ins Gedächtnis zu rufen: Denk’ ich an Österreich in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht. Ist es doch einfach erschreckend, wie wenig offensichtlich aus so viel Geschichte gelernt worden ist. Denn über dem Urbild dieses hier nur, mehr im Kleinstbühnenausmaß über die Bretter eines Provinztheaters gehenden Trauerspiels ist vor fünfzig Jahren ein großes Reich, unser Reich, zerbrochen. Wer das nicht vergessen kann, traut seinen Augen und Ohren nicht, wenn er nun die Wiederholung jenes tödlichen Fehlers von damals im kleinen erleben muß. Ist es doch zunächst schon einmal be schämend, daß uns diesbezüglich geschichtlich längst herangealterte Selbstverständlichkeiten der inneren Verwaltung schließlich 1955 in einem internationalen Vertrag mehr oder weniger aufgezwungen werden mußten. Und nun klappt es — notabene seit dem Jahre 1848 — noch immer nicht.
Das menschliche Problem ‘1 v •
¿Genau so: ¿ab w ¡wie. itn Falle Süd-t, tirol angesichts von Mißständen und ihren Folgeerscheinungen zu allererst an die Verantwortung der Machtträger zu appellieren ist, so auch hier. Klagen welcher Art auch immer machen nicht die sich beschwerende Minderheit der Unbescheidenheit, sondern die jeweilige Staatsautorität eines rechtspolitischen Fehlers und damit eines Verstoßes gegen ein Gebot der Menschlichkeit, also nebenbei auch des Naturrechts, verdächtig. Sehr schön sagt Enmacona („Die Kärntner Minderheitenfrage als Rechtsproblem" in „Der Donauraum“, 1960, 1. Heft, S. 13): „Schließlich darf die Problematik nicht übersehen werden, die im Hintergründe der Kärntner Minderheitenfrage so wie hinter jeder politischen Frage steht: es ist die menschliche.“ Dies ist nicht graue Theorie, denn jener Fehler hat sich in der Praxis der Weltgeschichte, die unsere bekanntlich nicht ausgenommen, noch immer gerächt
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