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Der Weg aus dem Ehewirrnis

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Die „Anmerkungen zur Bevölkerungspolitik“, die Dr Anton Burghardt in der letzterschienenen Folge der „Furche“ veröffentlichte, haben ein starkes Echo geweckt. Ihre konsequente Ergänzung findet diese Darlegung des großen Lebensproblems unseres Volkes, aber heute schon der abendländischen Kultur, hier in den ernsten Worten eines Juristen. Es geht um Ehe und Familie, die Grundelemente der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Die Furche“

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Die „Anmerkungen zur Bevölkerungspolitik“, die Dr Anton Burghardt in der letzterschienenen Folge der „Furche“ veröffentlichte, haben ein starkes Echo geweckt. Ihre konsequente Ergänzung findet diese Darlegung des großen Lebensproblems unseres Volkes, aber heute schon der abendländischen Kultur, hier in den ernsten Worten eines Juristen. Es geht um Ehe und Familie, die Grundelemente der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Die Furche“

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Die Ehescheidungsgerichte hatten in den letzten Monaten Höchstkonjunktur. Beim Landesgericht für Zivilrechtsachen in Wien, als dem zuständigen Ehescheidungsgericht, werden derzeit im Monatsdurchschnitt über 2000 Scheidungsprozesse anhängig gemacht. Seit der Wiederaufnahme der zivilgerichtlichen Rechtsprechung — in der Zeit vom Juli bis. Dezember 1945 — hatte das Landesgericht Wien rund 7000 Ehescheidungsprozesse zu eröffnen. Die Statistik der übrigen österreichischen Landes- und Kreisgerichte weist eine ähnliche Steigerung der dort anhängigen Ehescheidungsprozesse auf.

Diese Wirrnis wird mit verschiedenen Ursachen begründet. Übereilte und unüberlegte Eheschließungen während des Krieges, langjährige Trennung der Ehegatten, mangelnde wirtschaftliche Voraussetzungen beim Eheabschluß, unzulängliche Wohnverhältnisse, allgemeine Demoralisierung und dergleichen. Das sind Erklärungen, aber keine Rechtfertigung für die bestehenden Zustände.

Die Einrichtung der Ehe ist keine Privatangelegenheit des einzelnen; zufolge ihrer mannigfaltigen Auswirkungen auf Familie und Kindererziehung und weiterhin auf Volkstum und Staat ist sie der wichtigste Grundpfeiler der Gesellschaft; ihre Gefährdung als Massenerscheinung wird zu dem ernstesten sozialen, sittlichen und staatspolitischen Problem. Stets war ein staatliches Gemeinwesen nur dann fähig, die ihm gestellten geschichtlichen Aufgaben zu erfüllen, wenn sein Ehewesen geordnet und die Ehemoral gesund war. Staaten, in denen die eheliche Ordnung gelockert und dem Bestand der Familie die Sicherheit genommen wurde, offenbarten damit die Merkmale ihres einsetzenden Verfalls. Es ist daher eine Aufgabe vordringlichst e r N a t u r, die alle an dem Aufbau und der Erhaltung eines gesunden Staatswesens interessierten öffentlichen Kreise angeht, den sehr ernst in unserer Mitte auftretenden bedrohlichen Erscheinungen zu begegnen. Gesunde Staatsweisheit ist es, wenn vor einigen Monaten Präsident T r u m a n in öffentlicher Rede erklärte: „Es wäre gut, wenn die Nationen künftig Gesetze über die Rechte der Familie beschließen würden, wie sie dies in der Vergangenheit über die Rechte des einzelnen getan haben. Es ist geradezu unvermeidlich, daß wir an diesem Wendepunkt in der Geschichte, an dem wir unsere Hände und Herzen auf die gewaltige Aufgabe des Wiederaufbaues zu richten haben, einen Großteil unserer Aufmerksamkeit und unserer Bemühungen auf die Familie als Einheit zu konzentrieren haben.“ Dies Wort gilt den Gesetzgebern vieler Staaten.

Jedoch nicht Gesetze allein verbürgen eine richtige Entwicklung. Hiezu bedarf es einer weitgehenden Aufklärung, Lenkung und Erziehung der Menschen. Bei dem Umfang, den die Ehezerstörung angenommen hat, und bei der Tragweite dieser Erscheinung ist gerade auf diesem Gebiete eine große Aufgabe für die Innenmission erwachsen. Soll die Menschheit nicht ausdorren wie ein von schrecklicher Seuche befallener Körper, so wird sie zu den Geboten des göttlichen Naturrechts und dem Begreifen der u n e r s e t z 1 i c'h'e n W e r t e der dauernden und nur durch den Tod lösbaren Lebensgemeinschaft in der Ehe zurückzuführen sein. Es ist nicht von ungefähr, daß das Wort „Ehe“, von dem Althochdeutschen ewa; ewe stammend, „nichtendende Zeit“, „dauernder Bund“ bedeutet. Sinngemäß bezeichnet unser österreichisches „Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch“ das Wesen der Ehe als unzertrennliche Gemeinschaft Es muß die Üb' r-zeugung wieder Gemeingut des gan: :n Volkes werden, daß die Ehe etwxs Heiliges, Gottgewolltes ist, dei ;n Erfüllung dem Menschengeschlecht zi m Nutzen und Segen gegeben ist, daß die Ehe ihren Inhalt durch den menschlichen Willen findet und daß die gegenseitige Rücksichtnahme der Ehegatten in der Ehe und die Wahrving der ehelichen Treue die Gewähr für eine geordnete und bestandhabende eheliche Gemeinschaft bieten. Unter diesen Voraussetzungen wird die Ehe ein Quell physischer und sittlicher Gesundheit und der allgemeinen Volkskraft sein, aber auch nur so wird sie die Aufgabe erfüllen, die ihr vom Schöpfer gesetzt ist.

Mit der richtigen Wertung des Wesens der ehelichen Gemeinschaft muß jedoch auch der Kampf dafür verbunden sein,die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein geordnetes Eheleben zu ermöglichen. Aus ihrer Aufgabe erfolgt ihre soziale Funktion, die den Gesetzgeber auf die Beseitigung ehehemmender sozialer Mißstände, auf die Forderung nach einer entsprechenden Familienlohnpolitik und auf eine tatkräftige Woh-nungspolitik weist. Die bestehende Ehegesetzgebung bedarf im Ausblick auf solche Zielstellung einer gründlichen Überprüfung und Änderung. Ein großes Ärgernis gibt das Bestehen des 55 des nationalsozialistischen Ehegesetzes vom 6. Juli 1938, wonach jeder Ehegatte die Scheidung der Ehe begehren kann, sobald die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit drei Jahren aufgehoben und infolge einer tiefgreifenden unmittelbaren Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht zuy erwarten sei. Diese gesetzliche Bestimmung hat zu unhaltbaren Folgerungen geführt und geradezu zur Auflösung der Ehe ermuntert. Es ist im Interesse des Gemeinwohls geboten, daß zumindest diese gesetzliche Bestimmung ehestens aufgehoben wird. Zu verlangen ist ferner, daß die oft allzu lockere Praxis der Ehescheidungsgerichte bei der Beurteilung der Scheidungsbegehren strengeren Maßstäben folgt.

Wenn ein Haus in Brand gerät, dann wird die öffentliche Hilfeleistung der Feuerwehr aufgerufen, um den Brand zu löschen. Wenn das Leben des Staates in einer wesentlichsten Grund- und Existenzfrage, wie auf dem Gebiete des Eheproblems, gefährdet ist, dann ist auch ein Alarmruf an alle an der Erhaltung der staatlichen Gemeinschaft interessierten Kreise gebieterisch nötig, der da heißt: Rettet und erhaltet die Ehe, ihr rettet damit die Grundlagen der staatlichen Gemeinschaft!

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