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Der Weg zum Aufbau

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Die Unterstützung durch die UNRRA und weitere Hilfsaktionen haben es ermöglicht, daß Österreich im Jahre 1947 darangehen konnte, trotz der vierfachen Besetzung sein vom Kriege zÄstörtes Haus zu reparieren.

Das Bruttovolkseinkommen, welches auf Grund der erreichten Basis im Jahre 1948 zur Verfügung stehen wird, soll 16 bis 20 Milliarden Schilling betragen. Infolge der engen Verquickung der Österreichischen Wirtschaft mit dem Auslande müssen jedoch Güter im Werte von etwa 4,2 Milliarden Schilling im Rahmen des Gesamtvolksįn- kommens aus dem Auslande ringeführt werden: hauptsächlich Kohle, agrarische Roh- und Hilfsstoffe, Lebensmittel und Investitionsgüter. Beim derzeitigen Umrechnungsschlüssel von 1 : 10 müssen demnach Güter um 420 Millionen Dollar aus dem Auslande bezogen werden, um die Bevölkerung notdürftig zu ernähren und um die wichtigsten Anlagen der Industrie erneuern zu können. Dieser Güterbedarf wurde von jener amerikanischen Wirtschaftsverwaltung anerkannt, di die Bedürfnisse der am Marshall-Plan teilnehmenden Staaten zu untersuchen hatte, ehe sie beim Kongreß beantragen kopnre, daß die vorgesehenen Hilfsbeträge im Rahmen des European Recovery Program (ERP) frei- gegeben werden.

Österreich erreicht im Zeitraum des ersten Fiskaljahres des Marshall-Planes eine Export- leistung von bestenfalls 150 Millionen Dollar. Eine größere Steigerung erscheint derzeit nicht möglich, weil bei höheren Exporten in wichtigen Wirtschaftsgruppen, wie Holz und Eisen, der inländische Materialbedarf nur in einem völlig ungenügenden Ausmaß gedeckt werden könnte. Im

Deviseneingang Österreichs erscheint au J nicht der wesentliche Posten der Ausfuhr von Erdöl und seiner Derivate, da die russische Besatzungsmacht die eingehenden Devisen nicht der österreichischen National- bank zur Verfügung stellt. Der anerkannte Importbedarf von 420 Millionen Dollar kann demnach nur durch 150 Millionen Dollar österreichischer Ausfuhren bezahlt werden.

Die Notwendigkeit der Steigerung der österreichischen Exporte muß stets als wirt- schaftspolitisch wichtiges Ziel vor aller Augen schweben.

Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß auch die stärkste Steigerung von Exporten in die Länder des Balkans, in die Tschechoslowakei oder nach Polen uns nicht die dringend benötigten Rohstoffe, wie Metalle und Chemikalien, sowie Lebensmittel, wie Weizen, Roggen oder Mais, in genügendem Ausmaß ergeben kann. Diese Rohstoffe müssen als dollarwertig angesehen werden, während die österreichische Industrie weitgehend nur Finalgüter dem Osten anbieten könnte, für die wieder nur Güter zweiter Wertigkeit im Kompensationswege geboten werden, keinesfalls jedoch aus-t schließlich Rohstoffe. ‘

Das Zahlungsbilanzdefizit Österreichs von 270 Millionen Dollar dürfte im ersten Fiskaljahr des Marshall Planes gegenüber den USA etwa 190, gegenüber den übrigen Ländern der westlichen Hemisphäre (Kanada, Südamerika) etwa 30 Millionen Dollar betragen. Das restliche Defizit von 50 Millionen verteilt sich auf Grund der momentanen wirtschaftspolitischen Verhältnisse auf die Marshall-Plan-Teilnehmerstaaten in Westeuropa und auf die Marshall-Plan-Nicht-

Teilnehmerstaaten in Osteuropa. Die amerikanischen Behörden haben bei den ersten Untersuchungen der österreichischen Zahlungsbilanz unser Defizit nach dem Osten als höher, unser Defizit nach den USA als niedriger eingeschätzt. Da es sicher ist, daß wichtige Grundstoffe und Lebensmittel im ersten Fiskaljahr des Marshall Planes für Österreich, selbst bei Dollarbezahlung, aus dem Osten nur in geringem Maße erhältlich sind, müssen wir hoffen, daß es den österreichischen Stellen gelingen wird, die amerikanischen Behörden zu überzeugen, daß das größte Defizit Österreichs bei dem anerkannten Importbedarf von 420 Millionen Dollar im Jahre durch die ganze Konstruktion des Marshall-Planes in den USA gelegen ist.

Das an und für sich geringe Defizit m i t dem Osten würde emporschnellen, wenn österreidi 200 Millionen Dollar bezahlen müßte, welche als Ablöse für das Deutsche Eigentum in Ostösterreich an Sowjetrußland gezahlt werden sollen. Es würde jedoch noch immer beachtlich bleiben, wenn auch bei näherer Untersuchung des tatsächlichen Wertes des Deutschen Eigentums in Ostösterreich der Betrag von 200 Millionen Dollar eine Verminderung erfahren würde.

Diese Überlegungen zeigen, wie schwierig die Situation Österreichs werden könnte, wenn zu dem offensichtlichen Defizit der österreichischen Zahlungsbilanz von 270 Millionen Dollar die Verpflichtung zur Ablösung des Deutschen Eigentums käme. Unsere Heimat ist von der Natur mit vielen Reichtümern gesegnet: Wasserkräfte zur Erzeugung elektrischen Stromes, flüssige Brennstoffe, Holz und Eisen stehen zur Verfügung, die herrliche Landschaft ladet Fremde aus der ganzen Welt zum Besuche ein. Einige Jahre angestrengter Arbeit ihrer

Bewohner und einige Jahre der Hilfe großer und reicher Völker können sie instand setzen, ein vollwertiges Mitglied der europäischen Völkergemeinschaft zu werden. Lebensmittel, Kohle und Rohstoffe im Werte von 420 Millionen Dollar müssen im ersten Jahre des Marshall-Planes zumindest eingeführt werden, damit der Arbeitswille ihrer Bevölkerung voll wirksam werden kann.

Es ist zu wünschen, daß die Einsicht der Großen es möglich macht, daß die vorgesehene Hilfe zur Beschaffung von Rohstoffen und Lebensmitteln verwendet werden kann, so daß Österreichs Exporte der österreichisdten Handelspolitik zur Verfügung stehen und daß der Wiederaufbau Österreichs nicht um Jahre zurückgeworfen wird, weil eine unerträglich große Menge von Gütern zur Ablöse des Deutschen Eigentums geliefert werden muß.

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