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Der sterbende Wald

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Die UberschwemmungS' katastrophen der letzten Wochen haben das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Uberschlägerung der heimischen Wälder gelenkt. Es ist eine feststehende Tatsache, daß dem österreichischen Forst mehr Holz entnommen wird, als jährlich in den Wäldern zuwächst. Die Ursachen mögen kurz aufgezeigt werden.

Die Technik der Holzschlägerung und bringung, also die Erntetechnik im Walde, hat in den letzten Jahrzehnten auch der Maschine Eingang verschafft. Die Entwicklung des Transportwesens, die Anlage von Straßen, Seilbahnen und Holzbringungsanlagen haben es möglich gemacht, daß auch entfernt liegende Waldbestände genutzt werden konnten. Diese Waldbestände waren aber der Schutz der unterhalb liegenden Siedlungen und Kulturen, sie speicherten die anfallenden Niederschläge auf und schützten die Täler vor abrutschenden Schneemassen. Die Forstwirtschaft hat es versäumt, die Flächen, die sie mit Hilfe der neu entwickelten Technik nutzen konnte, wieder aufzuforsten. Die Ursache der mangelhaften Aufforstung liegt einerseits in den Krisenjahren zwischen den beiden Kriegen, in denen die Not zu Uberschlägerungen zwang, andererseits in den Kriegs- und Nachkriegsaufbringungen, welche tiefe Eingriffe in unsere Holzbestände mit sich brachten. Holz ist ein wichtiger Rohstoff geworden und wird überall gefragt. So ist es begreiflich, daß der Forstwirt leicht verleitet wird, durch die Gunst des Absatzes tief in seine Bestände einzugreifen. Der eigentliche Fehler liegt aber darin, daß man nicht nur mehr aus dem Wald herausgeschlagen hat, als jährlich zuwächst, sondern daß man der gesteigerten und verbesserten Erntetechnik keine verbesserte Produktion entgegenstellte. Die Züchtung von raschwüchsigen und ertragreichen Pflanzenbeständen wurde nicht durchgeführt. In den übrigen Zweigen des Pflanzenbaues, zum Beispiel im Getreidebau, hat es die Züchtung möglich gemacht, daß sich die Erträge in den letzten 500 Jahren verfünffacht haben, man hat neue Kulturpflanzen, welche den gegebenen Umständen Rechnung trugen, eingeführt, zum Beispiel die Kartoffel, die Kleepflanze und viele andere. In der Forstwirtschaft ging man diesen Weg nicht, sondern versuchte, durch Monokulturen Mehrerträge zu erzielen. An der Modekrankheit unserer Väter, der Reinkultur der Fichte, leiden wir heute noch. Es ist natürlich für den Forstwirt, der nicht so wie der Getreidezüchter mit Jahren, sondern mit Jahrzehnten rechnen muß, schwieriger, Pflanzenzucht zu betreiben, doch es muß eine planmäßige Züchtung auch in der Forstwirtschaft einer planmäßigen Schlägerung entgegengesetzt werden.

Die Erkenntnisse der Pflanzensoziologie macht sich die Forstwirtschaft, das ei anerkannt, in den letzten Jahren immer mehr zu eigen. Die Forstwirtschaft muß aber auch neue Wege im Pflanzenbau und in der Pflanzenzüchtung suchen. Vielleicht liegt ihr großer Fehler darin, daß sie alles mit den Augen des Forstwirtes gesehen und vergessen hat, daß die Forstwirtschaft und die Landwirtschaft jene Zweige der Urproduktion sind, die miteinander auf Gedeih und Verderben verbunden sind. Der reine Forstbetrieb muß, um seine Unkosten und seine Steuern zu decken, jedes Jahr dem Wald Holz entnehmen. Er muß sich ständig Arbeiter, Zugtiere und Zugmaschinen halten, die oft nicht vollständig ausgenützt werden. Ist der Wald mit einer Landwirtschaft verbunden, 60 kann der laufende Unterhalt des Betriebes aus den Erträgnissen der Landwirtschaft gezogen werden. Die Landwirtschaft versorgt den Betrieb und ermöglicht einen Ausgleich und eine bessere Ausnützung der menschlichen und tierischen Arbeitskräfte. Es ist so möglich, daß zu Zeiten schlechter Preise die Schlägerung überhaupt eingestellt werden kann und man nur bei günstiger Marktlage dem Forst Holz entnehmen wird. Es muß aber auch der staatlichen Führung der Vorwurf gemacht werden, daß sie in steuerlicher Beziehung auf die lange Zeit der Reifung der Holzbestände keine Rücksicht nimmt und daß sie,gleichgültig wie immer auch die Ertragsverhältnisse seien, gleichbleibende Grundsteuern vorschreibt. Weiter ist der Schutz des Waldes wohl im Forstgesetz verankert, doch wird er viel zu wenig durchgeführt. Die Aufforstungsmaßnahmen sind bei der allgemeinen Wichtigkeit des Waldes nicht nur eine Sache des einzelnen Besitzes, sondern ein Anliegen der Allgemeinheit. Die Verbauung der Wildbäche, die Regulierung der Flüsse werden mit großen öffentlichen Mitteln subventioniert. Manche dieser kostspieligen Arbeiten wären nicht nötig, wenn im Einzugsgebiet der Flüsse und Bäche die Wälder aufgeforstet würden und so der Wald die Regulierung des Wasserzuflusses besorgen würde. Die Aufforstung der Kahlschläge ist eine ebenso wichtige Meliorationsmaßnahme wie die Regulierung der Flüsse. Auch hier müßten öffentliche Mittel eingesetzt werden. Es ist verspätet, wenn man erst zum Zeitpunkt der Katastrophe hilft. Es wäre notwendig, der Ursache der Katastrophe vorzubeugen, und dies können wir, indem wir die ehemaligen Waldflächen aufforsten und auf diesen Flächen den natürlichen Pflanzenbestand, der sich ergänzt, hinzusetzen, und indem wir schließlich der modernen Holzerntetechnik auch eine moderne Technik der Pflanzenzüchtung zur Seite stellen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß die Urproduktion eine große Gemeinschaft ist und daß Land- und Forstwirtschaft durch die Natur und nicht nur durch das Wörtchen „und“ verbunden sind. Fallen wir nicht in den Fehler unserer Vorfahren, setzen wir nicht der Monokultur der Fichte die Monokultur des Waldes gegenüber. Wir müssen gedanklich frei werden von dem Denken an das Spezielle, und müssen gerade als naturverbundene Menschen in der Ge-, meinschaft der Natur leben und denken.

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